Der Politpoker mit der EU verunsichert Anleger

Wie weiter mit der EU? Als Anleger lohnt es sich in jedem Fall, die weitere politische Debatte um das EU-Rahmenabkommen und die damit verknüpfte Börsenäquivalenz gut im Auge zu behalten. Foto: iStock
Was bedeutet es für unsere an der Schweizer Börse gekauften Aktien u.a. von Total, Shell oder Deutsche Bank, wenn die Börsenäquivalenz durch die EU aufgehoben wird? M.W.
Nachdem die EU die Äquivalenz für die Schweizer Börse für sechs Monate verlängert hatte, bekam unser Finanzplatz mehr Zeit. Ende Juni indes könnte Schluss sein. Die EU versucht, die Schweiz mit der Börsenäquivalenz zu erpressen und ein Rahmenabkommen zu erzwingen. Zwar hat der Bundesrat das ausgehandelte Rahmenabkommen mit der EU in die Konsultation geschickt. Das Abkommen stösst indes in breiten Kreisen auf Kritik und Ablehnung.
Diese Börsenäquivalenz ist für die Schweizer Börse von hoher Bedeutung, da ein grosser Teil des hierzulande an der Börse getätigten Handelsvolumens aus der EU kommt. Konkret entfällt rund die Hälfte des Handelsvolumens an der Schweizer Börse auf Investoren und Finanzinstitute aus dem EU-Raum. Falls die EU unsere Börsenregeln nicht anerkennen würde, dürfte die Schweizer Börse einen Teil ihres Handelsvolumens verlieren.
Darum hatte der Bundesrat noch im letzten Jahr Schutzmassnahmen für die Schweizer Börseninfrastruktur in Kraft gesetzt. Während der Verlängerung der Börsenäquivalenz der EU bis Ende Juni haben diese keine Wirkung. Falls die Börsenäquivalenz danach nicht mehr gewährleistet wäre, stellen die Schutzmassnahmen sicher, dass EU-Marktteilnehmer weiter Zugang zum Schweizer Binnenmarkt hätten und dort Schweizer Aktien handeln könnten, da Anleger Titel dort handeln möchten, wo die höchste Liquidität in den Papieren gegeben und die Differenzen zwischen Kaufs- und Verkaufskurs möglichst gering ist.
Ihre Frage nun bezieht sich nicht auf die typischen Schweizer Aktien wie Roche, Novartis oder Nestlé, die auch international gesucht sind, sondern auf Titel von Unternehmen, die aus dem Ausland stammen und in erster Linie an Börsen im Ausland kotiert sind. Auf meine Anfrage hin erklärte Jürg Schneider, Head Media Relations, der Börsenbetreiber SIX dazu: «Der Kauf und Verkauf von an der SIX nur zum Handel zugelassenen Aktien wie Total, Shell etc. müsste voraussichtlich von Investoren an der ausländischen Primärbörse dieser Titel getätigt werden, wobei der Handel in an SIX primärkotierten ausländischen Aktien weiterhin von Investoren über Schweizer Wertpapierhändler an der SIX getätigt werden kann.»
Bezüglich allfälliger negativer Auswirkungen für Sie als Anleger konnte er sich nicht äussern, wies aber darauf hin: «Technisch gäbe es noch eine Unterscheidung zwischen Aktien in unserem Sponsored-Foreign-Shares-Segment, welche nur zum Handel zugelassen und nicht kotiert sind wie DB, Shell, Total und bei uns primärkotierten Aktien von ausländischen Firmen wie AMS, KTM etc.»
Direkten Handlungsbedarf als Inhaber von Aktien wie Total, Shell oder Deutsche Bank sehe ich kurzfristig nicht. Erstens wurde die Börsenäquivalenz vorderhand verlängert. Zweitens ist keineswegs sicher, dass die EU der Schweiz diese auch nach dem Sommer nicht nochmals verlängert.
Abgesehen vom politischen Druckmittel, macht eine Verweigerung einer dauerhaften Börsenäquivalenz aus meiner Sicht auch für die EU letztlich keinen Sinn. Als Anleger würde ich aber die weitere politische Debatte um das EU-Rahmenabkommen und die damit verknüpfte Börsenäquivalenz gut im Auge behalten.
4 Kommentare zu «Der Politpoker mit der EU verunsichert Anleger»
Gerade Sie Herr Spieler als Finanzmärkteverstehglauber, sollten sich Bewusstsein weshalb die Börsenaquivalenz der EU wirklich auf dem Verhandlungstablet steht. Erpressung ist es kaum. Kann kurzsichtig so aufgefasst werden. Wenn man aber weiter und tiefer blickt, kommt schon bald die schlaue Einsicht mit den möglichen Folgen des Brexit für EU. Natürlich wird die EU Sache gerne als Stur oder gar blöd von hier und anderswo betrachtet, in Tat und Wahrheit, müssten viele früher aufstehen, um halbwegs zu kapieren, was wirklich Sache der EU Vertragswerkes ist. Die Vorteile des EU Klubs überwiegen bei weitem und sind zukunftsfähiger im globalen Markt als mancher glaubt.
Es ist das gute Recht der EU der Schweiz die Börsenäquivalenz nicht zu erteilen. Da dies etwas ist, was in gegenseitigem Interesse ist, und die EU diese anderen Staaten ohne sonstige Bedienungen gewährt hat, ist der Vorwurf der Erpressung dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen.
Welche Vorteile? Ich sehe hauptsächlich Nachteile, mehr beim Unterwerfungsvertrag (Rahmenabkommen), als bei einem möglichen Beitritt zur EU.
„Die EU versucht, die Schweiz mit der Börsenäquivalenz zu erpressen…“
Da habe ich eine andere Meinung (ohne dass dies jetzt mein juristisches Spezialgebiet wäre): Was bei SIKA passierte, nämlich die Übernahme der Stimmenmehrheit ohne ein Angebot an die Kapitalmehrheit, wäre kaum möglich gewesen, wenn SIKA an einer europäischen Börse kotiert gewesen wäre. Die Regeln sind nicht äquivalent.
Total, Royal Dutch & Co. über die Schweizer Börse zu kaufen, halte ich ohnehin nicht für sinnvoll: Der Handel ist viel zu illiquid. Heute wurden noch keine Aktien der Deutschen Bank oder von Total an der SIX gehandelt, von Royal Dutch eine Transaktion, 200 Stk.
Der Informationsgehalt der Antwort von Hr. Spieler ist schlichtweg „Null“. Zuerst folgt die Erklärung warum es bei der Börsenaquivalenz geht, dann kommt ein Vertreter von SIX zum Zug und erläutert die Auswirkungen für SIX. Anschliessend das Eingeständnis „Bezüglich allfälliger negativer Auswirkungen für Sie als Anleger konnte er sich nicht äussern“.
Trotzdem kommt Hr. Spieler zum Schluss „als Anleger würde ich aber die weitere politische Debatte um das EU-Rahmenabkommen und die damit verknüpfte Börsenäquivalenz gut im Auge behalten.“
Also: warum ist die Börsenaquivalenz aus Anlegersicht relevant – entstehen höhere Transaktionskosten, wenn ein Titel an einem ausl. Börsenplatz gehandelt werden muss?