
Im Tempel der Hochkultur
Was versteckt sich hinter dem Prunk und Glanz des Berner Kultur Casinos? Der Hauptstädter blickt hinter die Kulissen des noblen Konzertsaals.
Es ist so gross, dass man es meist gar nicht bemerkt: Das Kultur Casino Bern steht so selbstverständlich am Kopf der Kirchenfeldbrücke, dass es eher auffallen würde, wäre es nicht mehr da. Wie so viele dieser Berner Gebäude, die einfach da sind (der Zytglogge an vorderster Stelle etwa), fragt man sich kaum je, was sich dahinter verbirgt. Es hat schon seinen Zweck, sagt man sich höchstens und geht daran vorbei. Aber kaum je hinein.
Erst kürzlich realisierte ich wieder, dass es das Casino tatsächlich gibt, als mich ein auswärtiger Besucher mit Verwunderung darauf ansprach, wie eigenartig es sei, dass in einer solch kleinen Stadt wie Bern so zentral ein derart riesiges Spielcasino stehe. Ich korrigierte ihn sogleich und sagte, dass Bern gar nicht so klein sei, denn zähle man die ganze Agglomeration wie Ostermundigen, Köniz, Thun oder Biel dazu, sei Bern sicher fast eine halbe Million Menschen gross. Und dies sei nicht ein Haus, in welchem dem Gewinnspiel gefrönt werde, sondern ein Konzertsaal, das Spielcasino sei auf der andern Seite der Aare. Hier aber widme sich Bern, wie alle wichtigen Grossstädte, der Hochkultur.
Was ich nicht sagte, war, wie selten ich es (trotz aller Vorsätze) zustande bringe, das Haus tatsächlich zu betreten. Aber es klang gut.
Mein wiedererwecktes Interesse am Kultur Casino wurde dann noch zusätzlich gesteigert durch das Treffen mit einem Freund, der im Berner Sinfonieorchester spielt. Dieser erzählte mir, dass sich im Dachstock direkt über dem Saal ein geheimer Gang befinde. Das Besondere sei, erzählte er weiter, dass links und rechts kein fester Boden, sondern nur die dünne Gipsdecke des Saals sei. Und dass man also, wenn man diesen Pfad verlasse, direkt in ebendiesen Saal stürzen würde. Ich war begeistert und sagte mir, so bald als möglich wieder in das Casino zu gehen, um diesen geheimen Gang zu finden.
Einige Monate später stehe ich nun also in den edlen Gemäuern. Und bei der Führung durch das Haus bleibt vor allem ein Eindruck zurück: Das Ganze hier ist gross. Sehr unbernisch gross. Verlässt man die bekannten, öffentlichen Räume und folgt der Marmortreppe weiter, gelangt man in ein Labyrinth aus Gängen und zahlreichen Zimmern: Abstellkammern, Proberäumen, Garderoben und edlen Gemächern wie dem Dirigentenzimmer.
Ein Blick in dieses Zimmer genügt, um die Hierarchie klarzustellen. Eine angenehme Pritsche, Arbeitstisch mit Getränken, edles Interieur: Verglichen mit den Räumlichkeiten des Orchesters, scheint sich eine Dirigentenlaufbahn zweifelsohne zu lohnen. Oder eine Solistenkarriere, auch hier siehts schick aus. Weiter oben im Gebäude hats dann Büros, Einspielräume und Mitarbeiterzimmer. Und dann, nach einigen letzten Treppen, stehen wir endlich vor der Tür des Dachstocks.
Einmal drin, ist die ganze Sache aber um einiges weniger aufregend als gedacht. Wo sich vor dem inneren Auge ein schmaler, gefährlicher Pfad mit Absturzgefahr eröffnete, präsentiert sich die Realität weniger gefährlich. Der Boden ist fest und die Absturzgefahr minimal. Nur auf der rechten Seite ist hinter dem Geländer die Gipsdecke des Saals sichtbar. Die, obwohl im Saal unten massiv wirkend, tatsächlich nur sehr dünn ist. Durch die zahlreichen ornamentalen Öffnungen kann man sogar einen Blick nach unten erhaschen.
Und so aufregend es ist, hinter den Kulissen durchzuschleichen – beim Blick in den Saal kommt Lust auf, diesen Ort wieder einmal lebendig zu sehen. Im Anzug dort unten zu sitzen, das Monokel aufzusetzen, sich mit einem leichten Hüsteln im Sitz bequem zu machen und leise am Schnurrbart zupfend den Beginn des Konzertes zu erwarten.
Die nächsten Konzerte:
28.11. – 4. Symphoniekonzert: Brahms’ Vierte
30.11. – Uniorchester Bern
03.12 – Konzert für den Frieden (Benefizkonzert)
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