Riskantes Spiel mit Anteilscheinen

Nicht ohne Risiko: Bevor man Anteilscheine einer Bank kauft, sollte man sich einige Gedanken machen. Foto: iStock
Ich habe von meiner Raiffeisen-Bank die Zusage für zusätzliche 100’000 Franken im Rahmen unseres Hypothekenvertrages, die ich aber noch nicht brauche. Nun kam mir folgender Gedanke: Wir könnten doch die 100’000 Franken als Hypothek beziehen, diese dann aber bei derselben Bank als Anteilscheine investieren. Die Anteilscheine werden mit 2,75 Prozent verzinst. Das wäre ja direkt noch ein Geschäft bei den tiefen Zinsen. Ist das zu schön, um wahr zu sein? B.S.
Was auf den ersten Blick für Sie als schönes Geschäft aussieht, hat aus meiner Sicht einen groben Haken. Sie können zwar durchaus die zusätzlichen 100’000 Franken von der Bank als Hypothek beziehen, zumal bei Ihnen die Tragbarkeit offenbar gegeben ist und Ihnen die Bank vertraglich eine Zusage für diese Zusatztranche bereits gegeben hat. Sie würden zweifellos für diese Tranche nur wenig Zins zahlen. Selbst wenn es 1 Prozent wären, bliebe Ihnen unter dem Strich eine schöne Rendite auf den Anteilscheinen.
Ich verstehe, dass Sie diese vermeintlich sichere Rendite lockt. Das Problem ist aber, dass Sie das geliehene Geld in eine Anlage investieren, die keineswegs risikolos ist. Als Inhaber von Anteilscheinen tragen Sie das Risiko der Bank voll mit. Das Geld, das Sie – ob geliehen oder nicht – in Anteilscheine von Raiffeisen investieren, ist im Konkursfall nicht durch die gesetzliche Einlagensicherung der Schweizer Banken gedeckt.
Vielmehr gehen Sie ein vergleichbar grosses Risiko ein, wenn Sie Aktien von einer Bank kaufen. Wenn etwas schiefgeht mit der Bank, müssen es die Aktionäre ausbaden. So ist es auch, wenn Sie Anteilscheine von Raiffeisen halten. Konkret kann der Verwaltungsrat Ihrer lokalen Raiffeisenbank eine Rückzahlung der Anteilscheine ohne Angabe von Gründen verweigern, etwa dann, falls die Eigenmittel der Raiffeisen-Gruppe den gesetzlichen Eigenmittelanforderungen nicht genügen.
Sie müssen sich auch bewusst sein, dass die zur Raiffeisen-Gruppe gehörenden Raiffeisenbanken und Raiffeisen Schweiz einen Haftungsverbund bilden und einer Reihe von Risiken ausgesetzt sind, die sich aus ihrer Geschäftstätigkeit ergeben. Im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass Sie das in die Anteilscheine investierte Geld vollständig verlieren.
Nun ist es ja nicht so, dass Raiffeisen besonders riskant arbeitet oder speziell gefährdet wäre. Trotzdem müssen Sie vor einer Anlage genau wissen, welche Risiken Sie tragen müssten – vor allem im schlimmsten Fall, selbst wenn Sie diesen nie erwarten und ein solcher derzeit auch nicht absehbar ist.
Bevor man Anteilscheine – oder bei anderen Gesellschaften Aktien – einer Bank kauft, sollte man sich fragen, ob man in Kauf nehmen kann, dass man im schlimmsten Fall seinen Kapitaleinsatz verliert. Erst recht problematisch wäre dies, wenn das investierte Geld noch geliehen wäre – nämlich im Rahmen der Hypothek. Sie würde Geld verlieren, das Ihnen gar nicht gehört, und müssten das Kapital einschiessen.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt, gering ist, rate ich Ihnen von Ihrem Vorhaben ab. Angesichts der effektiven Risiken, die Sie eingehen würden, finde ich Ihre verbleibende Rendite von vielleicht rund 1,75 Prozent keineswegs mehr attraktiv. Dazu kommt, dass die Verzinsung der Anteilscheine nicht in der bisherigen Höhe garantiert ist. Der Zins wird von der Generalversammlung jeweils aufgrund der Geschäftsentwicklung festgelegt und kann künftig auch geringer sein.
Den Hypozins müssten Sie aber sicher zahlen, auch wenn Ihre Rendite nicht mehr gleich hoch wäre. Ich habe auch grundsätzlich Bedenken: Aus meiner Sicht sollte man nicht mit geliehenem Geld Anlagen tätigen, sondern nur Geld investieren, das man auch tatsächlich besitzt.
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