Buchgewinne: Soll ich jetzt verkaufen?
Wir besitzen seit vielen Jahren Anteile am UBS 100 Index-Fund. Im letzten Jahr ist der Wert beträchtlich gestiegen. Macht es Sinn, diesen hohen Kursgewinn zu realisieren und die Anteile zu veräussern, oder soll ich sie behalten? R.P.
Der von Ihnen gehaltene «UBS 100 Index Switzerland P Fonds» investiert in die gemäss Marktkapitalisierung hundert grössten Schweizer Börsenunternehmen. Mit diesem Vehikel können Sie breit diversifiziert den hiesigen Aktienmarkt abdecken.
Grösste Positionen dieses Fonds sind die bekannten Schweizer Papiere Nestlé, Roche, Novartis, Zurich Insurance, UBS, ABB, Richemont, Swiss Re, Credit Suisse und LafargeHolcim.
Da der Fonds einfach den UBS-100-Index abbildet, sind die in der Gesamtkostenkennziffer (Total Expense Ratio, TER) ausgewiesenen Gebühren mit 0,61 Prozent im Vergleich zu aktiv verwalteten Fonds eher tief, im Vergleich zu passiv verwalteten Exchange Traded Funds (ETFs) aber eher hoch.
Immerhin haben Sie mit diesem Fonds direkt vom Traumbörsenjahr 2019 profitiert, in dem der Schweizer Markt auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich abgeschnitten hat. Entsprechend sitzen Sie nun auf erheblichen Buchgewinnen. Natürlich ist die Verlockung gross, diese Kursgewinne zu realisieren. Denn genauso schnell, wie Buchgewinne entstehen, sind sie nach einem Markttaucher auch wieder verflogen.
Damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können, würde ich mir folgende Fragen stellen: Was planen Sie nach einem allfälligen Verkauf der Fondsanteile mit dem Geld? Falls Sie das Geld nicht brauchen und auf jeden Fall wieder anlegen würden, stellt sich die Frage der Wiederanlage. Das Geld einfach auf dem Konto liegenzulassen, ist wenig sinnvoll, da es dort keinen Zins abwirft.
Wenn Sie es wieder in Aktien oder Aktienfonds investieren möchten, hätten Sie das Problem, dass diese recht teuer bewertet sind. Natürlich könnten Sie abwarten, bis es zu einer Korrektur kommt und Sie vielleicht günstiger wieder kaufen könnten. Allerdings wissen wir nicht, wann wirklich eine Korrektur eintrifft. Das kann sehr plötzlich kommen oder auch erst später, da die ultralockere Geldpolitik der grossen Notenbanken der Welt dafür sorgt, dass nach wie vor viel Geld in Aktien fliesst.
Wenn Sie überzeugt sind, dass wir nach der langen Hausse eine stärkere Korrektur erleben werden und Sie das Geld in nächster Zeit eher nicht wieder anlegen möchten, würde ich die Kursgewinne jetzt ins Trockene bringen.
Abhängig ist der Entscheid aus meiner Sicht auch von Ihren Lebensumständen. Wenn Sie jung wären, würde ich Ihnen eher raten, die Fondsanteile zu behalten und auf lange Sicht von zehn bis zwanzig Jahren zu halten. Falls Sie aber älter und allenfalls im Rentenalter sind, ist Ihr Anlagehorizont naturgemäss kürzer. In dieser Konstellation würde ich wohl die Gewinne realisieren und das Geld für den Lebensstandard oder eine eiserne Reserve nutzen.
Aber an der Börse ist alles möglich. Sie müssen für sich selbst abschätzen, ob Sie lieber hohe Sicherheit wünschen und daher die Kursgewinne realisieren oder ob Sie auf weiter steigende Kurse hoffen und das Risiko einer Korrektur eingehen wollen, falls Sie überzeugt sind, dass die Börsenparty noch länger andauern wird.
Persönlich rechne ich damit, dass 2019 mit den beeindruckenden Kursgewinnen auf breiter Front ein Ausnahmejahr war und das laufende Jahr trotz starkem Start angesichts vieler Unsicherheitsfaktoren und geopolitischen Risiken kaum mehr so gut laufen wird wie das letzte Jahr. Nach den Rekordständen ist das Korrekturrisiko zweifellos gestiegen.
29 Kommentare zu «Buchgewinne: Soll ich jetzt verkaufen?»
Hier ein guter Blog-Eintrag von Gerd Kommer zum Thema „Warum aktives Investieren schlecht funktioniert“:
— https://www.gerd-kommer-invest.de/warum-aktives-investieren-schlecht-funktioniert/
Ein sehr gewichtiges Argument dieses Beitrages gilt für die Schweiz nicht: Kapitalgewinne, auch realisierte sind steuerfrei.
Zur Zeit ist die herrschende Meinung, passives investieren sei besser, Theorie der effizienten Märkte, aber wenn alle passiv investieren, können die Märkte nicht mehr effizient sein, niemand verarbeitet mehr Informationen für Anlageentscheide: Wo sind die Risiken für den Kleinanleger daraus? Börsenschwergewichte werden gekauft (erhalten Kapital), weil sie Schwergewichte sind, während weit überdurchschnittlich erfolgreiche, wachsende Unternehmen kaum gekauft werden. Investieren nach Marktkapitalisierung ist investieren in die Gewinner der Vergangenheit, man will die Aktien im Depot, die in 10-25 Jahren Blue Chips sind.
Ich denke, aktives investieren funktioniert dann schlecht, wenn man sich Selbert nicht kennt. Eine asiatische Weisheit sagt: Kennt man seinen Gegner (hier den Markt, die Anderen) und sich selber, gewinnt man. Kennt man weder Gegner noch sich selber, verliert man. Kennt man den Gegner nicht, aber wenigstens sich selber, kann man gewinnen: Beim Anlegen kennen wir den Gegner nicht, wer sich selber nicht kennt, wird verlieren. seine Emotionen (Angst und Gier) werden ihn zu Fehlern verleiten.
Ich bin hier bei Anh Toan
Natürlich ist es für den 0815 Bürger der kein Intresse daran hat sich mit seiner Anlage zu beschäftigen sehr gemütlich nur einen ETF zu kaufen und sich um nichts zu kümmern. Aber die grossen Summen die in ETF’s fliessen verteuern insbesondere die FAANG Aktien massiv und diese sind in meinen Augen bereits heute stark überbewertet.
„2019 war ein Traumbörsenjahr – das sich kaum wiederholen wird.“ 27% hat der SMI zugelegt im 2019, das ist nicht so viel, vor allem, nach dem es im Vorjahr um 10% runter ging, eigentlich ging es in den letzten Monaten 2018 eher um gegen 20% nach unten. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in den 80er und 90ern zum teil 60% pro Jahr Gewinne auf Aktien.
„Nach den Rekordständen ist das Korrekturrisiko zweifellos gestiegen.“ – Ich würde das Risiko aufteilen: Je höher die Kurse, desto grösser die potentielle Fallhöhe, aber neue Höchstkurse sind Ausdruck eines positiven Trends: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kurse überhaupt fallen ist in einem Aufwärtstrend bedeutend kleiner. Auf ein sehr gutes Aktienjahr folgt häufiger ein noch besseres, als ein schlechtes.
Wie „spielt“ man dies nun als defensiver Anleger: Genug Cash, trockenes Pulver halten, also Gewinne mitnehmen bis man eher untergewichtet ist:
Gibt es ein Super Jahr, verdient man trotz geringer Gewichtung noch immer genug aufs ganze Vermögen berechnet und kauft nicht später zu noch höheren Kursen, weil man frustriert ist, nicht dabei zu sein. Gibt es ein schlechtes Jahr, bekommt man eine Einstiegsgelegenheit: Aber nie in fallende Kurse kaufen, sondern erst, wenn es wieder steigt: Wenn man sich sein Depot ansieht und sagt, langsam ist es nicht mehr so düster, erste Zukäufe machen, erweist es sich als richtig, weiter zukaufen.
„Auf ein sehr gutes Aktienjahr folgt häufiger ein noch besseres, als ein schlechtes.“
Zwei berühmte Börsensprüche gibt es dazu: „The trend is your friend“ und „la hausse ammène la hausse“.
Ein sehr gutes Aktienjahr lässt die, welche nicht dabei waren, frustriert zurück. Erst wenn die Pessimisten das Handtuch werfen und einsteigen, geht die Hausse zu Ende.
Geht es abwärts, kaufen die Pessimisten auch nicht, die sagen dann, habe schon immer gesagt dass alles in die Hose geht, und von den Optimisten werden viele pessimistisch.
Zur Zeit sehe ich einige Risiken, aber andererseits auch die Chance auf ein Rekordjahr am Aktienmarkt: Ich sehe noch keine Blase, aber die Ingredienzen, welche es für eine Blasenbildung braucht: Kaum Anlagealternativen (Immobilien sind eine Alternative, das bestreite ich nicht Wyrsch, aber viele mit Anlagevermögen haben ein Eigenheim, sind damit schon stark gewichtet in Immobilien), Gewinne am Aktienmarkt die gierig machen: Grosse Gewinne am Aktienmarkt gibt es, wenn man einigermassen am Anfang der Hausse dabei ist, aber noch grössere, wenn sich diese zu einer Blase entwickelt: Dieses Jahr können es 60% werden! Dann bringt die Nestle oder Novartis Dividende immer noch mehr als 10J. Oblis von denen. Tesla 1’000 oder 5’000 ist gleich absurd, absurd lässt sich nicht steigern.
Anh Toàn ist ein richtiger Tausendsassa, bestreitet er doch die Kommentare hier praktisch im Alleingang und antwortet sich auch gleich selber.
@Anh Toàn: sitzen Sie manchmal auch auf der Veranda und haben tiefgründige Gespräche mit sich selber? Hat Opa Klaus auch immer gemacht, nur bei dem ging es nicht um Finanzen, sondern um den Krieg damals.
Geld arbeitet nicht. Abzockerei im Graubereich der ganze Börsenwahn – wo führt das wohl hin?
Das Abzocken mit Ihrem Geld, Ihren Pensionskassenbeiträgen, macht Ihre Pensionskasse für Sie. Am besten verzichten Sie auf Ihre Rente.
Ich vermisse hier weitere Möglichkeiten um Buchgewinne zu sichern. Es gibt ja nicht bloss die 2 Möglichkeiten behalten oder verkaufen.
Man kann die bisherigen Gewinne noch mit limitierten Aufträgen nach unten absichern um einem Verlust durch einen Börsencrash zu schützen. Natürlich lässt sich dabei nicht genau festlegen zu welchem Preis man verkauft – aber immerhin besteht die Möglichkeit in der aktuellen Phase noch investiert zu bleiben. Warum wird diese Variante hier verschwiegen?
Haben Sie das mit der Absicherung nach unten schon ausprobiert? Meistens verliert man dann eine Aktie wegen einer Tagesschwankung und ärgert sich schon am Folgetag, dass man die Verkaufslimite gesetzt hat. Setzt man die Limite zu weit nach unten, kann es passieren, dass sie im dümmsten Moment verkauft wird.
Damit es nicht ganz so schlimm kommt, wie Sie beschreiben, gibts den Trailing Stop Order. Kurz gesagt wird die Limite des Verkaufsorders dem weiterhin ansteigenden Aktienkurs angepasst. Sie legen in Form von % oder Betrag fest, bei welchem Abschlag der Verkauf ausgelöst werden soll. Klar auch dies bietet in sehr turbulenten Börsenphasen keine 100% zufriedenstellende Auftragsausführung, ermöglicht aber immerhin von den noch steigenden Kursen zu profitieren.
Hier wird die Wesensart des Trailing Stop recht gut erklärt.
https://admiralmarkets.de/wissen/articles/forex-basics/trailing-stop-loss
Das schützt aber leider auch nicht vor dem Verkauf, wenn es einen grösseren Ausreisser nach unten gibt.
Ja ein Risiko besteht immer. Wobei erst im Nachhinein klar ist ob ein Ausreisser ein solcher bleibt oder es zu einem eigentlichen Sturz kommt. Wenn jegliches Risko auschliessen möchten empfehle ich ein Sparkonto. 🙂
Man kann die Limite (Stop Loss) nach der (gefühlten) Volatilität ausrichten. Ich beobachte z. B. jede meiner Positionen immer in kurzen Abständen. So gewinnt man ein Gefühl für die mögliche Schwankungsbreite einer Position. Da viele Anleger dazu neigen, Gewinne möglichst schnell ins Trockene zu bringen- meist zu schnell- kann man diesem Reflex mit einem Stop Loss ideal vorbeugen. Psychologisch gesehen, ist das nicht ganz unwichtig. Volatilitäten sind grundsätzlich schwer zu handlen. Das muss man trainieren, immer und immer wieder. Grundsätzlich ist das stete Nachziehen von Limiten dem Glattstellen einer Position vorzuziehen. Zumindest bei steigenden / seitwärts tendierenden Börsen.
Mich interessiert hier einmal, was die Fachleute, die es ja hier zweifellos gibt, von der Absicherung mittels Put-Optionen halten. Ich arbeite ab und zu damit, das Ergebnis ist ernüchternd: meistens ist das Geld weg, da es eben doch besser lief, als man meinte. Aber: ich habe auch schon ein bisschen etwas zurückholen können, wenn es „knallte“. Was meinen Herr Spieler, oder z.B. Herr Rohner, Herr Anh Toàn dazu? Mein – persönliches – Fazit: teuer und bringts nicht.
Solche Absicherung-Optionen nützen meisten den Herausgebern und in den seltensten Fällen den Käufern.
Danke, Herr Müller, deckt sich mit meinen Erfahrungen.
Put-Optionen sind wie eine Versicherung. Sie bezahlen eine Prämie und schützen Ihr Portfolio vor der Katastrophe. Im schlimmsten Fall verlieren Sie die bezahlte Prämie, im besten Fall gehen Sie verlustfrei aus der Katastrophe. Mit Call-Optionen kann man sich bereits heute einen Maximal-Preis für ein Wertpapier sichern, also auch eine Art Versicherung. Optionen machen also durchaus Sinn.
Wenn man Put- und Call-Optionen als reine Spekulationspapiere kauft und nicht am Versicherungsschutz interessiert ist, dann kann man wegen des Hebels viel Geld verlieren oder (mit Glück) auch gewinnen. Verluste sind aber viel wahrscheinlicher.
Danke, Herr Rohner, das ist mir alles klar. Genau wie Sie sagen: eine Versicherung. Dann muss man es betrachten wie die Krankenkasse – bezahlt man, und hofft, sie nicht benützen zu müssen. Aber die Kohle ist weg. Ich benütze die Puts nicht als Spekulationspapier, sonder eben: als Versicherung. Arbeiten Sie damit? Meine – jahrelange – Erfahrung ist ernüchternd.
@Peter Tschudi
Früher habe ich ab und zu mit Call-Optionen spekuliert (nicht sonderlich erfolgreich), heute bin ich ein typischer Buy-and-Hold-Anleger geworden (Aktien-ETF weltweit). Alles recht entspannt.
Mein Portfolio sichere ich nicht mit Put-Optionen ab, da der Schutz mit der Zeit recht teuer wird (Optionen haben ja ein Verfallsdatum). Ich vertraue darauf, dass der Aktienmarkt langfristig nach oben geht. Das Kapital verbrauche im Alter (so der Plan), halte aber immer eine Barreserve von ca. 20‘000 bereit, falls mal grössere Zahlungen anstehen.
@ Peter Tschudi
Put-Optionen können hilfreich sein, wenn ein Portfolio nicht allzu sehr ins Negative abrutschen darf (wie z.B. bei einer PK). Aber für eine Privatperson, die eine Krise auch mal aussitzen kann, lohnen sich solche Absicherungen kaum (was Sie selbst ja auch sagen).
@Peter Rohner
Danke, Herr Rohner, für Ihre Bemühungen und die Antwort. Ich kann bestätigen, was Sie anmerken. Es deckt sich mit meine Erfahrungen. Offenbar verfolgen wir auch eine ähnliche Anlagestrategie, wie ich Ihren immer lesenswerten Mitteilungen hier entnehme. Da ich aber schon „im Alter“ bin (70) halte ich etwas mehr Cash als Sie – für alle Fälle.
Danke @Peter Tschudi für Ihre freundlichen Worte. Ich bin ca. 10 Jahre jünger als Sie, also auch nicht mehr so weit entfernt von der grossen „Freiheit“ (= Pension).
Ich bin immer noch am Erforschen und Herausfinden, wie die optimale Geldanlage funktioniert. Drum lese und diskutiere ich hier gerne mit ?
@Peter Tschudi Ich schreib‘ jetzt doch noch was:
Versichern, was man hat und eigentlich nicht braucht, ist ein Verlustgeschäft. Was ich mir vorstellen kann, ist z.B. aktive Titelselektion absichern mit Put-Optionen auf den Markt insgesamt. Also einen Teil des Risikos von Einzelaktien, das Marktrisiko rausnehmen. Eine Aktie halten und andererseits das Kurs- (und idealerweise auch noch das Währungsrisiko wenn der Kurs nicht in der Referenzwährung ist) zu 100% absichern, macht nicht viel Sinn: Das kann eigentlich auf Dauer nur Verluste bringen.
Seit langen halten mich meine geringen Erfahrungen mit Optionen von weiteren Erfahrungen damit ab….
Herr R.P.
Die hohen Kursgewinne von 2019 bringen für 2020 eine komfortable Pufferzone um in Zukunft mögliche Kursverluste abzufedern.
Trotzdem, teilweise aus Ihrem UBS Fund Index aussteigen und etwas Gewinn mitnehmen. Je nach investiertem Volumen, den Fund um ein Drittel oder um die Hälfte reduzieren. Dann Geld parkieren und einmal ruhig den Verlauf an den Börsen beobachten.
Nach dem 1.Quartal von 2020 wissen wir mehr. – Nur nid gschprängt – !!!
Noch was, Theorien sind gut, Bauchgefühl ist besser !!!