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In schlechter Gesellschaft

Zweifelhafte Ehre für den Chindlifrässer: Ein Kunst-Magazin ernennt die Figur zu einer der «10 schrecklichsten Statuen der Welt».

Als ob er es nicht schon genug schwer hätte: Bei Wind und Wetter muss der Chindlifrässer mitten auf dem Kornhausplatz posieren, auch jetzt, bei 35 Grad im Schatten. Täglich muss er herhalten, als Motiv für die Touristen hinter ihren Kameras, als Objekt ungläubigen Staunens und wohligen Grusels.

Nun hat ihn das Kunst-Magazin Artnet auch noch in die Liste der «10 schrecklichsten Statuen der Welt» aufgenommen. Gesellschaft leisten ihm da allerhand zweifelhafte Machwerke und Figuren: etwa ein Teufel mit Erektion, die Fratze des Ku-Klux-Klan-Gründers, oder ein monströser Oscar-Wilde-Kopf, welcher dem Gemälde des Dorian Gray im Endstadium alle Ehre macht.

Das hat der Chindlifrässer nun wirklich nicht verdient. Man sollte dem unermüdlichen Herrn mit mehr Wohlwollen begegnen, wie es zum Beispiel der Dichter David Einhorn gemacht hat. Von ihm stammt die schöne Geschichte, dass sich der Chindlifrässer – ein in Mittelalter hingerichteter Jude – des nächtens liebevoll um die Kinder der Stadt kümmert. Doch am Tag muss er seiner Güte zum Trotz wieder seine schreckliche Maske aufziehen und als erstarrte Brunnenfigur unfolgsame Wildfange mahnen, was mit ihnen geschehen wird, wenn sie sich nicht fügen.

Christian Zellweger

Christian Zellweger geht seit 2010 unter den Lauben Berns und schaut, wer auch schaut.


Publiziert am 6. Juli 2015

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