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Der grosse Aperitif-Check (3)

Kursaal, Manhattan. Stimmung: Bedroht.

Weil dieser Sommer doch noch eine trockene Angelegenheit zu werden scheint, hat sich «Hauptstädter»-Testtrinker Erdmann ein weiteres Mal aufgemacht, um sich zur Sicherheit etwas die Kehle anzufeuchten. Nachdem er im Hotel Schweizerhof und in der Bellevue Bar ein Herz für dekadente Tischnachbarn entwickelt hat, stattete er für heutige Ausgabe dem Kursaal eine Besuch ab.

Doch bevor wir uns seinen Erlebnissen widmen, wollen wir uns in einen kurzen Exkurs über die linguistische Eleganz stürzen. Dieser soll verdeutlichen, wieso der Aperitif als Wort dem hierzulande dominierenden Apéro überlegen ist. Apéro hat den klanglichen Charme eines lauwarmen Féchys, angerichtet auf einem verchromten Stehtischchen, dessen triste Belanglosigkeit keine anderen Gesprächsthemen zulässt als Privathaftpflichtversicherungen und orthopädische Schuheinlagen. Der Aperitif hingegen versprüht solch einen Esprit, dass es ausser Frage steht, dass er zu den nobelsten Errungenschaften des menschlichen Schaffens gehört.

Von aussen sieht der Kursaal aus, wie eine sowjetische Militärakademie. Hinter der kalten Fassade verbirgt sich neuzeitliches Interieur, dessen Ausstrahlung immer wieder mondäne Anlässe wie die Miss Bern Wahl anlockt. Vor dem Gebäude breitet sich ein Garten aus, bestehend aus einer kleinen Wiese, einem grossen Teich und diversen Sitzgelegenheiten. Testtrinker Erdmann setzt sich an den Teichrand und schaut sich etwas um. Das Durchschnittsalter der Gäste ist – wie das Preisniveau – eher hoch. Die Damen halten Handtaschen auf ihrem Schoss, deren Oberflächen so ledrig sind, wie die Haut ihrer Besitzerinnen. Die Herren halten aus unerklärlichen Gründen ständig ihre Portemonnaies und Autoschlüssel in den Händen.

Testtrinker Erdmann hat weder Portemonnaie noch Autoschlüssel, wird aber dennoch bedient. Er bestellt einen Manhattan, den er zusammen mit gesalzenen Erdnüssen serviert bekommt. Die Gläserwahl ist merkwürdig. Der Cocktail wird in einem Margarita-Glas angerichtet, dessen Form den Testtrinker irritierenderweise immer an Kuhfladen erinnert. Doch genug von Äusserlichkeiten. Der Manhattan, in diesem Fall bestehend aus Bourbon, Martini Rosso und Angostura, wurde ausgewogen gemixt und schmeckt ganz und gar solide.

Doch dann das: Testtrinker Erdmann stellt verdutzt fest, dass er plötzlich klebrige Hände hat. Dazu kam es, weil der Bartender wohl nach Kontakt mit der klebrigen Kirsche nochmals das Glas anfasste, ohne sich zuvor die Hände zu waschen. Vom Glas hat sich die Klebrigkeit dann auf des Testtrinkers Hände übertragen. Es dauert nicht lange bis sich zufälligerweise in der Nähe aufhaltende Fliegen davon Wind bekommen und sich permanent auf die Testtrinker-Hände setzen, obwohl diese stets dagegen intervenieren. Das ist aber erst des Ärgers Anfang. Dann kommen auch noch eine Horde aufmüpfiger Spatzen angeflattert, die es auf Testtrinker Erdmanns Salznüsse abgesehen haben. Trotz rabiaten Gesten seiner fliegenbesetzten Kleberhände stürmen die Spatzen immer wieder auf die Nüsse an.

Mitten in diesem Durcheinander merkt der Testtrinker plötzlich, dass die glühende Nachmittagssonne ihren Standort inzwischen dermassen gewechselt hat, dass sie nun den schützenden Sonnenschirm umgangen hat und jetzt mitten in des Testtrinkers Gesicht knallt. Das setzt Schweissströme frei, die auf direktem Weg auf des Testtrinkers Augen zuschiessen. In solchen Fällen pflegt dieser den Fluss mit den Händen zu stoppen. Das geht zurzeit aber nicht, weil diese ja ekelhaft klebrig und fliegenbefallen sind und dazu gebraucht werden, um Spatzen fernzuhalten. So hat der Testtrinker bald von Schweiss brennende Augen und stellt zu all dem fest, dass sein Manhattan inzwischen die Temperatur eines Apéro-Fechys erreicht hat.

Weil das journalistische Reinheitsgebot grossen Wert auf das Zwei-Quellen-Prinzip legt, hat sich Testtrinker Erdmann zur Sicherheit einen weiteren Manhattan bringen lassen, nachdem er dessen aufgewärmten Vorgänger geleert hat. Er war genauso solide wie der erste. Hier ein Bild:
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Martin Erdmann

Martin Erdmann


Publiziert am 29. August 2016

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