Vor den Ferien die Gewinne abschöpfen

Handelsstreit und die sich abschwächende Wachstumsdynamik: Über die Sommerferien muss an den Börsen mit starken Turbulenzen gerechnet werde. Foto: Getty Images
Ich habe in meinem Depot einen hohen Aktienanteil. Nachdem der Swiss-Market-Index im Juni neue Rekordstände erreichte, bin ich unsicher geworden. Erwarten Sie weiter steigende Kurse? Was soll ich tun? G.T.
Allein die Tatsache, dass einige Börsenindizes phasenweise Rekordstände erreicht hatten, muss sie nicht beunruhigen. Das sind ohnehin immer nur Momentaufnahmen. Wichtiger sind für Sie der längere Marktrend und die Frage, was die aktuelle Hausse noch weiter nähren oder allenfalls sogar zum Absturz bringen könnte.
In den letzten paar Wochen waren die Aktienmärkte stark von der Geldpolitik getrieben. Die Erwartung einer Zinssenkung in den USA hat die Indizes steigen lassen. Zwar hat die US-Notenbank an Ihrer Sitzung im Juni die Leitsätze unverändert gelassen. Mehrheitlich wurde das so erwartet. Die Marktteilnehmer rechnen aber damit, dass die US-Notenbank die Zinsen im weiteren Jahresverlauf um mindestens 25 Basispunkte oder sogar um 50 Basispunkte reduzieren könnte.
Falls diese Erwartungen nicht erfüllt würden, käme es wohl zu starken Rückschlägen. Tiefe Zinsen sind an sich gut für Aktien. Als Anleger würde ich mir aber die Frage stellen, warum denn die US-Notenbank eine Zinswende vollzieht und die Zinsen wieder senkt. Die Antwort auf diese Frage ist besorgniserregend.
Der Grund für die erwartete Zinssenkung ist der Handelsstreit zwischen den USA und China und die negativen Konsequenzen daraus für die US-Wirtschaft und die Weltwirtschaft. Die US-Notenbank will mit Zinssenkungen verhindern, dass die US-Wirtschaft ins Stottern kommt. Tatsächlich muss mit einer Abschwächung der Weltwirtschaft gerechnet werden, was nicht nur in den USA, sondern auch bei uns negative Folgen zeigen dürfte. Darunter leiden dürften insbesondere die zahlreichen stark vom Export abhängigen Unternehmen in der Schweiz.
Den Handelsstreit und die sich abschwächende Wachstumsdynamik stufe ich derzeit als grosse Risiken für die Börsen ein. Darüber hinaus sind die Märkte aber mit einer Vielzahl von weiteren Unsicherheitsfaktoren konfrontiert. Neben dem Brexit, dem Austritt von Grossbritannien aus der EU voraussichtlich im kommenden Oktober sowie dem nicht gelösten Budgetstreit zwischen der EU und dem Schuldenland Italien könnten vor allem geopolitische Ereignisse die aktuelle Hausse beenden. Es braucht wenig, dass die Spannungen zwischen den USA und dem Iran zunehmen und sich daraus eine heikle militärische Konfrontation entwickelt.
Auch die politische Lage in der Türkei und in anderen Konfliktherden weltweit könnte die Finanzmärkte über den Sommer noch stärker verunsichern und die Kauflust der Investoren vermiesen. Persönlich stufe ich die Risiken für die Märkte momentan als grösser ein als die Chancen. Mich würde es nicht erstaunen, wenn wir angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren über die Sommermonate die eine oder andere Korrektur sehen würden.
Nachdem Sie mir schreiben, dass Sie einen hohen Aktienanteil in Ihrem Depot aufweisen und sich Sorgen machen, würde ich wenigstens einen Teil Ihrer Kursgewinne realisieren und den Aktienanteil senken. Ich gehe davon aus, dass Sie im weiteren Jahresverlauf die Chance haben, den einen oder anderen Titel wieder günstiger einzukaufen.
Ein Kommentar zu «Vor den Ferien die Gewinne abschöpfen»
Stimme mit den geschilderten Tendenzen überein. Und doch: wer nicht mal 2-3 Wochen Ferien machen kann, ohne sein Depot zu checken, hat vorher vermutlich strategisch geschlafen.