Was, wenn die EZB den Leitzins erhöht?

Sollten die Zinsen wieder mal steigen, drohen bei Obligationenfonds Kursverluste. So schätzt Experte Martin Spieler die Gefahr ein.

Noch können Obligationenfonds-Anleger gelassen in die Zinszukunft blicken: EZB-Gebäude in Frankfurt. Foto: Keystone

Ich wohne im Kanton Zürich und habe einen Teil meines Vermögens bei der Sparkasse in Deutschland in Rentenfonds in Euro angelegt. Der Bankberater hält das für eine gute Anlage mit geringem Risiko. Jetzt habe ich gelesen, dass diese Fonds erheblich an Wert verlieren könnten, wenn die EZB den Leitzins irgendwann einmal erhöhen sollte. Was sagen Sie dazu? A. B.

Mit Ihrem Anlagefonds setzen Sie voll auf Obligationen. Wie viel Risiko man bei solchen Vehikeln eingeht, hängt in erster Linie von der Schuldnerqualität ab. Wenn der Fonds, wie das bei Ihnen der Fall sein dürfte, hauptsächlich auf gute und sehr gute Schuldner im Portfolio setzt, ist das Ausfallrisiko für Sie gering. Dieses wird zusätzlich durch eine breite Diversifikation stark vermindert, selbst wenn noch zur Renditeoptimierung ein paar Papiere von Schuldnern mit einer schlechteren Bonität beigemischt werden. Bei einem Anleihenfonds in Euro tragen Sie zusätzlich ein Währungsrisiko.

Unabhängig davon setzt man sich bei jeder Obligation und damit auch bei jedem Obligationenfonds immer einem Zinsänderungsrisiko aus. Dieses ist grundsätzlich nicht zu unterschätzen. Änderungen beim Zinsniveau führen denn auch zu mehr oder weniger starken Schwankungen bei Anleihen.

Wenn die Zinsen anziehen, geben die Kurse von bestehenden Anleihen nach, denn als Anleger hat man die Chance, mit neuen Anleihen bessere Zinskonditionen zu bekommen. Sie können sich die Faustregel merken: Bei sinkenden Zinsen profitiert man als Inhaber von Oblifonds, bei steigenden Sätzen erleidet man Buchverluste.

Momentan sehe ich keinen Anlass, warum die Europäische Zentralbank die Zinsen stark erhöhen sollte.

Falls es zu starken Zinsveränderungen kommt, hat das in der Tat Auswirkungen auf Obligationenfonds. Wenn etwa die Europäische Zentralbank, so wie Sie es in Ihrer Frage schreiben, die Zinsen überraschend vom historisch rekordtiefen Niveau deutlich erhöhen würde, hat das bei vielen Anleihen deutliche Kursrückschläge zur Folge und würde entsprechend auch auf Anleihenfonds lasten. Diese Fonds könnten zeitweise tatsächlich erheblich an Wert verlieren.

Die Frage stellt sich allerdings, wie realistisch ein solches Szenario ist. Momentan sehe ich keinen Anlass, warum die Europäische Zentralbank die Zinsen stark erhöhen sollte. Im Gegenteil: Wegen der Corona-Krise hat die EZB ihre Geldpolitik weiter gelockert und pumpt Milliarden in die Finanzmärkte.

Nicht nur in Europa, auch weltweit sind wir mit einer Rezession konfrontiert. Die Inflation im Euroraum ist weiter sehr gering, die Konjunktur ist tief im Keller und die Wirtschaft ist wegen der Corona-Krise weltweit massiv geschwächt. Zusätzlich gibt es belastende Spannungen zwischen den USA und China. Vor diesem Hintergrund hat die europäische Notenbank null Spielraum für Zinserhöhungen.

Vielmehr hat sie Anfang Juni angekündigt, dass sie wegen der Corona-Folgen die Zinsen noch sehr lange tief halten wird. Die Chance ist gross, dass dies nicht nur in diesem Jahr, sondern auch im nächsten Jahr so bleiben wird. Damit hält sich auch das Zinsänderungsrisiko bei Ihrem Anleihenfonds vorderhand in Grenzen.

Irgendwann aber könnten dann die Zinsen doch wieder mal anziehen. Dann gilt es, das Zinsänderungsrisiko frühzeitig im Auge zu behalten. Ansonsten riskiert man auf vielen Obligationenfonds Buchverluste.

18 Kommentare zu «Was, wenn die EZB den Leitzins erhöht?»

  • Rolf Rothacher sagt:

    Eine kapitalistische Wirtschaftswelt ohne Zinsen funktioniert fast genauso schlecht, wie eine sozialistische Wirtschaftswelt. Denn die Zinsen steuern, dass Geld nicht als Kredit aufgenommen und verpulvert wird (wie so oft im Sozialismus), sondern dass etwas geschaffen wird, das genügend Einkommen generiert, um Zinsen und Schulden bezahlen zu können. Ohne Zinsen wird GGeld verschwendet und nur die Schulden bleiben.
    Deshalb gitl: je länger diese Welt ohne Zinsen andauert, desto mehr Geld wird verschwendet, was am Ende auf die Obligationen-Besitzer stärker zurückfallen wird, als eine Zinserhöhung. Denn viele Währungen wackeln bereits bedenklich unter der Schuldenlast von Unternehmen/Staaten.

    • Panja Flöte sagt:

      So einfach ist es nun doch nicht. Die Zinsen entschädigen das eingegangene Risiko und sind zudem von der aktuellen Inflation abhängig (d.h. bei einer hohen Inflation sind die Zinsen allgemein höher als bei einer tiefen).

      Kredite müssen ja in jeden Fall zurückbezahlt werden (unabhängig von der Zinshöhe). Man kann zwar die Kredite verpulvern, bekommt dadurch aber Probleme in der Zukunft. Marode Firmen bzw. schlechte Risiken bekommen auch heute nur Kredite mit hohen Zinsen, oder sie bekommen wegen des Ausfallrisikos gar keine Kredite (sie sind also nicht kreditwürdig).

      • Anh Toàn sagt:

        „Kredite müssen ja in jeden Fall zurückbezahlt werden …“

        Ach ja, dann würden sich die Gläubiger freuen, wenn alle Kredite zurück bezahlt worden wären?

        Kredite werden nie zurückbezahlt, solange der Schuldner Kreditwürdig ist, will ihn der Gläubiger (Sparer / Anleger) als Schuldner, und ist er es nicht mehr, muss der Gläubiger abschreiben.

        Das ist auch zu einfach, nur wie könnten die Schulden (und Guthaben) immer weiter wachsen, wenn Kredite tatsächlich üblicherweise zurück bezahlt würden?

        Dass Kredite üblicherweise zurückbezahlt werden, ist Grundschul“wissen“, Juristen glauben das auch, die Rückzahlung wird ja versprochen, Volkswirtschaft sagt etwas anderes, die Kredite werden nämlich meistens nicht zurück bezahlt, sondern durch neue abgelöst.

    • Claire sagt:

      Ja ja Rothacher, Zinsen als Züchtigungsmittel, damit angeblich nicht allzuviel sinnlos verschwendet wird.
      Gut das Gegenmittel zu Zinsen ist Inflation, welche die Schädlichkeit von Zinseszinsen über ein paar Jahrzehnte abmildert, vor allem wenn die dann mal in den steilen Bereich der Kurve kommen.
      Und da sich der Spätfinanzkapitalismus langsam in seiner Endphase befindet, ist es eine natürlich Entwicklung, dass wir Null- und Negativzinsen haben, die Verschuldung und die Zentralbankbilanzen sich immer weiter aufblähen. Mal schauen wie lange dieses Spiel noch so weitergeht, mit Corona ist nochmals ein Brandbeschleuniger mit ins Spiel gekommen.
      Rothacher vermutlich erleben Sie als 60jähriger die Rückkehr der Zinsen gar nicht mehr…aber davon träumen dürfen Sie noch..

    • Lucas Wyrsch sagt:

      Rolf Rothacher kennt sich nicht aus, denn Zinsen auf Kreditkarten blieben immer sehr hoch!
      Auch Rolf Rothacher kann sich nicht in einer Villa einquartieren und verlangen, dass ihm der Villenbesitzer noch Miete bezahlt!
      Wer ein Bankkonto will oder braucht, wird in Zukunft über negative Zinsen dafür bezahlen müssen, ist die logischste Konsequenz des Kapitalismus und hat mit Sozialismus nichts zu tun!
      Wer Geld verdienen will, investiert in „asset backed securities“ oder „forderungsbesicherte Wertpapiere“ wie mREITs oder Hypotheken Immobilienanlagestiftungen, deren Wert zwischen dem 24. März 2020 und dem 17. Juni 2020 um durchschnittlich 108.5% gestiegen sind!
      Dass Finanzanalphabeten davon nichts wissen, verwundert niemanden!

  • Markus Zumkeller sagt:

    Ich meine bei der aktuellen Marktsituation sollte man überhaupt nicht in Obligationenfonds oder gemischte Fonds investieren. Abgesehen vom im Artikel erwähnten Zinsrisiko sind die Kosten solcher Fonds (Verwaltungs- und Depotgebühren) klar höher als ein allfälliger noch vorhandener Zinsertrag. Dies gilt zumindest für die Währungen CHF, USD und EUR. Ein Verlust ist als klar vorprogrammiert. Und anstatt in gemischte Fonds zu investieren, macht man dies dann lieber mit reinen Aktienfonds einfach nur in dem Umfang, wie man bei einem gemischten Fonds den Aktienanteil wählen würde. Also bei einem Balanced Fonds mit ca. 50 % Aktienanteil investiert man diese 50 % somit lieber direkt in einen Aktienfonds und belässt den Restbetrag auf dem Konto.

    • Anh Toàn sagt:

      Und wer Hypos hat, darf erst recht keine Rentenfonds halten, also auch keine gemischten Fonds, er bezahlt immer mehr Zinsen auf seine Hypo, als dass er bekommt, sogar ohne Gebühren, ausser er kauft Anleihen von „Subprime“ Schuldnern, also von Schuldnern schlechterer Qualtität als er selber, oder investiert in Subprime Währungen, also solche, die gemäss Markterwartung schneller abwerten, als die Währung, in der er Hypo hat: Letzteres wird negativ verstärkt durch Steuern, Hohe Zinsen sind steuerbarer Ertrag, auch wenn die Währungsverluste noch höher waren, netto Verlust übrig blieb. Und für all das zahlt der vertrauensselige Anleger wegen Angst vor Risiken und Nebenwirkungen bei eigenem Denken, seiner Bank noch Beratungsgebühren. Nicht selber schuld sein, ist es ihm wert.

  • DIANA sagt:

    Die Zinsen werden die nächsten 10 bis 20 Jahre nicht steigen, noch können, dies würde bedeuten dass die Wirtschaft wieder zusammengestaucht würde. Stellt euch alle auf eine sehr sehr lange niedrigzins Zeitspanne ein. Ob Zinsen jehwieder steigen werden oder können sehe ich als eher für nie wieder ein. Aber nichts ist unmöglich sag ich immer……..

  • Dana Oswald sagt:

    Die Zinsen werden die nächsten 10 bis 20 Jahre nicht steigen, noch können, dies würde bedeuten dass die Wirtschaft wieder zusammengestaucht würde. Stellt euch alle auf eine sehr sehr lange niedrigzins Zeitspanne ein. Ob Zinsen jehwieder steigen werden oder können sehe ich als eher für nie wieder ein. Aber nichts ist unmöglich sag ich immer……..

  • Andreas Bollner sagt:

    Solange die EU bzw. der Euro noch Bestand hat (haben), wird sich die EZB hüten, die Zinsen anzuheben. Ansonsten laufen alle Mitgliedsländer bankrott. Das wäre dann der Super-Gau.

    • alfred bühlmann sagt:

      100 % Ihrer Meinung, nicht im Traum wird die EZB die Zinsen erhöhen, Italien, Griechenland, Spanien etc.etc. wären schon jetzt bankrott wenn nicht dauernd in den Markt eingegriffen würde von EZB mit Anleihenkäufen etc. Hätte man den Markt spielen lassen wären heute vieles in der europ.Landschaft von Marodem bereinigt.Zu Lasten von Gutem wird zuviel Schlechtes am Leben erhalten.

      • Lucas Wyrsch sagt:

        Alfred Bühlmanns Aussage, hätte man den Markt spielen lassen wären heute vieles in der europöischen Landschaft von Marodem bereinigt, trägt der Geschichte nicht Rechnung, denn es wäre zu Katastrophen gekommen, eine davon erleben wir gerade jetzt, sie nennt sich Covid-19!

        Geld ist in Überfluss vorhanden und der Goldstandard ist zum Glück seit den 1970er Jahren, seit dem Nixon-Schock, Geschichte!

        Die Lösung brachten zwei Gesetze in den USA:

        1. Die Investment Company Act of 1940, welche BDCs regulierte und von Steuern befreite, mit Dividendenrenditen von 8% bis 16%, um Innovation zu finanzieren und

        2. Die „Cigar Excise Tax Extension Act of 1960, welche REITs regulierte und von Steuern befreite, mit Dividendenrenditen von 8% bis 16%, um Immobilien zu finanzieren.

      • Lucas Wyrsch sagt:

        Alfred Bühlmanns Aussage, hätte man den Markt spielen lassen wären heute vieles in der europöischen Landschaft von Marodem bereinigt, trägt der Geschichte nicht Rechnung!

        Es wäre zu Katastrophen gekommen, eine davon erleben wir gerade jetzt, sie nennt sich Covid-19!

        Geld ist in Überfluss vorhanden und der Goldstandard ist zum Glück seit den 1970er Jahren, seit dem Nixon-Schock, Geschichte!

        Die Lösung brachten zwei Gesetze in den USA:

        1. Die Investment Company Act of 1940, welche BDCs regulierte und von Steuern befreite, mit Dividendenrenditen von 8% bis 16%, um Innovation zu finanzieren und

        2. Die „Cigar Excise Tax Extension Act of 1960, welche REITs regulierte und von Steuern befreite, mit Dividendenrenditen von 8% bis 16%, um Immobilien zu finanzieren.

  • Claire sagt:

    Ende 2020 wird die Welt locker die 350% Marke der Gesamtverschuldung aller Akteure (Staaten, Privathaushalte, non-fin Corp und fin-Corp) überschreiten. Auch die CH wird die 300% Marke einiges hinter sich lassen. Es ist gar nicht mehr möglich gross Zinsen zu verlangen, denn die könnten nur noch mit Neuverschuldung noch beglichen werden.
    Gemäss US Debtclock betragen die Zinszahlung in den USA auf die rund 79.5 Billionen Gesamtschulden aktuell rund 3.8 Billionen, das sind vom geschrumpften voraussichtlichen US GDP 2020 von 19.95 Bio $ schon satte 19%.
    Alleine die US Staatschulden inkl. Bundesstaaten & Locals sind mittlerweile auf 148%/GDP angestiegen und der Donald macht nach wie vor Schulden als gäbs kein morgen mehr — ist ja other peoples money, da ist Donald sehr grosszügig.

  • Claire sagt:

    Ende 2020 wird die Welt locker die 350% Marke der Gesamtverschuldung aller Akteure (Staaten, Privathaushalte, non-fin Corp und fin-Corp) überschreiten. Auch die CH wird die 300% Marke einiges hinter sich lassen. Es ist gar nicht mehr möglich gross Zinsen zu verlangen, denn die könnten nur noch mit Neuverschuldung noch beglichen werden.
    Gemäss US Debtclock betragen die Zinszahlung in den USA auf die rund 79.5 Billionen Gesamtschulden aktuell rund 3.8 Bio US$, das sind vom geschrumpften voraussichtlichen US GDP 2020 von 19.95 Bio $ schon satte 19%.

  • Lucas Wyrsch sagt:

    Die Leitzinsen aller Zentralbanken werden weiter sinken und da sie sich meist schon im negativen Umfeld bewegen, werden die Zinsen immer negativer und das ist auch richtig so, denn es wäre ja wirklich sonderbar, wenn sich irgenwelche Reiche in Villen einquartieren könnten mit der Forderung gegenüber dem Vermieter, dass die Vermieter den Mietern auch noch Miete bezahlen müsste!

    So verhielt es sich bis anhin bei positiven Zinssätzen!

    Wer Geld verdienen will, investiere dies in die drei besten Anlageklassen der Welt: eREITs, BDCs und mREITs!

    China besilligte im April 2020 den Handel mit REITs!

    Pearl Liu schrieb am 2. Mai 2020 im SCMP „China looks to real estate investment trusts to tap household savings, while letting the air out of property bubbles“

  • Lucas Wyrsch sagt:

    Ich werte täglich die Performance der 7 Taiwanesischen REITs aus und sende meine Auswertungen zurück nach Taiwan.

    Diese REITs heissen:
    1. Shin Kong No. 1 REIT
    2. Fubon No.2 Real Estate Investment Trust
    3. Cathay No.2 REIT
    4. Fubon No. 1 Real Estate Investment Trust
    5. King’s Town Millerful No.1 Real Estate Investment Trust
    6. O-Bank Number One Real Estate Investment Trust
    7. Cathay No.1 REIT
    und erlitten nicht den geringsten Coronavirus Crash!

    Seit Anfang Jahr performten diese sieben Taiwanesischen REITs um durchschnittlich 4.54%!

    Die Shin Kong No. 1 REIT wird von der Shin Kong Life Insurance Co., Ltd., die ihre Immobilien an der Börse kotieren liess.

    REITs sind „forderungsbesicherte Wertpapiere“, und stellen die weltweit beste Anlageklasse dar!

  • Adi Gasser sagt:

    Die Zinsen werden sicherlich nicht steigen. Man müsste sich eher Sorgen um die Inflation machen. Jetzt wo alle Länder im Keller Papier drucken und mit Negativzinsen im Umlauf halten, könnte eine Währungsabwertung eher eine ernste Gefahr für vorhandene Vermögen darstellen. Hinzu kommt eine Staatsbeteiligung (Rettung/Coronageld) in Firmen, die vom Steuerzahler gehalten werden. Steuererhöhungen werden unumgänglich und somit beginnt die Show jetzt dann erst richtig.

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