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Die Hauptstädter des Jahres

Sie rückten unversehens ins Rampenlicht und blieben doch weitgehend unbesungen: Die Köpfe des Jahres der Hauptstädter-Redaktion.

Man kennt sie, die Köpfe, die die Stadt Bern seit längerem prägen. Deren Namen kennt man sowieso: Alexander Tschäppät, Kuno Lauener, Ursula Wyss, Ursula Andress oder Marc Lüthi, etc. usw., kurz: Die Giganten und Gigantinnen dieser Stadt bleiben. Doch im Schatten der Lokalgrössen rückten im 2012, zuweilen auch unfreiwillig, neue Namen ins Rampenlicht. Wir haben einige von ihnen zusammengetragen und singen das Loblied auf die Übergangenen, auf die Unbesungenen.

Sylvia Lafranchi: Sie war Gemeinderatskandidatin der SVP – für ein paar Tage. Dann schmiss Sylvia Lafranchi den Bettel hin, trat aus der Partei aus, die sich nach Lafranchis Rückzug vor einem Scherbenhaufen wiederfand. Auch wir hätten unsere Kandidatur wahrscheinlich zurückgezogen angesichts des Zitats des Parteichefs, der sich offenbar auch nicht so ganz sicher war mit seinem Kandidatenfeld: «In vier Jahren werden wir mit guten Kandidaten antreten», sagte Peter Bernasconi. Und so gilt nachträglich: Ohne Lafranchi war der Wahlkampf zwar ein wenig stiller, dafür aber nie mehr so spannend.

Vincent Raven: Er war der Dschungelcamp-Magier: Vincent Raven. Wir litten mit ihm, als er als «Toblerone-Taliban» bezeichnet wurde, als die Glimmstängel zu Neige gingen und als der Zauber ausser Kontrolle geriet. Kurz: Vincent ist und bleibt unser Dschungelkönig der Herzen.

«Taubenmutter» Carina Tobler: Die Spezialistin vom Tierpark Dählhölzli ist mit so strenger wie liebevoller Hand damit beschäftigt, Berns Taubenpopulation auf ein gerüttelt Mass einzudämmen. Mit ihrem Taubenkonzept und vielen freiwilligen Helfern sorgt sie dafür, dass Berns urbane Vögel inzwischen weitgehend erfasst, beringt und sterilisiert sind. Derzeit treiben sich noch etwa 1000 Tauben auf Stadtgebiet herum. Wir sind höchst zuversichtlich, dass das Fernziel (500 Einheiten Federvieh) Kraft Toblers gross angelegter Offensive bald geschafft sein wird.

Fabian Kauter aka Rapper Yuri: Er war eine der ganz grossen Medaillenhoffnungen für London 2012. Doch Degenfechter Fabian Kauter blieb ohne Erfolg: «Ich habe davon geträumt, hier richtig gut zu sein, und dann scheitere ich so klar», rapportierte ein enttäuschter und gefallener Berner Sportler des Jahres den Reportern der Welt. Doch die eigentliche Schmach, die folgte erst in der Gluthitze des TV-Abenteuers «SF bi de Lüt»: Gequält musste Kauter Fragen von Bern-Experte Nik Hartmann beantworten, und musste sich seine Londoner Niederlage am Bildschirm wieder ansehen. Unter wiederholten Ächzern («äh») und ganz getroffen von den vielen Eigenfehlern kommentierte Kauter seine Niederlage, die «scho no huere weh» tat. Kauter zeigte in diesem peinvollen Moment, dass er den Kopf, gleich seinem Rapper-Alias Yuri, «über Wasser» hält. Dafür: Respect.

Bernd Schildger: Auch er hat sich nicht lumpen lassen im Berner Wahlkampfsauftakt. Er liess das Berner Stimmvolk einen kurzen Moment lang mit dem Szenario einer Tierparkfachkraft als SVP-Vertreter im Gemeinderat liebäugeln. Er lehnte dann doch noch dankend ab. Und hat sich seither wieder vorbildlich bewährt als Orchestermeister des Dählhölzlis: Eine Bärenfamilie wurde zusammengeführt, ein Bärenmännchen kastriert und viel tierischer Nachwuchs gefeiert. Wir können nur mutmassen, doch so viele Menschen wie als Tierparkdirektor hätte Schildger als Gemeinderat wohl niemals glücklich machen können. Deshalb: Ein Hoch auf weise Entscheidungen.

Bernhard Eicher: Der Präsident der FDP-Stadtratsfraktion legte einen Frühstart im Gemeinderats-Wahlkampf hin. Immmer präsent: Sein Wahlkampfhemd. Wo immer er auftrat, das blaue Hemd mit dem auffällig weissgepunkteten Kragen begleitete den 29-jährigen Eicher. Doch dann war Schluss: Das Wahlkampfhemd verschwand spätestens beim Glacéverkauf auf dem Gurten, und mit dem Verlust dieses Kleidungsstücks versandete auch Eichers Wahlkampf im Ungefähren – trotz dem letzten Aufbäumen mit der geheimen Hitsingle des Jahres «Liebeserklärig» . Wir sind überzeugt: Ohne den mutwilligen Kleidungswechsel hätte Eicher die Wahl in den Gemeinderat geschafft.

René Huber: Der Markthalle-Patron sorgte für einen Aufschrei in Bern, als bekannt wurde, dass die jetzigen Nutzer aus der Markthalle ausziehen und einem einzigen, noch unbekannten Mieter Platz machen müssen. Seither hat er alle Mutmassungen über die künftige Nutzung der Markthalle schweigend über sich ergehen lassen. Gerüchte gibt es genug, was gestandene Bernerinnen und Berner auf der Suche nach Hinweisen schon dazu brachte, Baugesuche wie Kaffeesätze zu lesen. Deutet das geplante Förderband auf einen Detailhändler hin? Oder doch eher auf ein Apple-Flaggschiff? Jedenfalls: Huber verdient den Award für erfolgreiches Verheimlichen von Geschäftsplänen.

Christoph Lerch: Sie haben selten ein bekanntes Gesicht, die Regierungsstatthalter dieses Kantons. Doch Christoph Lerchs Konterfei verwandelte sich in das Gesicht des Buhmanns, des Sündenbocks, des leibgewordenen Blitzableiters. «Figg di Lerch»-Parolen? Zehntausende an der «Tanz Dich Frei»-Nachtdemo? Schmähliche Papiermasken? Alles kein Problem für Lerch, der den «Soldaten des Gesetzes» mit beeindruckendem Durchhaltewillen gab und immer noch gibt.

Markus Lergier: Tourismusdirektor Markus Lergier bewies ganz zu Beginn des Jahres 2012, dass er die richtige Besetzung für den Berner Tourismus ist. Er trumpfte mit visionären Ideen auf, die das Zeug haben, unsere Bundeshauptstadt für Touristen noch attraktiver zu machen. Wir erinnern uns: ein Grandhotel auf der Münsterplattform, ein Swiss House und nicht zuletzt eine Standseilbahn zum Rosengarten sah er vor. Solche Ideen zeugen nicht nur von grossem Pioniergeist, sondern auch von einer beeindruckenden Furchtlosigkeit: der Aarehang, das wissen wir seit der Causa Bärenpark, ist ein rutschfreudiges Terrain. Wir verneigen und vor so viel Optimismus und gratulieren zur Wahl.

Viktoria Gasser: Viktoria Gasser wurde in diesem Jahr zur Miss Bern gewählt, und dass das bis heute kaum einer zur Kenntnis nahm, ist wirklich nicht ihre Schuld. Sie kann nichts dafür, dass ausgerechnet kurz vor ihrer Krönung Vorgängerin Alina Buchschacher Miss Schweiz wurde und ihr damit komplett die Show stahl. Es ist nicht ihre Schuld, dass die Nebengeräusche zur unsicheren Zukunft der Miss-Schweiz-Wahlen heuer so laut sind, dass sich keiner mehr dafür interessiert, welche Frauen sich 2013 ums Krönchen balgen. Dennoch peitscht Gasser ihr Programm tapfer durch, gibt Interviews und macht sexy Fotoshootings für den «Blick» (für die leicht pietätlose Wahl der Location – die stillgelegte Kartonfabrik in Deisswil – kann sie bestimmt auch nichts) und führt Onlinetagebuch für die SI. So viel Gleichmut gehört belohnt.

Familie Burkhart: Vor fast genau einem Jahr löste sich im traditionsreichen Veranstaltungslokal Mühle Hunziken die wohlgefällige Nachfolgeregelung in einen Streit mit dallasesken Ausmassen auf. Mühli-Pesche, sein Sohn Thomas, Philipp Fankhauser und die jeweilige Rechtsvertretungen streiten sich seither um das Erbe der Mühle und versorgen die Öffentlichkeit zuverlässig mit neuen Schnipseln über den Streit: Übergriffe mit Werkzeug? Schlampige Buchhaltung? Abgehängte Dekoraktionsgegenstände? Alles schon gehabt. Letzte Entwicklungen weisen allerdings in eine erfreuliche Richtung: Erstmals wurde in einer Teilverhandlung ein Vergleich erzielt. Finden die Parteien 2013 wieder zusammen? Wir bitten inständig darum.
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Die Hauptstädter-Redaktion


Publiziert am 21. Dezember 2012

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