
Die Stadt auf den Ohren
Diesen Touristen mit den silbernen Kopfhörern: Was wird ihnen eigentlich über unsere Stadt erzählt? Und wie klingt das? Ein Rundgang mit dem Audioguide von Bern-Tourismus.
Und dann steht man auf der Kanzel zwischen Kirchenfeldbrücke und Hotel Bellevue und schaut auf eine weisse Hochnebelwand. Während man in die Wolken blinzelt, schwärmt einem die Stimme aus dem Kopfhörer vom Alpenpanorama, von Eiger, Mönch und Jungfrau vor, erklärt, was der Gurten für die Berner bedeutet. Dass man nichts davon sieht, was hier angepriesen wird, ist nicht die Schuld des Audioguides von Bern Tourismus. Dass der Ausblick auch mal ausbleiben kann, hat man da sogar antizipiert: Auf dem kleinen iPod-Bildschirm strahlen die Berge im Sonnenschein.
Wir haben uns aufgemacht, zu ergründen, was aus diesen silberfarbenen Kopfhörern kommt, welche touristisch wirkende Menschen bisweilen auf den Ohren tragen. Das Ausleihprozedere für den Audioguide ist ein bisschen einschüchternd: Man unterschreibt einen Mietvertrag, man hinterlegt einen Ausweis – und erklärt sich einverstanden, ganze 500 Franken zu bezahlen, sollte man den kleinen iPod irgendwie beschädigen. 18 Franken kostet die Ausleihe auch für Vorsichtige. Dafür erhält man einen Audioguide für zwei verschiedene Routen – vom Bahnhof zum Rosengarten und zurück –, die jeweils gut zwei Stunden dauern.
Behutsam führt ein freundliches Duo aus Männer- und Frauenstimme durch die Stadt – «achten Sie auf den Verkehr, denken Sie daran, dass Sie ihn wegen der Kopfhörer weniger gut wahrnehmen» –, von Posten zu Posten: Bahnhofshalle, Heiliggeistkirche, Käfigturm, Bärenplatz und Bundeshaus… und so weiter bis hinauf in den Rosengarten. 18 Stationen besucht man. Orte wie das Münster, der Zytglogge, das Einsteinhaus oder der Bärenpark sind kaum überraschend, für den Bern-Unkundigen aber natürlich richtig ausgewählt. Schrittgeräusche schlagen ein mögliches Tempo vor, schneller oder langsamer geht es mit den iPod-Bedienungsknöpfen aber natürlich immer. Die Informationen an den Posten sind durchaus interessant. Beim Bellevue schwärmt der ehemalige Maître d’hôtel von der Loren und von Grace Kelly, vor dem Erlacherhof preist der Stapi seine Stadt in schönsten Tschäppätereien: «Jeder Stadtpräsident sagt, seine Stadt sei die schönste. In Bern aber stimmt es auch.» Vor dem Bundeshaus erklärt Ursula Wyss die eidgenössische Politik, in der Kramgasse Einstein seine Relativitätstheorie – in Ansätzen nur, natürlich. Die Burger erhalten ihren gebührenden Auftritt, diverse Gebäude werden zum «schönsten Barockbau» der Stadt gekürt.
Zwischen den Stationen wird man mit Musik beschallt: Von Kuno bis Polo, Büne und wie sie heissen – Berner Musik begleitet die Wegstrecken. Ein beinahe erhabenes Gefühl stellt sich ein, wenn man zur Nationalhymne auf den Bundesplatz schreitet oder zum Berner Marsch die Gerechtigkeitsgasse durchmisst.
Natürlich, für Berner ist das alles halb so spannend. Interessant aber ist der touristische Blick auf die Stadt – und die Blicke der Berner auf den vermeintlichen Touristen. Zum Beispiel dann, wenn man von Deutschschweizer Mit-Touristen in bestem Baustellen-Patois angesprochen wird, doch bitte ein Erinnerungsfoto zu schiessen.
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