Was die Börsen 2020 bewegen wird

Geht die Hausse an den Aktienmärkten weiter? Was dafür spricht – und was dagegen.

Donald Trump ist eine Schlüsselfigur für das Börsenjahr 2020 – wegen des Handelsstreits mit China und wegen der Präsidentschaftswahl im Herbst. Foto: Keystone

Das letzte Jahr brachte mir grosse Kursgewinne auf meinen Aktien. Ich habe zum Glück auch nicht verkauft. Doch frage ich mich, wie nun alles weitergeht. Was erwarten Sie? S.K.

Sie sollten sich einfach rational vor Augen führen, dass 2019 ein aussergewöhnliches Börsenjahr war, das in die Geschichte eingeht.

Dass der Swiss-Market-Index 25 Prozent zulegte und selbst ein Börsenschwergewicht wie Nestlé rund 30 Prozent und die Pharmariesen Roche und Novartis rund 25 Prozent anstiegen, ist eine Konstellation, wie sie historisch sehr selten vorkommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dies wiederholt, ist gering.

Bei der Beurteilung der Börsenaussichten müssen Sie sich überlegen, welches die Treiber einer weiteren Hausse wären und welche Faktoren für sinkende Märkte sprechen.

Der grosse Treiber für die Aktien sind die rekordtiefen Zinsen. Sie kennen es selbst: Wo soll man investieren, wenn nicht in Aktien? Mit Obligationen hat man 2019 zwar durchaus Kursgewinne verbuchen können, die Renditen sind indes nach wie vor mickrig, und gerade mit sicheren Frankenanleihen von erstklassigen Schuldnern verliert man unter Berücksichtigung der Teuerung und der Gebühren oft Geld.

Auch Rohstoffe und Immobilien sind nur bedingt eine Alternative. Gold beispielsweise ist zwar im letzten Jahr auch gestiegen, bringt aber anders als Aktien und Anleihen keine Rendite. Solide Renditen werfen immerhin Immobilien ab, doch auch bei diesen stellt sich die Frage, ob ihre Bewertung nicht langsam den Höhepunkt erreicht hat.

Aus dieser Konstellation heraus entscheiden sich viele Investoren letztlich doch wieder für eine stärkere Gewichtung in Aktien. Nach wie vor fliessen riesige Summen in die Aktienmärkte, und zwar genau darum, weil die Anleger in einem Anlagenotstand sind und ihnen angesichts der rekordtiefen Zinsen überzeugende Alternativen fehlen.

Anders wäre es, wenn die Zinsen anziehen würden, doch das ist vorderhand nicht zu erwarten. Die lockere Geldpolitik der grossen Notenbanken in Europa, den USA und in Asien wird die Aktienmärkte auch 2020 stützen.

Über die tiefen Zinsen hinaus braucht es aber für steigende Aktienkurse positive konjunkturelle Rahmenbedingungen und wachsende Unternehmensgewinne. Bei diesen Faktoren wird es im laufenden Jahr bereits etwas heikler.

Die Konjunktur präsentiert sich weltweit zwar nach wie vor recht robust, verliert aber an Wachstumsdynamik, insbesondere in Europa. Eine Rezession ist noch nicht in Sicht. Auch die Unternehmensgewinne entwickeln sich mehrheitlich gut, verlieren aber ebenfalls an Tempo. Wachstum wird schwieriger. Eine Vielzahl von Firmen aus dem Automobil- und Industriesektor sowie ihre Zulieferer mussten im letzten Jahr Gewinnwarnungen publizieren.

Daneben gibt es für die Märkte verschiedene Störfaktoren. Ein wichtiger bleibt trotz der Teileinigung zwischen den USA und China der Handelsstreit zwischen den Supermächten. Es spricht wenig dafür, dass dieser Konflikt so rasch vollständig gelöst wird. Geopolitische Ereignisse könnten nicht absehbare Korrekturen auslösen.

Ebenfalls ein Risiko stellen die wachsenden Schuldenberge weltweit dar. Früher oder später werden diese zu einem riesigen Problem.

Für freundliche Märkte sprechen indes die US-Wahlen im Herbst. US-Präsident Trump wird alles daran setzen, dass sich die US-Wirtschaft im Wahljahr 2020 in gutem Licht präsentiert. Meines Erachtens hat er trotz Impeachment gute Chancen, wiedergewählt zu werden.

Alles in allem überwiegen für die Börsen die positiven Faktoren. Ich erwarte eine freundliche Tendenz an den Märkten, bin aber überzeugt, dass das Risiko von Korrekturen deutlich zugenommen hat.

Ein Jahr wie 2019 würde ich definitiv nicht erwarten, sondern mich trotz positiven Impulsen von den tiefen Zinsen phasenweise auf Korrekturen einstellen – woher diese letztlich kommen werden, ist schwer abzuschätzen. Nur so viel: Sie kommen meist von völlig unerwarteter Seite.

4 Kommentare zu «Was die Börsen 2020 bewegen wird»

  • Anh Toàn sagt:

    „trotz positiven Impulsen von den tiefen Zinsen phasenweise auf Korrekturen einstellen – woher diese letztlich kommen werden, ist schwer abzuschätzen.“

    Vor ein paar Jahren, sogar bis vor einem Jahr haben viele gewarnt vor bald einmal wieder steigenden Zinsen. Da habe ich gesagt, Nonsense! Jetzt wo alle sagen, die Zinsen werden lange Zeit nicht steigen, werde ich vorsichtiger: Sind die Positionen zum Markt zu einseitig, kommen die heftigen Korrekturen.

    • Anh Toàn sagt:

      Noch etwas zur Präzisierung;: Es gibt keine positiven Impulse mehr der tiefen Zinsen: Diese sind schon tief und alle erwarten schon, dass dies ganz lange so bleibt, also wo soll es da 2020 noch einen Impuls geben?

  • Oskar Hauser sagt:

    Sie übersehen Kryptowährungen (v.a. BTC) als eine mögliche Anlageklasse. Die Kursentwicklung der vergangenen Jahre zeichnet ein klares Bild der Vergangenheit, inkl. Renditen und Risiken.
    Andere Analysen (z.B. Stock to Flow Model) zeigen, wohin der Weg in den nächsten Jahren gehen könnte.

  • Conte Roberto sagt:

    Dieses Finanzsystem hat seinen Horizont überschritten und wird eher früher als später kollabieren und wer sind dann die Dummen? In vielen Unternehmen und deren Aktien ist sehr viel Luft ohne Substanz drin (Blasengefahr).

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.