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Hat auch nichts zu lachen: Der Junge im roten Pullover unter der Knute von «Kindergarten Cop» Arnold Schwarzenegger.

Der Berner Nachwuchs hat nichts zu lachen

In Kehrsatz dürfen Jugendliche nach zehn Uhr nicht mehr auf die Strasse, und im Kindergarten herrscht ein Weissbrot-Embargo. Bern sollte allmählich acht geben, seine Zöglinge nicht zu vergraulen.

Der Schulleiter ist irritiert, die Jugendlichen sind verärgert und die Jungsozialisten sind ausser sich: Die Ausgangssperre in Kehrsatz, die Jugendliche unter 16 Jahren nach zehn Uhr von der Strasse fernhalten soll, sorgt für reichlich Zündstoff. Derart in der persönlichen Freiheit beschnitten zu werden, ist wahrlich kein Spass.

Einmal mehr muss die Altersgruppe der unmündigen Menschen mit semi-erwachsenen Bedürfnissen erfahren, dass ihr Platz in der Öffentlichkeit arg eingeschränkt ist: Zu den spassigen Clubs haben sie noch keinen Zutritt, einen Jugendtreff gibt es nicht und die abendlichen Konzilien beim Velounterstand der Dorfschule sind plötzlich verboten.

Nun zeigen Hauptstädter-Recherchen, dass die Gängelung junger Menschen im Kanton Bern Tradition hat. Und zwar nicht erst, seit Interlaken, Ins und Kerzers die Ausgangssperre für Jugendliche salonfähig gemacht haben.

Es beginnt bereits im Kindergartenalter. Die Bevormundung unserer jungen Mitmenschen kommt in der Gestalt der DVD «Elterninfo: Kindergarten» daher (Trailer durch Anklicken ansehen), einem 34-minütigen Film, der Eltern von Kindergartenaspirantinnen und –aspiranten über Sinn und Zweck, aber auch die Regeln des Kindergartenbesuchs aufklärt. Gratis und mehrsprachig wird es an Bernerinnen und Berner mit Kindern im kindergartenfähigen Alter geschickt, schliesslich findet am 31. Januar auch schon das Einschreiben für den neuen Jahrgang statt.

Natürlich kommt das alles hübsch verpackt daher, das Wohl des Kindes steht im Zentrum, «ihrem Kind soll es im Kindergarten und später in der Schule gut gehen», sagt die Berner Ex-Sozialdirektorin Edith Olibet in der Einleitung.

Doch dann werden die Regeln bekanntgegeben, und es sind strenge Regeln, die da gelten in unseren städtischen Kindergärten. «Ihr Kind muss sich bewegen» ist eine der einleuchtenderen, schliesslich liegt die Bewegung irgendwie in der Natur des Kindes, doch andere scheinen doch übers Ziel hinauszuschiessen. «Schokolade, Weissbrot, Süssigkeiten und gezuckerte Getränke gehören nicht in den Kindergarten», sagt die Stimme aus dem Off, und das brüskiert dann doch in seiner Absolutheit. Ein Weissbrot-Embargo im Kindergarten? Wir erinnern uns mit Freude an die Geburtstage unserer Kindergartenkollegen, die dann jeweils eine Batterie Weggli und Schoggistängeli zum Wiegenfest offerierten. Das alles soll der Vergangenheit angehören?

Es sind beunruhigende Tendenzen, die da festgestellt werden. Die Entscheidungsträger sollten sich eins in Erinnerung rufen: Die allermeisten Kindergartenkinder, ja selbst ein Grossteil der renitenten Jugend wird dereinst einmal zum Steuerzahler im Kanton Bern werden. Sie täten gut daran, diese Hoffnungsträger nicht vor der Zeit zu vergraulen.

Schliesslich hat das Herumlungern im öffentlichen Raum auch seine Funktion im Prozess des Erwachsenwerdens. Wie formuliert die Stimme aus dem Off im Kindergarten-Video so schön? «Beim Spiel lernt Ihr Kind, sich durchzusetzen und zu teilen, um später (…) zurechtzukommen.» Oder: «Auch wenn es schwer fällt, Sie müssen Ihr Kind alleine gehen lassen. Das ist wichtig für sein Selbstvertrauen und seine Selbständigkeit.»

Und, nicht zuletzt: «Es geht um die Gesellschaft, zu lernen, Konflikte zu lösen (…). Zu lernen, wie man sich in einer Gesellschaft bewegt.»

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 18. Januar 2013

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