
Spätes Dinner im Anderland
Ein Essen im Desperados beweist: Es gibt noch Abenteuer in dieser Stadt.
Es gibt nicht mehr viele Abenteuer in dieser Stadt. Aber das ist eines: Essen gehen am Samstagabend gegen Mitternacht im…Desperados. Kulinarisch – soviel vorweg – gibt es nichts zu bemängeln. Das Fleisch im Burger (La Classica + extra Cheddar Cheese, 27.50) ist anständig gewürzt, die Potato Wedges sind ordentlich frittiert und kommen sogar mit Salat. Auch der grosse Salat der Begleitung (19.50) scheint zu schmecken – wenn man sie denn richtig verstanden hat.
Denn das eigentlich abenteuerliche im Desperados ist nicht die mexikanisch inspirierte Küche. Auch nicht die schnelle, aufmerksame und freundliche Bedienung. Es ist die Atmosphäre – ein Grossraum-Pub, das irgendwo im Ausgangs-Distrikt von Punta Cana entstanden sein muss, versetzt mitten nach Bern.
Boom-ch-boom-chick-Boom-ch-boom-chick-Boom-ch-boom-chick, auch wenn Sie nicht wissen, dass dieser Beat «Dembow» heisst, Sie kennen ihn als zentrales Element im Reggaeton. Und er ist auch zentrales Element im Desperados, pratkisch durchgehend und in höchster Lautstärke. Dazu die zuckersüssen Handorgelklänge und Gesangslinien aus dem Salsa und anderen lateinamerikanischen Musikspielarten – oder brachiale Trance-Synthies. Unterbrochen wird diese Beschallung nur für etwas: Eine hochgepitchte Version von Happy Birthday, gesungen von einem Speedy Gonzalez, der den Tag offenbar in einer Badewanne voller Margarita verbracht hat.
An langen Tischen im Erdgeschoss sitzen dazu Geburtstagskinder und andere Gäste bei Bier und Tequila und verbreiten eine Aufgekratztheit, dass der Security an der Tür auf einmal seine Berechtigung zu haben scheint. Natürlich ist das alles dann ganz harmlos, denn wir sind tatsächlich in Bern und nicht Punta Cana. Doch beim Einschlafen mit gut gefülltem Magen dröhnt es noch eine Weile durch den Kopf: Boom-ch-boom-chick-Boom-ch-boom-chick-Boom-ch-boom-chick
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