Hohe Dividende ist noch kein Gütesiegel

Wer jetzt Dividendenperlen kauft, profitiert noch vom Dividendensegen – allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt.

Unsichere Zeiten, unsicheres Anlegen: Das Coronavirus sorgt derzeit weltweit für Marktturbulenzen.  Foto: Keystone

Ende Februar habe ich mein gesamtes Depot bei meiner Bank aufgelöst. Jetzt möchte ich für circa 100’000 Franken Schweizer Dividendenaktien kaufen. Was meinen Sie? Ich habe gesamthaft circa 400’000 Franken, Gold, aber keine Pensionskasse, und ich bin verwitwet. E.Z.

Mir ist nicht klar, warum Sie gleich Ihr ganzes Depot aufgelöst haben – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als es an den Börsen mit den Kursen heftig nach unten ging. Daran, dass Sie wegen der Marktturbulenzen nervös waren, dürfte es wohl nicht gelegen haben, sonst würden Sie jetzt nicht neu Aktien mit einer hohen Dividendenrendite kaufen wollen.

Während Marktkorrekturen zu verkaufen, bringt meines Erachtens wenig. Abgesehen davon, dass man meist schlechte Kurse erwischt, stellt sich nach einem radikalen Verkauf die Frage, was man danach mit dem Geld macht. Das Kapital aufs Konto zu legen, ist keine überzeugende Alternative.

Doch das ist ja nicht Ihr Ziel. Vielmehr möchten Sie neu in Schweizer Dividendenperlen investieren. Positiv für Sie ist, dass die meisten Börsenfirmen gerade in den nächsten Wochen und Monaten ihre Dividenden ausschütten. Wenn Sie jetzt also noch rasch einsteigen, profitieren Sie noch von den Ausschüttungen.

Attraktive Dividendenrenditen zwischen zwei und fünf Prozent bieten Börsenfirmen wie Nestlé, Swisscom, Roche, Swiss Life, LafargeHolcim, Adecco, ABB, Swiss Re oder Zurich. Auch viele kleinere Unternehmen aus dem Swiss Performance Index wie Money Cembra Bank, Bellevue Group, Burkhalter, APG oder Banque Cantonal Vaudoise zeichnen sich durch hohe Dividenden aus.

Doch Vorsicht: Eine hohe Dividende allein ist kein Gütesiegel. Trotz hoher Dividende haben einige Dividendenperlen bei der Kursentwicklung in der Vergangenheit schwer enttäuscht – so etwa APG oder Burkhalter. Typisches Beispiel dafür ist auch die UBS, die eine hohe Dividendenrendite von rund 6 Prozent aufweist, aber punkto Kurs bisher keine Freude machte.

In Ihrem Fall sehe ich zwei weitere Problempunkte. Erstens ein mögliches Klumpenrisiko: Sie könnten für die 100’000 Franken durchaus zehn Dividendenperlen zu je 10’000 Franken Anlagebetrag kaufen. Damit erzielen Sie aber nur eine ungenügende Diversifikation, zumal Sie damit auch nur den Schweizer Markt abdecken. Mit einem Anlagefonds oder Exchange Traded Fund, die sich auf Dividendenperlen fokussieren, könnten Sie einfach eine breite Diversifikation sicherstellen.

Doch das wollen Sie wahrscheinlich nicht, da Sie gerade Ihr Depot mit Fonds verkauft haben. Immerhin haben Sie neben den 100’000 Franken noch weiteres Kapital, das Sie teilweise auch in Gold angelegt haben. Falls Sie das übrige Geld breit diversifiziert auf verschiedene Anlagegruppen, Sektoren und Regionen investiert haben, könnten Sie das Klumpenrisiko, das Sie mit den zehn Schweizer Dividendenperlen tragen, in Kauf nehmen – vorausgesetzt, Sie sind sich bewusst, dass Sie mit der starken Aktiengewichtung massiven Kursschwankungen ausgesetzt sein werden.

Zudem sinken die Kurse ohnehin nach dem Dividendenabgang. Und damit sind wir beim zweiten Problempunkt. Die Märkte haben zwar zeitweise korrigiert. Im Zuge der technischen Erholungen haben viele Anleger aber gerade wieder die attraktiven Dividendenperlen gekauft, sodass deren Kurse erneut stattliche Bewertungen aufweisen.

Wenn Sie jetzt kaufen, profitieren Sie zwar von der bevorstehenden Ausschüttung, müssen sich aber darauf einstellen, dass es in nächster Zeit wegen des Coronavirus, aber auch anderen Unsicherheitsfaktoren wie der Konjunkturabschwächung, den weltweiten Schuldenbergen, dem internationalen Handelskonflikt und vielen geopolitischen Risiken zu weiteren starken Marktturbulenzen kommen dürfte. Sie müssen damit rechnen, dass Sie phasenweise auf beträchtlichen Buchverlusten sitzen.

Entscheidend sind daher neben Ihrer Risikobereitschaft Ihr Anlagehorizont und Ihre Anlageziel: Wenn Sie die Dividendenperlen mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren oder mehr kaufen, weil Sie an den regelmässigen Erträgen interessiert sind und mit den Schwankungen leben können, ergibt Ihr Vorgehen Sinn.

Allerdings müssen Sie sich bewusst sein, dass selbst Dividenden nie garantiert sind. Bei einer schlechten Geschäftsentwicklung können diese auch mal ausfallen. Wichtig ist, dass Sie Ihre Gesamtsituation im Auge behalten und sicherstellen, dass Sie über alles hinweg eine genügend breite Diversifikation erreichen und Ihre Anlagestrategie wirklich Ihrer Risikobereitschaft entspricht.

6 Kommentare zu «Hohe Dividende ist noch kein Gütesiegel»

  • Josef Marti sagt:

    Jetzt werden ja unzählige neue Rettungsfonds begeben, die sind bestimmt alle idiotensicher, man sollte also sofort zulangen.

    • Annabelle Keller sagt:

      Gemäss Dr. Markus Krall stehen wir am Anfang einer Depression. Für die allermeisten Aktien dürfte es somit noch viel zu früh sein um zu kaufen.

  • Stephan Fehlmann sagt:

    Ja, die Dividenden hat man….ich bekomme sie schon seit 20 Jahren, all die Kursverluste jedoch habe ich in der Zwischenzeit auch erhalten. Bei den Aktien ist längerfristig nur der Kursverlust garantiert. Wer kurzfristig anlegt, ist bestimmt erfolgreicher. Vielleicht darf man das an dieser Stelle auch mal von Experten bestätigen. Heute sind praktisch alle Aktien ausser Nestle ,Roche oder Novartis auf 10-20 Jahrestief….oder Allzeittief (Holcim, CS, UBS…etc.) Der Börsenboom fand nur für einige auserwählte Aktien statt!

  • Stefan Zimmermann sagt:

    Gibt es überhaupt Internationale Dividenden-ETF‘s in CHF oder CHF hedged?

    • Peter Rohner sagt:

      Ja, einen habe ich bei Swissquote gefunden:
      — SPDR S&P GLOBAL DIV. ARIST. (GLDV)

      • Stefan Zimmermann sagt:

        Vielen Dank hierfür. Allerdings sehe ich keine Währungssicherung, nur Handelswährung CHF an der SIX. Habe ich etwas übersehen?

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