So werden Krisen zu Einstiegschancen

Soll man gerade jetzt weiter in Aktien investieren oder nicht? Das sagt unser Geldexperte.

Die Aktien fallen derzeit noch. Doch bald dürfte auch dieser Investor wieder bessere Zeiten erleben. Foto: Getty Images

Trotz Turbulenzen bin ich zuversichtlich für Aktien und bleibe, keine Frage, weiter investiert. Um mein parkiertes Geld, das ich als liquide Mittel auf einer Bank halte, nicht zu verlieren, hätte ich eigentlich Lust, das gesamte Vermögen auf unterschiedliche Wertpapiere zu setzen. Wäre das eine gute Idee? B.R.

Für ein Investment in Wertschriften spricht die Tatsache, dass solche selbst bei einem Bankenzusammenbruch im Besitz der Kunden bleiben. Ein Problem wäre natürlich, wenn man ausgerechnet auch noch Aktien einer Bank hält, die in Schieflage geraten würde. Dann nützt es nichts, dass man Wertschriften hat, und man verliert sein Geld trotzdem.

Generell sollte man in Krisenzeiten – wie wir sie derzeit wieder erleben – auch das Emittentenrisiko genau im Auge behalten, wie man es typischerweise etwa bei strukturierten Produkten trägt.

Für eine Anlage in Wertschriften, wie Sie es beabsichtigen, spricht auch der Umstand, dass die Kurse der meisten Aktien tief im Keller sind. Anders als noch vor wenigen Monaten laufen Sie nicht Gefahr, dass Sie ausgerechnet dann einsteigen, wenn die Papiere sehr hoch bewertet sind.

Erschwert wird der Anlageentscheid allerdings dadurch, dass wir alle nicht wissen, ob die Märkte langsam Boden gefunden haben. Die Kurse sind bereits dramatisch gefallen. Das gibt Ihnen aber keine Garantie, dass sie nicht doch noch tiefer gehen. Alles ist möglich.

Ich glaube nicht, dass die Kurse schnell wieder in alte Höhen steigen werden.

Wenn die Corona-Krise noch viel länger andauert, sich noch viel mehr Leute anstecken und die Wirtschaft in eine lange und tiefe Rezession fällt, ist es durchaus möglich, dass die Aktienpreise noch mehr tauchen. Schon jetzt haben viele das Vertrauen in Aktien und generell in viele Wertschriften verloren. Der Ausverkauf kann auch noch weiter gehen.

Dennoch teile ich Ihre grundsätzliche Zuversicht. Ja, irgendwann ist ein Mittel gegen das Coronavirus gefunden. Irgendwann sind Impfungen möglich. Irgendwann wird aus dem Ausnahmezustand wieder der Normalzustand. Sobald sich abzeichnet, dass sich die Krankheit nicht noch mehr ausbreitet und ein Gegenmittel gefunden wird, werden sich die Märkte erholen. Dann werden wir uns von den Tiefstkursen lösen können.

Doch Vorsicht: Ich glaube nicht, dass die Kurse schnell wieder in alte Höhen steigen werden. Denn wie bei einem Tsunami, der irgendwann überstanden ist, bleiben nach der Corona-Krise schlimme Schäden zurück. Oft wird erst später sichtbar, wie tief greifend die Folgen sind.

Fest steht: Die Unternehmen – sowohl grosse als auch kleine – werden unter schwerwiegenden ökonomischen Konsequenzen der Krise leiden, und zwar in vielfältiger Form, direkt und indirekt. Für die Konjunktur rechne ich deshalb auch nach einer Begrenzung der Krankheit nicht mit einer schnellen Erholung.

Dennoch: Ich bin überzeugt, dass die Erholung auch bei den Aktien früher oder später kommt. Wir kennen aber die Zeitspanne des Tiefs nicht. Umso wichtiger sind eine breite Diversifikation, der Anlagehorizont und die Risikobereitschaft. Wenn man die notwenige Risikofähigkeit und genügend Zeit hat, um zu warten, kann man derzeit aus meiner Sicht günstig Qualitätsaktien kaufen – andere sollte man ohnehin nicht anrühren.

Wer jetzt einsteigt, sollte bereit sein, seine Aktien auch zehn Jahre liegenzulassen. Zudem sollte man Klumpenrisiken vermeiden – und breit diversifizieren, auch punkto Anlageklassen. Bei Qualitätsaktien hat man eine gute Chance, dass man auch in dieser Zeit wenigstens Dividenden bekommt. Eine Garantie dafür gibt es aber auch nicht, denn es wird wegen der sinkenden Erträge bei den Unternehmen zu Dividendenkürzungen und teilweise zu Dividendenstreichungen kommen.

Krisen sind immer auch Einstiegschancen. Allerdings trägt man selbst auf dem tiefen Niveau weiter ein hohes Anlagerisiko. Darum rate ich, nie gleich alles Geld zu investieren, sondern Käufe zu staffeln – eben genau darum, weil wir nicht wissen, wann der Tiefpunkt wirklich erreicht ist.

18 Kommentare zu «So werden Krisen zu Einstiegschancen»

  • Panja Flöte sagt:

    Für einen Buy-and-Hold-Anleger ist klar: Kaufen, wenn man Geld hat, verkaufen, wenn man Geld braucht. Diversifikation ist natürlich eine Selbstverständlichkeit (Welt-Portfolio).

    Für alle anderen empfiehlt es sich, jetzt gestaffelt einzusteigen, denn die Kurse sind heute tiefer als auch schon. Und wenn die Kurse wieder etwas nach unten rutschen: Nicht gleich wieder verkaufen, denn die Kurse werden wieder nach oben gehen. Werden Sie Buy-and-Hold-Anleger, und Ihr Leben wird viel einfacher (und das Vermögen stetig grösser).

    • Olivier Fuchs sagt:

      Gestaffelt einsteigen tönt geschickt und ist gut fürs Gemüt. Statistisch ist damit aber kein Mehrwert zu holen.

      • Johnny sagt:

        Ich verstehe es auch nicht auf was die „Anleger“ heute denn noch warten.
        Der Zeitpunkt ist jetzt und so eine Gelegenheit bietet sich dann zehn Jahre nicht mehr.
        Die Einladung auf dem Silbertablett kommt aber definitiv nicht.

      • Panja Flöte sagt:

        @Olivier Fuchs
        Ja, da haben Sie absolut recht. Aber viele fühlen sich bei einem gestaffelten Einstieg wohler.

  • Kurt Seiler sagt:

    Herrliche Anlegerzeiten.
    Bin Ü50 und denke das ist das letzte mal in meinem
    Leben dass ich nochmals gross Aktien erwerbe.
    Das Buffet ist eröffnet.
    … und schliesst dann wieder für zehn Jahre.

  • Jacquemoud sagt:

    Ich bin immer wieder erstaunt, als ich diese Kolumne lese, wie sich fast ausschliesslich Spekulanten mit der Anlagefrage beschäftigen. Und wie der Diskurs derselbe ist wie rundum einem Roulettentisch. Experten titulierten hier vor zwei Monaten diejenige, die ihr Geld noch auf dem Bankkonto hatten als Idioten, jetzt werden diese dumme Hellseher beneidet.

    • Johnny sagt:

      Spekulanten sind alle.
      Aber die mit einem längeren Horizont meinen sie seien was besseres.

      • Anh Toàn sagt:

        Spekulanten investieren fremdes, ausgeliehenes Geld, Anleger eigenes.

      • Peter Rohner sagt:

        Definition „Spekulation“:
        https://de.m.wikipedia.org/wiki/Spekulation_(Wirtschaft)

      • Peter Rohner sagt:

        Ich bin z.B. ein Anleger (kein Spekulant) mit langem Horizont. Aber ich komme mir deshalb nicht besser vor als jemand, der lieber Bargeld hält.

        Die Vergangenheit zeigt, welche Anlageklassen (Aktien, Obligationen, Immobilien, Rohstoffe etc.) bis jetzt am erfolgreichsten waren. Vermutlich gehören sie auch in Zukunft zu den Gewinnern. Garantiert ist das natürlich nicht, aber dennoch sehr wahrscheinlich.

      • Anh Toàn sagt:

        @Peter Rohner: Nimmt man die Definition von wiki zu Spekulation, sind (fast) alle Entscheide die wir treffen, spekulativ, weil es abhängig von der uns bekannten Zukunft ist, ob diese uns Gewinn oder Verlust bringen: Zur Schule gehen ist Spekulation, bringt nur einen Gewinn, zumindest materiellen, falls man mal einen Job bekommt, und das weiss man nicht. Und ob man einen ideellen Gewinn daraus hat, der grösser ist, als der irgendwo baden zu gehen im Sommer, ist auch ungewiss. Und so Sachen wie Heiraten oder Kinder bekommen, können einem reich oder arm machen, die sind hochgradig spekulativ!

      • Peter Rohner sagt:

        @Ahn Toàn
        Jaja, da kommt wieder der Philosoph in Ihnen zum Vorschein ?

      • Anh Toàn sagt:

        @Peter Rohner, nicht der Filosof, nur der „Korinthenkacker“

        Die Definition auf wiki hat einen logischen Mangel: Es ist also Spekulation, wenn ich Nestle kaufe, weil ich darauf hoffe, mehr raus zu bekommen als ich reintun muss. Aber es ist genauso Spekulation, Nestle nicht zu kaufen, weil ich denke, es komme weniger raus als rein ging.

        Jeder Entscheid ist spekulativ und nicht entscheiden eben auch!

        Nicht alles auf wiki ist schlau oder wahr.

  • Anh Toàn sagt:

    Wer jetzt kaufen will, soll nicht kaufen, was jetzt einbrach, sondern was nach der Krise boomen wird: Ein Freund von mir hat gesagt, es gäbe zum Jahresende bestimmt einen Babyboom, da habe ich gesagt, dann müsse man jetzt Aktien von z.B. Dorel Industries Canada (Maxi Cosy) oder Toys R US kaufen.

    Aber ich würde noch warten, ich sehe noch viel mehr Abwärtspotential an den Börsen als Gewinnchancen.

    • Alain Surlemur sagt:

      Abgesehen davon das Toys’R’us seit dem Konkurs 2017 nicht mehr börsennotiert ist, aber das ist nur ein Detail…

  • Jacquemoud sagt:

    Ich bedanke mich an alle die zu meiner Bemerkung reagiert haben. Sehr interessant, besonders auch den link von Herrn Rohner.
    Meine Definition von Spekulation ist eine sehr einfache: etwas billig kaufen um es gezielt mit Gewinn wieder zu verkaufen, ohne einen addierten Mehrwert dazu zu bringen. Mit Preisdifferenzen und Risiko spielen. Investieren wäre ungefähr das Gegenteil, ausser für das Risiko. Deswegen wird hier von der Qualität des Kaufs nicht gesprochen (wofür ist die Anlage gut: für die Umwelt, für die Wirtschaft usw) sondern ob der spekulativer Wert hoch genug und das Risiko tief genug ist. Ich will das Verhalten nicht werten, ist alles ok. Aber das ist nichts anders als Kasino. Also in die Ecke „Spiele“ (oder Sucht?) und nicht „Wirtschaft“. Viel Glück und bleiben Sie gesund!

  • Jacquemoud sagt:

    …. upssss. Natürlich nicht „billig kaufen“, sondern einfach „kaufen“… sorry

  • Oil of Olaf sagt:

    Krise als Einstieg nutzen?
    Frage lautet bloss, willst Du noch mehr verlieren oder vielleicht irgendwann gewinnen beim investieren?

    Da die BR Massnahmen scheinbar wirken, ist nun die Eindämmung der Viren Invasion so, dass infizierte Kranke aktuell unser Gesundheitswesen nicht zum Kolapps bringen. Die Verbreitung der Viren (Pandemie) ist deshalb keineswegs gestoppt und eine Lockerung der Massnahmen kaum absehbar.

    L.G. Bears in Heaven.

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