Warum rennen alle den Dividenden nach?

In der aktuellen Krise wurden teils Dividenden gestrichen, obwohl sie bereits erwartet wurden: Etwa bei Calida. Foto: Keystone
Alle rennen den Dividenden nach und kaufen deshalb die immer gleichen Aktien. Das ist doch nicht klug. Vor allem muss man die Dividende versteuern. Dann ist schon wieder einiges weg. Sollte man nicht lieber auf Kurswachstum achten? E.W.
Die beste Kombination für die Anleger ist jene, die wir noch im vergangenen Börsenjahr erlebten: Man profitierte als Aktionär sowohl von einem starken Kurswachstum als auch von attraktiven Dividenden. Doch das ist wegen der Corona-Krise und der gravierenden Folgen für die weltweite Wirtschaft und die Unternehmen gleich in doppelter Hinsicht Vergangenheit und wird kaum mehr so bald wieder eintreffen.
Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht, dass es gerade auch für Investoren, die im Erwerbsleben sind und damit neben ihren Einnahmen aus ihrem Kapital ein voll versteuerbares Erwerbseinkommen haben, an sich attraktiver ist, wenn sie Aktien im Depot haben, die sich in erster Linie durch ein überdurchschnittlich hohes Kurswachstum auszeichnen. Denn der Kursanstieg muss man anders als die Dividende nicht versteuern.
Das Problem dabei ist, dass sich ein Kursanstieg im Gegensatz zur Dividende weniger zuverlässig voraussagen lässt und sich schnell wieder im Nichts auflösen kann, nämlich dann, wenn die Märkte wie jetzt während der Corona-Krise massiv korrigieren. Man müsste somit von Zeit zu Zeit Kursgewinne ins Trockene bringen.
Dividenden haben generell fürs Depot eine stabilisierende Wirkung.
Die Dividende indes wird unabhängig von Kursschwankungen ausbezahlt. Allerdings kann sie bei schlechtem Geschäftsgang oder bei Kapitalbedarf der Gesellschaft gestrichen oder gekürzt werden. Auch das haben wir gerade erlebt. Teilweise wurden Dividenden gestrichen, obwohl sie bereits erwartet wurden, so etwa bei Valora oder Calida.
Dividenden haben aber generell fürs Depot eine stabilisierende Wirkung. Bei Qualitätswerten wie etwa Novartis, Roche, Nestlé und Swisscom – um einige der klassischen Dividendenperlen zu nennen, die auch wegen der hohen Dividendenrenditen gern gekauft werden – hat man eine gute Wahrscheinlichkeit, dass die Dividende auch auf lange Sicht recht gut gesichert ist, wenngleich Dividenden nie hundertprozentig garantiert sind, wie wir gerade vor Augen geführt bekommen.
Selbst bei Novartis, Roche, Nestlé und Swisscom könnte der Dividendensegen künftig tiefer ausfallen. Bei den Dividendenperlen Zurich, Swiss Life und Swiss Re dürfte es ziemlich sicher zu Dividendenkürzungen kommen.
Wenn jemand bereits ein hohes Erwerbseinkommen hat, das es zu versteuern gilt, kann es gerade auch aus steuerlichen Gründen durchaus Sinn machen, dass er in seinem Portefeuille stärker Wachstumswerte und reinvestierende Fonds ohne Ausschüttung gewichtet und weniger Dividendenperlen. Eine solche Strategie empfehle ich eher jüngeren Investoren im Erwerbsleben mit einem langen Anlagehorizont, zumal Wachstumswerte oft einen besonders langen Anlagehorizont erfordern.
Nur auf Wachstumswerte mit tiefer Dividende setzen würde ich in einem Depot nicht.
Steuerlich attraktiv sind auch Werte mit teilweiser Rückzahlung von Kapitalreserven. Denn der Anteil der Dividende, der nicht aus Gewinnrückstellungen stammt, ist für die Aktionäre von der Verrechnungssteuer und der Einkommenssteuer befreit.
Rentner hingegen, die nach einem Kapitalbezug bei der Pensionskasse einen steuerfreien Vermögensverzehr vornehmen und zusätzlich auf Erträge angewiesen sind, fahren mit Dividendenperlen gut, zumal bei ihnen der Steuereffekt der Dividenden weniger Wirkung zeigt.
Ganz auf Dividendenperlen verzichten und nur auf Wachstumswerte mit tiefer Dividende setzen würde ich in einem Depot indes nicht. Denn viele der klassischen grossen Dividendentitel sind eher konservativ und schaffen im Depot einen wichtigen Ausgleich und stabilisieren es. Auch in diesem Sinne ist Diversifikation wichtig.
Vor allem sollte man sich nicht zu stark von der Kursentwicklung vieler Wachstumsaktien im letzten Jahr blenden lassen. Wir werden wegen der Corona-Krise wohl noch länger anspruchsvolle Börsenphasen erleben, in denen man kaum oder sogar gar kein Kurswachstum hat.
Gerade in enttäuschenden Börsenjahren sind Aktien mit einer ansprechenden Dividende eine Stütze und sorgen dafür, dass man zwar vielleicht auf Buchverlusten sitzt, aber dank der Dividendenausschüttung immerhin etwas Ertrag hat. Darum sollte man meines Erachtens den Wert attraktiver Dividenden auch im Langzeitvergleich als Performancestütze nie unterschätzen.
17 Kommentare zu «Warum rennen alle den Dividenden nach?»
„kann es gerade auch aus steuerlichen Gründen durchaus Sinn machen, dass er in seinem Portefeuille stärker Wachstumswerte und reinvestierende Fonds ohne Ausschüttung gewichtet “
Egal ob ein Fonds ausschüttet oder reinvestiert, die Erträge (Zinsen / Dividenden) des Fonds sind steuerbar: Auf ictax.admin.ch kann man nachsehen wie viel steuerbarer Ertrag ein Fonds hat.
Die Finanzmärkte sind aktuell durch diese unfassbare Krise eine Herausforderung wie ich es selbst noch kaum erlebt habe. Die Marktteilnehmer sind oft mehr als nur „nervös“. Der Druck vieler Profi Anleger und Institutionen steigt täglich. Es muss gehandelt werden egal ob kaufen oder verkaufen. Auch sind eben viele Publikumsanleger abwesend oder stehen unüblicherweise nur am Rand. Die Kurse der Papiere und Indexe sind dadurch so volatil und wechseln oft in Hochfreuquenz, dass nur limitierte Aufträge zu tätigen empfohlen ist. Dennoch ist die Börse in diesen Zeiten mit abnormalen Potential geladen. Bereit sein zur Aktion und präzise erkennen wo und wie die Musik spielt, kann grossen Erfolg bringen. Bodenhaftung nicht verlieren. Gier an den Börsen, hat den meisten Leuten das Genick gebrochen.
Firmen mit überdurchschnittlich hohen Ausschüttungen sehen keine rentablen Investitionen, also keine Wachstumsperspektiven: Aber was keine Wachstumsperspektiven hat, ist eigentlich schon fast tot.
Wer Aktien kauft, kauft Zukunft, Firmen mit hohen Ausschüttungen sehe selber keine Zukunft für sich, warum sollte man deren Aktien kaufen?
Dann frage ich Sie: wenn eine Firma nie Geld für den Konsum generieren kann (Dividende), wer soll dann den Konsum bezahlen? Wenn Firmen immer nur reinvestieren müssen und nichts ausschütten können, dann ist die Wirtschaft nur noch für sich selbst da. Aber der Mensch hat nichts mehr davon.
Amazon macht das so seit ewig: Den ganzen Gewinn reinvestieren, wachsen und keine Dividende zahlen. Die Angestellten bekommen ihren Lohn, damit können sie konsumieren.
Die Performance der Amazon-Aktie ist exorbitant:
—> 2002–2020: ca. 11’000% Performance.
Der Aktienbesitzer verkauft einfach die Aktie, wenn er Geld braucht. Was kümmert einen da die Dividende?
@Panja Flöte: das ist eben das gefährliche! Ein hoher Kurs verspricht, dass eine Firma mal Gewinne macht und auch auszahlen kann. Eine Firma, die 1 Billion wert ist, müsste ungefähr 50 Mia Gewinn ausschütten können. Und Sie denken, dass Amazon je mal im Stande sein wird, dies zu tun? Mit den Kurssteigerungen ist irgend wann mal fertig. Das sieht man auch bei Apple.
Dividendenstrategien sind umstritten. Im besten Fall ein Nullsummenspiel, im Normalfall aber eher schädlich. Der Altmeister „Gerd Kommer“ weiss mehr:
— https://www.gerd-kommer-invest.de/dividendenstrategien-fakten-und-fantasien/
— https://www.gerd-kommer-invest.de/depotentnahmen-mythen-und-missverstandnisse/
@Peter Rohner
Besten Dank für die Links. Diese Beiträge bestätigen meine langjährige Ansicht und sind wesentlich fundierter als Herrn Spielers Mainstream-Nachgeplappere.
Ich halte Martin Spieler für sehr kompetent. Da sehe ich die Kritik nicht. Aber der Frage der Unabhängigkeit mache ich doch ein Fragezeichen. Eine zu grosse Kritik an bankeigenen Fonds, deren Produkten, etc. könnte ev. diese verärgern und Gelder bei der Werbung abziehen. Finanztipps des Tagis macht ja jetzt GemInvest. Unabhängig sind sie sicher nicht. Auch wenn ersichtlich ist, dass der Inhalt von GemInveset kommt, so sieht der Layout aus wie ein redaktioneller Teil. Etwas problematisch.
Ich halte Herrn Spieler auch für sehr kompetent. Sein Wissen ist zudem sehr breit und tief. Aber er will halt nicht unbedingt in die Hand beissen, die ihn füttert.
Zum Glück gibt es die Kommentarfunktion, dank der alle mitreden und verschiedene Perspektiven einbringen können.
Dann frage ich Sie: wenn eine Firma nie Geld für den Konsum generieren kann (Dividende), wer soll dann den Konsum bezahlen? Wenn Firmen immer nur reinvestieren müssen und nichts ausschütten können, dann ist die Wirtschaft nur noch für sich selbst da. Aber der Mensch hat nichts mehr davon.
@Piller
Weshalb in die Ferne schweifen, das Wesentliche zu Dividenden liegt so nahe.
Du solltest dir aber im Klaren sein, dass du dir jede Dividende aus deiner eigenen Tasche bezahlst.
Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, hätte ich soviel Vermögen oder Anteile der eigenen Aktiengesellschaft, dass man steuerfrei aus den Dividenden den Alltag und mehr gestalten könnte. In der Trickle-Down Economy bleiben solche Träume den meisten als Träume erhalten, weil der Systemgeldadel bereits genug Genossen an der Spitze der Pyramide ausweist.
Unter der Pyramide quasi, lebt man ähnlich steuerfrei und im Prinzip noch glücklicher als alle weiter oben.
Gesundheit ist A+O im Leben.
Unglückliche Menschen wissen meist nicht bewusdt, dass Sie glücklich sind.
Absolut einverstanden! Man muss erst einmal selbst ernsthaft erkranken, um wirklich zu verstehen, wie wertvoll Gesundheit ist.
Der Artikel verkennt eine grundlegendes Prinzip der Märkte: Private Anleger und vor allem professionelle Investoren bilden den Markt. Der Markt antizipiert die zu erwartenden Dividendenausschüttungen praktisch vollständig, was dazu führt, dass die Dividenden im Aktienkurs schon abgebildet sind. Nach erfolgter Dividendenauszahlung sinken die Aktienkurse der entsprechenden Titel dann in der Regel auch ein wenig und pendeln sich in der neuen Antizipation wieder ein. Darum sind Wachstumsaktien immer besser., vorausgesetzt man hat einen Anlagehorizont von mindestens 8 – 10 Jahren um Schwankungen und somit das Risiko auszugleichen.
Reinvestierende und ausschüttende Fonds werden im Grundsatz genau gleich besteuert. Aus steuerlicher Sicht ergeben sich somit keine Vorteile in wiederanlegende Fonds zu investieren.