schliessen

Kleider machen Berner

Wie schon Gottfried Keller wusste, ist Mensch, was er trägt. Kleidung repräsentiert gleichzeitig Herkunft und Lebensweise. Kann hier gar nach Stadtteil unterschieden werden? Wir haben es zumindest versucht.

Ein Nachzug: Unglücklicherweise haben wir es im Gegensatz zu einer bekannten Pendlerzeitung verpasst, die bahnbrechende Studie des Online-Stilberatungstool Outfittery.ch in unseren letzten Blogbeiträgen zu berücksichtigen. Dabei wurden die Kleidungsstile der Schweizer Stadtbewohnern verglichen. «Berner stehen auf lässige Outfits und mögen es bequem» kam dabei heraus. Zu allgemein finden wir. Daher versuchten auch wir uns einer geografischen Evaluation nach Kleidungsstil – unterteilt nach Berner Stadtteilen. Wie immer bitten wir Sie, uns den Griff in die Klischeekiste zu verzeihen.

Länggasse: Der Hipster

Im hippen Studentenviertel geht grundsätzlich alles, solange es anders ist. Und anders heisst in diesem Fall vor allem eines: nicht Mainstream. Durchaus schwieriger, als manch einer glaubt: Denn zu viele Individualisten lassen das «Andere» bald einmal zu Einheitsbrei zerbröseln. Wie kleidet sich also der typische Länggassler? Neben einem individuellen Stil wird grosser Wert auf ältliche Details gelegt: «Vintage» heisst hier das Zauberwort. Zu finden gibt es solche Teile in Brockenstuben, Secondhandshops, Flohmis und im Fizzen. Aber keine Sorge: Wer bei der Suche nach dem perfekten Grosi-Handtäschli nicht fündig wird, kann auch einfach ein neues alt aussehendes kaufen. Denn wie schon gesagt, ist Vintage hip – auch bei grossen Modeketten mit zwei Buchstaben.

Lorraine: Der Bewusste

Das Ortsbild der Lorraine wird dominiert von jungen, urbanen Eltern, Studenten und jungen Leuten auf der Suche nach alternativem Flair. Solange sich die angebrochene Gentrifizierung noch in moderatem Stadium befindet und Yuppies noch der Minderheit angehören, wird dies wohl auch noch eine Weile so bleiben. Der typische Lorraine-Bewohner ist um Nachhaltigkeit besorgt, und das geht über den Tellerrand hinaus. Nicht nur was in den Magen kommt, sollte möglichst aus einwandfreiem biologischem Anbau, artgerechter Haltung – wenn schon Fleisch – und unter fairen Lohn- und Handelsbedingungen hergestellt worden sein. Hier könnte sich manch grosses Modehaus wertetechnisch eine Scheibe abschneiden. In der Lorraine findet man Kapitalismus etwa so toll wie überteuerten Designerfummel. Hier wird bei der Kleiderwahl der Kopf eingeschaltet, und wenn die Klamotten dann tatsächlich dem Katalog an ethischen Anforderungen entsprechen, ist man gut und gern bereit, im Kleiderladen um die Ecke ein blaues Nötli für den ethisch-korrekten Pullover hinzublättern. Eine höhere preisliche Schmerzgrenze hat man hier noch bei stylishen Kinderwagen und dem perfekten Fixie.

Kirchenfeld: Der Bonze

Was in der Lorraine als schwarzes Tuch gilt, trägt man hier mit Nonchalance. Im Kirchenfeld wird Kapitalismus mehr zelebriert als versteckt. Für manch einen gilt hier: Nur was teuer ist, ist auch etwas wert – zumindest im Hinblick auf die Qualität der Garderobe. Wirtschaftlicher Erfolg, oder zumindest derjenige der Vorfahren, ist hier allgegenwärtig. Und der wird hier gern mal zur Schau gestellt. Und da man mit dem neuen Sportwagen in der Innenstadt nur begrenzt mobil ist, sollte der Wohlstand zumindest an der Kleidung deutlich ersichtlich sein. Dabei wird einem bei der Wahl des Designers freie Hand gelassen – solange dessen Handtaschen preislich über dem Jahreseinkommen eines Durchschnittssomaliers liegen. Kirchenfeldler, die lieber auf Understatement setzen, kleiden sich hingegen in einer der zahlreichen (noch) unbekannten Designerboutiquen in der Unteren Altstadt ein – die Handtaschen kosten dort ebenfalls einiges.

Bümpliz: Der Poser

Der typische Bümplizer legt grossen Wert auf sein Äusseres, möglicherweise einen etwas zu grossen. Wichtig sind ihm vor allem jene Güter, die für Drittpersonen gut und auf den ersten Blick ersichtlich sind. Dabei gilt folgende Reihenfolge: Auto, Kleidung, Frisur, Kleidung der Kumpels, Aussehen der Freundin. Hier ist Status Trumpf – wobei zwischen Schein und Sein gern mal ein Auge zugedrückt wird. Man darf also gut mit gefälschter Designerware vom letzten Türkeiurlaub vorliebnehmen, solange das Label möglichst gross und auffällig ist – am besten mit viel Bling-Bling, das passt gut zu den übergrossen Zirkonien-Ohrsteckern.

alexandra

Alexandra Graber


Publiziert am 22. April 2015

Verbleibende Anzahl Zeichen:

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.