Was wollen eigentlich die Chinesen von uns?

Auf dem Weg zur grössten Wirtschaftsmacht der Welt: Übernahmen im Ausland sind für China ein Mittel, um zusätzliches Wissen zu gewinnen. Foto: Keystone

Mich beschäftigt zurzeit diese Frage: Warum kaufen die Chinesen weltweit so viele Firmen auf, wie zum Beispiel die Lista? Nur Macht kann es nicht sein, Konkurrenz auszuschalten sicher, aber irgendwie habe ich das Gefühl, es muss noch mehr dahinterstecken! Das bleibt mir als Nicht-Finanzprofi absolut schleierhaft. F.G.

Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY ist die Zahl chinesischer Zukäufe in Europa rückläufig.

Im ersten Semester 2018 kam es im Vergleich zum Vorjahr zu zwölf Prozent weniger Übernahmen und Unternehmensbeteiligungen in Europa mit chinesischer Beteiligung. Das Investitionsvolumen hat sich von 31,6 auf 14,9 Milliarden US-Dollar halbiert.

Dennoch kommt es auch hierzulande immer wieder zu Akquisitionen seitens chinesischer Investoren, wie das von Ihnen erwähnte Beispiel Lista zeigt. Noch weit grössere Dimensionen umfasste der Kauf der damals noch börsenkotierten Syngenta durch die chinesische Chemchina. Auch Vorzeigeunternehmen wie Swissport oder Gategroup sind in chinesischer Hand.

Den chinesischen Investoren geht es einerseits wie jedem anderen auch. Sie müssen attraktive Unternehmen finden, um Rendite zu erwirtschaften. Sie suchen aber anders als die meisten US-Investoren nicht das schnelle Geld.

Im Fall von China erachte ich anderseits einen ganz anderen Aspekt als mindestens so relevant: Ein wichtiger Beweggrund für Akquisitionen durch chinesische Investoren, welche oft durch staatsnahe Betriebe erfolgen, ist der Know-how-Transfer.

Indem man eine Firma kauft, erhält man nicht nur ein hoffentlich florierendes Geschäft, sondern vor allem auch spezifisches Wissen. Das kann technisches Wissen sein, etwa im Falle von Industrie- und Technologiebeteiligungen, Pharma-Know-how im Sektor Biotech- und Medizinaltechnik oder auch Fertigung wie im Fall der im Bereich Betriebs- und Lagereinrichtung tätigen Lista.

Hier liegt aus meiner Sicht der grösste Wert von Akquisitionen für die Chinesen: Sie können das Firmen-Know-how in der Tiefe ausloten und auch in vergleichbaren Anwendungen später in China nutzen. Man kauft sich faktisch Innovationen und kann so die Wirtschaft schneller voranbringen.

In dieses Bild passt auch, dass westliche Firmen im Gegenzug für den Marktzugang oft gegen ihren Willen Technologien aushändigen müssen. Auch so verschafft sich China wichtiges Know-how.

Mit ehrgeizigen Entwicklungsprojekten will Chinas Präsident und Parteichef Xi Jinping das Reich der Mitte sowohl wirtschaftlich als auch technologisch in die Zukunft führen. Übernahmen im Ausland sind ein Mittel, um auf dem Weg Chinas zur grössten Volkswirtschaft der Welt zusätzlich Wissen zu gewinnen.

Dass US-Präsident Trump im Handelsstreit auch Europa angreift und mündlich sogar als Feind tituliert hat, dürfte den Chinesen in europäischen Ländern in die Hände spielen und sogar die eine oder andere Türe öffnen. So dürfte der Handelsstreit für die USA auch in dieser Hinsicht zum Bumerang werden.

10 Kommentare zu «Was wollen eigentlich die Chinesen von uns?»

  • Chris Fürst sagt:

    Man kann sich jetzt über die Chinesen aufregen oder aber die Konsequenzen daraus ziehen. Diese machen viel sehr schlau und lassen sich weder im Internet noch im Finanzwesen von den Amis gängeln! Während die Banken bei uns nur Investitionen im Verhältnis 1:4 finanzieren (25%) Eigenkapital, finanzieren die Chinesen derzeit mit einem Hebel von 1:40 (2.5%) Eigenkapital. Damit sind solche Akquisen weltweit problemlos möglich. Weil sie eben nicht die kurzfristige Rendite im Auge haben, sind diese Investionen für das Land äusserst nachhaltig. An China kann sich jedes Entwicklungsland ein Beispiel nehmen, so macht man es, wenn man als Land erfoglreich wachsen will.

    • Claudio Hammer sagt:

      Fürst: So dachten die Japaner auch mal bis 1990 und kauften die halbe Welt auf Pump.
      Dann krachte der Nikkei ein und fertig waren die japanischen Expansionsträume und sie mussten ihre Assets wieder verscherbeln. Seither dümpelt Japan mit praktisch Nullzinsen dahin und hat die höchste Staatsverschuldung der Welt, immerhin in der Eigenwährung.
      Immer wieder erstaunlich, dass es Leute gibt, die meinen ein bis zu 40fachen Fremdkapitalleverage sei „nachhaltig“.
      China (alle Marktteilnehmer) hat seine Gesamtschulden in den letzten 5 Jahren von 16 auf 32 Billionen $ verdoppelt. Das ganze Wachstum wurde praktisch mit Schulden finanziert. Bei 6.7% (offiziellen Zahlen, ob die auch stimmen ist ein anderes Thema) geht das eine Weile, aber „nachhaltig“ wird das kaum sein!

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    chinesische (gross)investoren wollen primär im westen an macht und einfluss gewinnen. daneben ebnet man felder für ausländische luxus-nischen-produkte für privilegierte innerhalb des binnenmarktes. (z.b. weingüter). der westen sollte vorsichtig sein mit dem ausverkauf der unternehmen an die chinesen. das kommt nicht gut.

  • Michael sagt:

    So scheint es zu sein ! Der KnowHow Transfer wird die treibende Kraft hinter den ganzen Aufkäufen der Chinesen sein. Zwar ticken Chinesen gänzlich anders als wir Grossaugen, aber wenn es um die Steigerung von Macht und Einfluss geht, müssen die Chnesen nach unseren westlichen Spielregeln spielen. Ergo müssen sie ihre Geldmittel einsetzten, Firmen aufkaufen und das KnowHow nach China transportieren. Das sollte jedem Firmanchef gewahr sein, wenn er mit dem Gedanken spielt, sich Chinesen in sein Unternehmen reinzuholen. Ist nur die Frage, was ihm näher ist. Sein Kontostand oder seine Firma für die Schweiz zu bewahren. Ein weisses Kreuz in der Fahne lässt sich leicht gelb einfärben….

    • Claudio Hammer sagt:

      Michael: Na ja das mit dem Know-How Transfer war vor 10-20 Jahren mal so. Da haben die Chinesen viel an Wissen „geklaut“ vom Westen. Inzwischen sind die in vielen Bereichen schon einiges weiter entwickelt als wir, aber nicht ganz so dämlich wie wir damals, ihre chinesischen Firmen inkl. Know How für ein paar Silberlinge zu verscherbeln.
      .
      Schon 2016 publizierten chinesische Wissenschaftler in den seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften (die mit peer review) mit 426’000 erstmals mehr als die Amis (409’000) trotz all der US Top Universitäten.
      R&D Ausgaben stagnieren in den USA bei 500 Mrd $, die chinesischen mit 400 Mrd $ sind noch rapide am steigen.
      .
      Wir sollten bald mal beginnen Know How von den Chinesen zu „klauen“!

  • Jürg Brechbühl sagt:

    Richtig ist, dass es um den Transfer von Fachwissen geht. Allerdings sollte man das nicht auf das wirtschaftliche begrenzt sehen.
    „Staatsnaher Betrieb“ ist eine Beschönigung. Es geht letztlich darum, die chinesische Volksarmee zu einer global dominierenden Supermacht aufzurüsten, mit Stützpunkten in Südamerika, Ostafrika und im ganzen Asien. Der nächste grosse Panzerkrieg wird in der Mandschurei gekämpft werden gegen Russland, um die dortigen Ackerländer zu sichern. Der nächste Kolonialkrieg wird in Kenya, Uganda und Tanzania gekämpft werden um denselben Zweck.

  • Jürg Brechbühl sagt:

    Vor zehn Tagen in der „Schweiz am Wochenende“ die Schlagzeile, dass Huawei sich bei der ETH Zürich einkauft und den direkten know how Transfer aus der Schweizer Spitzenforschung direkt ab pipeline bekommt.
    Damit erreichen wir eine andere Dimension, wenn wir mit unseren Steuergeldern die chinesische Volksarmee und die chinesische Staatssicherheitspolizei mit künstlicher Intelligenz nach dem neuesten Stand der Wissenschaft versehen. Syngenta war vom wissenschaftlichen her sehr rasch am Veralten, in ihrem Spezialgebiet mehr oder weniger abgehalftert. Sie war im Eigentum amerikansicher Pensionskassen und wurde von britische Mänätschern geführt. Mit der Schweiz, mit unserer Spitzenforschung und mit uns Steuerzahlern hatte das nur wenig zu tun.
    Jürg Brechbühl, Eggiwil, Diplombiologe UniBE

  • Sacha Meier sagt:

    China hat 1990 mit Deng Xiao-Pings «Drittem Weg» einen neuen Zivilisationszyklus gestartet. Und das höchst erfolgreich, da keine Demokratien die Entscheide der Partei (neuerdings die des chinesischen Kaiser Xi Jin-Ping) in Frage stellen. Der Westen hat sich nun einmal mit seiner Neuauflage des altrömischen Reichsgeschäftsmodells eine moderne, postindustrielle Konsum-, DL- und Staatswirtschaftsgesellschaft angelacht, während China als moderner Barbar den Part des Billigporduzenten übernommen hat. Während wir wegen unserer negativen volkswirtchaftlichen Wertschöpfung irgendwann untergehen, steigt China auf. Weil es kein Zurück gibt, ist es auch sinnvoll, alle Reste unseres früheren industriellen Daseins an China zu verkaufen, ggf. sogar zu verschenken. So liegen Technologien nicht brach.

  • Albert Fiechter sagt:

    Die Chinesen verfolgen das alte kommunistische Ziel: die Beherrschung der Welt. Nun nicht mehr blutig, sondern mit dem Checkbuch.

  • Willem Lammers sagt:

    Die USA haben die Welt seit über 70 Jahren militärisch, diplomatisch, wirtschaftlich, kulturell und mittels klandestine Strategien beherrscht. Dieses Imperium neigt sich dem Ende zu. Militärisch und wirtschaftlich treten die Chinesen die Nachfolge an. Diplomatisch profiliert Xi Jin Ping sich auch mit einer weltumspannenden diplomatischen Vision, während Trump alle bestehenden Allianzen zerbrechen lässt. Kulturell haben die Chinesen aber kaum Exportprodukte wie Demokratie oder Hollywood, die einen Chinesischen Hegemon brauchen würde um für den Rest der Welt attraktiv sein zu können. Wir können mit interessanten Zeiten rechnen.

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