Dividendenperlen abstossen oder behalten?

Riskante Spekulation: Wer Glück hat, kann die verkauften Aktien später wieder günstiger erwerben. Foto: Getty Images
Hauptsächlich bin ich (72) in Schweizer Dividendenperlen investiert und damit sehr gut gefahren. Die Dividenden sind ein guter Zustupf zu meiner AHV. Doch meine Kundenberaterin rät mir nun zur Gewinnmitnahme. Macht der Verkauf Sinn? M.H.
Viele der Schweizer Dividendenperlen notieren seit dem Jahresbeginn deutlich im Plus. Offensichtlich ist dies beim Börsenschwergewicht Nestlé. Die Papiere des Nahrungsmittelherstellers haben in diesem Jahr rund 35 Prozent an Wert zugelegt. Aber auch andere Dividendenstars wie Novartis, Zürich, Swiss Re oder Swiss Life liegen seit Beginn dieses Jahres deutlich im Plus.
Da Sie die Titel zu einem tieferen Einstandspreis gekauft hatten, könnten Sie somit in der Tat schöne Gewinne auf Ihren Dividendenpapieren realisieren. Das würde für einen Verkauf sprechen.
Die Frage ist allerdings: Was dann? Nach einem Verkauf sitzen Sie auf viel liquiden Mitteln. Diese einfach auf dem Bankkonto liegen zu lassen, macht keinen Sinn, da Sie keine Zinsen mehr erhalten. Unter Berücksichtigung der zwar tiefen Teuerung und Gebühren verlieren Sie auf liquiden Mitteln faktisch Geld und laufen bei grossen Beträgen sogar Gefahr, dass Sie der Bank Negativzinsen zahlen müssten.
Sie müssten das Geld somit zumindest nach einer gewissen Zeit wieder investieren. Die grosse Frage wäre dann, ob die Kurse genau dann wirklich wieder deutlich tiefer notieren als heute, zumal die internationalen Notenbanken die Zinsen weiter senken, was für Aktien spricht.
Immerhin gibt es dennoch eine gute Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten Monaten angesichts der vielen Unsicherheitsfaktoren an den Finanzmärkten wie dem internationalen Handelsstreit, dem Brexit und vor allem der Abschwächung der Konjunktur die eine oder andere Korrektur erleben werden. Eine Garantie, dass Sie aber genau dann, wenn Sie wieder einsteigen möchten, wirklich deutlich tiefere Kurse haben, gibt es nicht.
Es wäre dann einfach eine Spekulation: Wenn Sie Glück haben, geht die Rechnung auf, und Sie haben schöne Kursgewinne realisiert und können dann später in ein paar Monaten die gleichen Aktien wieder für weniger Geld neu erwerben. Sicher ist das aber nicht. Sie gehen also ein gewisses Risiko ein, dass die Rechnung vielleicht doch nicht wie gewünscht aufgeht.
Das eigentliche Problem bei einem Verkauf wäre die Tatsache, dass Ihnen dann im nächsten Frühling die Dividenden, die für Sie ein wichtiger Zustupf zur AHV sind, fehlen. Wenn Sie nicht verkaufen, können Sie davon ausgehen, dass Sie im nächsten Jahr weiter ähnlich hohe Dividenden erhalten wie bisher, obwohl auch Dividenden nie ganz garantiert sind und gekürzt oder im schlimmsten Fall sogar ganz gestrichen werden können. Falls aber eine Korrektur einsetzt, ärgern Sie sich, dass Sie die Gewinne nicht doch mitgenommen hatten.
Es gibt somit nicht eine eindeutige Antwort auf Ihre Frage. Vielmehr müssen Sie abwägen, ob Sie das Risiko tragen können, dass Sie unter Umständen dann doch nicht vor dem Start der Dividendensaison im nächsten Frühling bereits wieder ihre Dividendenperlen zu tieferen Kursen kaufen können und somit riskieren, die Dividenden zu verpassen.
Wenn jemand im Alter auf die Dividenden angewiesen ist, rate ich eher von spekulativen Verkäufen und Käufen ab, sondern empfehle, die Titel langfristig zu halten, da Sie nicht in erster Linie an einem Kurswachstum interessiert sind, sondern an den attraktiven Dividenden.
Die Bank hat natürlich ein anderes Interesse: Wenn Sie verkaufen und wieder neu kaufen, verdient sie auf jeden Fall Gebühren. Für Sie geht die Rechnung indes nur auf, wenn Sie punkto Timing Glück haben.
Vor diesem Hintergrund würde ich trotz der schönen Buchgewinne sicher nicht alle Dividendenperlen abstossen, sondern eine Gewinnrealisierung nur in Betracht ziehen, wenn Sie für Ihren Lebensstandard in diesem und den nächsten Jahren über die Dividenden hinaus möglicherweise ohnehin mehr liquide Mittel brauchen.
Im Umfang dieses Betrags macht eine Gewinnrealisierung Sinn – wenn Sie also für Ihren Lebensunterhalt ohnehin gelegentlich einen Teil Ihrer Aktien verkaufen müssten. Alle übrigen Dividendenperlen würde ich langfristig weiter behalten und vom Dividendensegen profitieren.
13 Kommentare zu «Dividendenperlen abstossen oder behalten?»
Als Alternative könnte man noch eine Absicherung der bestehenden Positionen erwägen. Mini Short Futures wären eine einfach anzuwendende Variante. Vorteil: Absicherung gegen eine starke Baisse an der Börse, ohne die Titel verkaufen zu müssen und die Dividende kann auch im nächsten Jahr noch einkassiert werden. Ihre Bank kann Sie bestimmt beraten.
@Raphael: Sie müssen bei einer Bank arbeiten 🙂 Ausser Spesen bringt diese Versicherung doch nichts, weil die Analyse falsch ist. Der Mann will CashFlow und keine Buchgewinne und entsprechend interessiert ihn nur die Dividendenstabilität. Ist die Dividendenqualität hoch (z.B. Nestlé), d.h. bleibt die Dividende auch in einer Rezession stabil, dann muss er nichts machen. Ihre Strategie hat doch nur den folgenden Effekt: Gehen die Kurse hoch, lässt er Buchgewinne liegen; fallen die Kurse, dann hätte er mit einem Verkauf mehr Gewinn als mit einem Short-Future gemacht (zahlt ja Prämien dafür). Was dem Mann aber wirklich weh tut, sind sinkende/ausbleibende Dividenden – und genau gegen dieses Risiko ist er nicht abgesichert!
zur Hälfte haben Sie recht, Michael: mit dem Kauf von Mini-Short-Futures ist die Höhe der Dividenden, die die Firmen ausschütten, nicht gesichert. Und natürlich hätte er mit einem Totalverkauf mehr Gewinn realisiert. Aber mit dem Einsatz dieser derivaten Instrumente kann er seine Titel behalten und dadurch, dass diese Mini-Short-Futures reziprok zum Kursverfall der Aktien steigen, kann er sich auch bei einem Crash beruhigt zurücklehnen und weiterhin seine Aktien mit seinen Dividenden behalten. Informieren Sie sich doch einmal über die Funktionsweise, ist nämlich ziemlich interessant!
Und wo Sie auch noch falsch liegen, lieber Michael: nein, ich arbeite nicht bei einer Bank und auch nicht bei einer Versicherung.
DIV.—Perlen sollten ohnehin werte sein, auf die man zeitlich nicht dringend angewiesen sein sollte ——. Darum liegen lassen
Gut finde ich den Hinweis auf die anderen Interesse der Bank.
Genau desshalb raten Kundenberater gerne zu komplizierten Produkten der notabene eigenen Bank. Sie verdienen damit immer zweimal, beim Kauf und am Produkt selber ohne das Risiko zu tragen.
Ich komme seit Jahren bestens aus ohne einen Kundenberater, kaufe oder verkaufe vielleicht zweimal pro Jahr und freue mich über die Dividenden und die insgesamt tiefen Verwaltungskosten.
Es gibt auch eine Kompromisslösung: Einen Teil verkaufen und den Rest behalten.
„Eine Garantie, dass Sie aber genau dann, wenn Sie wieder einsteigen möchten, wirklich deutlich tiefere Kurse haben, gibt es nicht.“ Er will und kann genau dann einsteigen, wenn die Kurse deutlich tiefer sind, solange er flüssig bleibt (Gebühren und Inflation und sogar Negativzinsen in Kauf nimmt). Irgendwann werden die Kurse ganz sicher günstiger sein, die Frage ist einzig, ob er diesen Zeitpunkt erlebt.
Noch etwas stört mich: „Wenn jemand im Alter auf die Dividenden angewiesen ist..“ Also wie viel Werte in Aktien muss man haben, damit Dividenden einen wesentlichen Anteil am Einkommen ausmachen? Macht es dies „im Alter“, reicht Substanzverzehr weiter als Dividenden um sich bis zum Tod zu finanzieren. Niemand ist auf Dividenden angewiesen.
Eigentlich ist es einfach: Wenn Dividendenrendite(%) > 100/Restlebensdauer, dann behalten, sonst verkaufen. Natürlich kennt man seine Restlebensdauer nicht, aber sie lässt sich statistisch abschätzen. Und die Frage ist auch, was will man seinen Erben hinterlassen: ein hübsches Aktiendepot oder nix (wenn man das Geld aus den Aktienverkäufen aufbraucht).
Die Erben kommen ja ohne Dividenden jetzt auch zurecht. Angewiesen auf Dividenden / Zinsen ist
das Kapital, und sonst braucht das Zeugs niemand.
Die Erben sollen die Substanz dann wieder ihren Erben übermachen und so weiter und so weiter: Niemand darf die Substanz verbrauchen, das ist Frevel im Kapitalismus, den die Substanz ist die Basis der Besitzrente, aber wenn die nicht verbraucht werden kann, ist die eigentlich auch niemandem nützlich. Man sagt dann gerne, die Dividende käme eben aus der Substanz. Nonsense, sie kommt aus der Differenz was die Kunden bezahlen und die Mitarbeiter für die Arbeit erhalten, sie berechtigt nur dazu, den Mitarbeitern weniger zu zahlen, als die Kunden für das Produkt ihrer Arbeit bezahlen.
„Wenn Dividendenrendite(%) > 100/Restlebensdauer,…“eben, und „im Alter“ ist die das zur Zeit nicht. Die besten Ausschüttungszeiten (steuerfrei Kapitalrückzahlungen) sind vorbei, die Kurse viel schneller gestiegen als die Dividenden.
Dazu habe ich Bedenken, dass gerade „Dividendenperlen“, wegen Null- oder gar Negativzinsen, von Anlegern gehalten werden, deren objektive oder subjektive Risikofähigkeit nicht Aktien entspricht. Viele, die heute sagen, ich habe eine langfristige Strategie, mich interessiert die Dividende, nicht die Aktienkurse, werden in Panik verkaufen, wenn es deutlich abwärts geht. Und am Ende der Baisse sind jeweils auch erstklassige Titel spottbillig. Mit den Kursen, die Nestle haben kann, wenn es abwärts geht, haben Dividendlipicker keine Erfahrung.
Darum halte ich die Kompromisslösung von @Werner für die beste. Einen Teil verkaufen. Das Engagement wieder auf den nominalen Anteil des Einstiegs zurückfahren, zum Beispiel. Wer einen Teil verkauft, kann sich freuen über weitere Gewinne auf den anderen, und irgendwie sich sogar freuen über Verluste, weil er mit mehr wieder einsteigen kann (wann ist da der Zeitpunkt? Nicht solange es fällt). Das freut ihn kaum wirklich, aber der Gedanke, sogar wieder billig zu(rück)kaufen zu können hilft zumindest, Panik beim Verkauf des Rests zu vermeiden und ganz sicher hat man nicht alles im dümmsten Moment verkauft: Am Gewinne mitnehmen ging noch keiner pleite!
Und irgendwann muss man Gewinne mitnehmen, denn irgendwann ist jede Aktie auch wieder wertlos.