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Unser kleiner Regionalflugplatz

Bern hat einen Flugplatz, und der ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Kleinod. So klein, dass er sogar noch einen Mittagsschlaf braucht. Jetzt müsste er nur noch stolz darauf sein.

Vor der Passkontrolle am Flughafen Bern-Belp prangt ein einziges Schild: «Alle Pässe». Hier spielen Nebensächlichkeiten wie die Zugehörigkeit zu einem Staatenbund keine Rolle. Statt «EU» und «Schweiz» auf der einen und «other Passengers» auf der anderen Seite schenkt man sich hier etwaige Segregationsmätzchen. Ebenso Rolltreppen oder Fliessbänder. Denn der Flughafen Bern-Belp findet zum grössten Teil auf einem einzigen Stockwerk statt. Und die Abfertigungshalle ist in wenigen Schritten durchmessen.

Es ist ein Werktagsmittag auf dem Flughafenareal bei Bern. Man ist gekommen, um Berns Sprungschanze in die weite Welt zu begutachten, jenen Ort, der die Bundeshauptstadt mit etwas Grandezza versieht. Zumindest in den Augen jener, die davon ausgehen, dass eine Metropole wie Bern zwingend einen Flughafen benötigt.

Just da beginnen in Bern-Belp die Probleme. Denn das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) beharrt im Falle Bern-Belps auf der Bezeichnung ‹Regionalflugplatz› anstelle von ‹Flughafen›. Die Betreiberin der Flugstätte, die Alpar AG, stört sich daran wenig. Der Flughafen Bern-Belp ist zumindest labeltechnisch Realität. Um dem Label gerecht zu werden, setzt die ansässige Fluggesellschaft SkyWork Airlines auf stetes Wachstum, ein Rekord jagt den nächsten: 34 Destinationen im Sommerflugplan! Bereits 100’000 Passagiere im ersten Halbjahr 2012!

Doch natürlich verpufft das internationale Flair schon auf der Hinfahrt. Die Reise mit dem Flughafen-Shuttle ab Bahnhof Belp führt zuerst durch das Dorfzentrum Belps, dann an weiten Wiesen vorbei. Links macht ein schwarzer Kater den Ackermäusen das Leben schwer, rechts plätschert die Giesse. Schöne Schweizer Provinz.

Nein, mondän sind andere Flughäfen, aber nicht Bern-Belp. Die Empfangshalle ist an diesem frühen Nachmittag verlassen. Die Reisebüro- und Abfertigungsschalter sind unbesetzt, die Eingänge zu den vier Gates sind zu. Der Winterflugplan der SkyWork Airlines weist an jenem herbstlichen Montag 29 Flugbewegungen auf (Sommer: 42), und diese verteilen sich offensichtlich auf andere Stunden des Tages, jetzt liegt der Flughafen im Mittagsschlaf.

Zwischen Flug Nummer SX0508 nach London City (12.40 Uhr) und dem nächsten, Flug Nummer SX0202 nach Berlin Schönefeld (17.05 Uhr), werden nun mehr als vier Stunden vergehen. Während auf den Flughäfen in Basel, Genf und Zürich Airline-Angestellte saumselige Passagiere über den Lautsprecher ausrufen, Beamte ihre Gummihandschuhe zurechtzupfen und Rollkoffer malträtiert werden, passiert hier – nichts.

Und das ist auch gut so. Die Ausmasse des zu klein geratenen Flughafens sind ein Segen: Zum Check-In dürfen die Passagiere eine halbe Stunde vor Abflug eintrudeln, die Laufwege sind kurz und die Gefahr, zum Vielflieger zu werden, gering. Billigsttarife gibt es nicht, wenige, in weiter Zukunft liegende Flüge sind bestenfalls als günstig zu bezeichnen, und das schont das ökologische Gewissen.

‹Regionalflugplatz› klingt vielleicht nach Provinz, doch auch wohltuend bescheiden in unsicheren Zeiten, nach Individualverkehr abseits der Massentourismusindustrie. ‹Regionalflugplatz›, das klingt nicht nach dem lästigen Lärm von Chartermaschinen, sondern nach eleganten Segel- und Propellerflugzeugen. Und während beim Gedanken an den letzten Flughafen-Besuch die Kuhglocken aus dem Lautsprecher der unterirdischen S-Bahn nachklingen, hat man sie auf dem Rollfeld eines Regionalflugplatzes tatsächlich im Ohr.

Man sieht den Slogan schon vor sich: «Bern-Belp – Ihr kleiner Regionalflugplatz». Er zöge ohne weiteres. Er zöge die Nachhaltigen an, die Patrioten, die Flugi-Nostalgiker. PR-technisch ist es ein Steilpass des BAZLs an die Alpar AG: Ihr seid kein Flughafen, und das ist weiss Gott gut so.

Hanna Jordi

Hanna Jordi lebt in Bern seit 1985. Etwas anderes hat sich bislang nicht aufgedrängt.


Publiziert am 9. November 2012

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