
Erich Hess als Schreckgespenst
Der Wahlkampf ist fast vorbei, etwas haben wir aber noch: Eine gar wunderliche Blüte, gewachsen bei den Unterstützern von Alexandre Schmidt.
Wie soll denn dieser Gemeinderat «dereinst» (also am Sonntag) aussehen? Vielleicht haben Sie Ihr Wahlcouvert schon eingeworfen, vielleicht gehören Sie zu den sonntäglichen Frühaufstehern, die den Brunch-Einkauf mit einem sozialen Anstehen an der Wahlurne etwa am Berner Hauptbahnhof verbinden.
Im ersten Fall können Sie sich jetzt zurücklehnen und geniessen. Oder erschauern. Etwas ändern können Sie nicht mehr. Im zweiten Fall haben Sie natürlich dieselben Optionen. Oder Sie lassen sich beim Ausfüllen Ihres Wahlzettels inspirieren.
In beiden Fällen dürfen Sie sich wundern. Nämlich darüber, was die Endphase des Wahlkampfes für seltsame Blumen hervorbringt. Geneigten «Bund»-Lesern und Leserinnen dürfte obiges Bild einigermassen bekannt vorkommen: Es ist auf den ersten Blick die Grafik, in welchen die Resultate der «Bund»-Wahlumfrage dargestellt wurden. Gerade noch so knapp in den Gemeinderat schaffte es gemäss dieser Umfrage Alexandre Schmidt.
Nur ist Schmidt in der Grafik, die im Internet kursiert, gar nicht mehr dabei im Gemeinderat. Stattdessen, in prachtvollen Farben reinmontiert steht hier Erich Hess als Fünfter neben den grauen RGM-Kandidaten. Es ist wohl eine Botschaft an die nicht ganz so eingefleischen, potentiellen Schmidt-Fans: Wenn ihr schon nicht unseren Alexandre wählen mögt, dann verhindert wenigstens Erich! Und wählt dafür eben doch Alexandre.
Wir sind damit auch in Bern schon fast im postfaktischen Zeitalter des Internet-Wahlkampfes gelandet. Denn wenn man von der Umfrage nicht nur die Bilder mitnimmt, sieht man auch: Die Frage ist eher ob es Nause statt Schmidt schafft, weniger ob Hess anstelle von Schmidt in den Gemeinderat einzieht. Aber auch wenn Nause für einige in der Stadt ein Feindbild sein mag, als Schreckgespenst, der unentschiedene Wähler in die Arme Schmidts treiben würde, taugt er nach Ansicht der Wahlkämpfer offenbar doch noch nicht.
Auch kommunikativ ist das Werk gewagt und fordert, um Ecken zu denken. Dabei stellt sich die Frage: Könnte die Vision «Erich Hess in der Runde der Gemeinderäte» nicht noch ein paar Rechts-Wähler ermutigen, jetzt erst recht auf die bisher eher als aussichtslos geltende Variante zu setzen?
Wir spekulieren. Gar nicht spekulativ ist aber, dass das Bild nicht nur geklaut, sondern zu allem hin auch noch mit falscher die Quelle versehen ist: Die Grafik stammt zwar, soweit richtig, aus einer Berner Zeitung. Aber eben nicht aus der «Berner Zeitung». Diese Verwechslung hat vielleicht auch dazu geführt – und hier plaudern wir ganz kurz aus dem Nähkästchen – dass das geklaute, mit falscher Quelle versehene Sujet doch tatsächlich als Inserat im «Bund» platziert werden sollte.
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