Werden ETFs zum Bumerang?

Opfer des eigenen Erfolgs? Noch nie waren so gewaltige Geldbeträge in ETFs parkiert. Foto: iStock

Meine Bank nutzt bei der Vermögensverwaltung vor allem ETFs. Diese werden auch oft empfohlen, zum Teil auch Zertifikate. Doch welche Risiken gehen wir mit diesen Instrumenten ein? A. P.

In erster Linie tragen Sie das Marktrisiko. Mit einem Exchange Traded Fund (ETF), der an den Swiss-Market-Index gekoppelt ist oder von einem Zertifikat des Schweizer Aktienmarkts abgedeckt wird, sind Sie den Kursschwankungen des SMI ausgesetzt. Sie partizipieren, wenn der SMI steigt, sind aber ebenso mit an Bord, wenn der Markt in den Keller rauscht.

Der grosse Vorteil dieser Instrumente besteht darin, dass man mit geringen Gebühren ganze Märkte oder Anlageklassen abdecken und so auch mit wenig Kapitaleinsatz eine sehr breite Diversifikation erreichen kann. ETFs unterlegen als Sicherheit die Anlagen vielfach mit Sondervermögen. Im Konkursfall bleibt dieses Sondervermögen unangetastet. Erhöht wird die Sicherheit zudem, indem man ETFs mit physischer Replikation nutzt.

Zertifikate, welche als Schuldverschreibung strukturiert sind, beinhalten indes ein Emittentenrisiko. Bei einem Zusammenbruch der Bank, welche das Produkt emittiert hat, droht für Sie als Anleger ein Totalausfall. Sie erinnern sich an Lehman Brothers.

Weil ETFs leicht gehandelt werden können und eine hohe Transparenz aufweisen, sind sie über die Diversifikationsmöglichkeiten und tiefen Gebühren hinaus nicht nur bei Privaten, sondern auch bei institutionellen Investoren sehr beliebt.

Der enorme Erfolg der ETFs könnte sich unter Umständen aber in einer Krisensituation auch als Bumerang erweisen. So sehr ich selbst die Vorteile von ETFs schätze und diese auch im Rahmen meiner Kolumnen und Blogs regelmässig empfehle, frage ich mich, welche Wirkung die enormen Summen entfalten werden, wenn wir das nächste Mal einen grossen Crash an den Finanzmärkten erleben.

Noch nie waren so gewaltige Geldbeträge in ETFs parkiert. Was passiert, wenn eine Vielzahl von Investoren im Zuge eines Crashs aus den ETFs aussteigen will? Wird der phänomenale Erfolg der ETFs gar zum Systemrisiko? Inwiefern werden die ETFs den Abwärtstrend in einem Crash sogar noch deutlich verstärken? Und kann die nötige Liquidität auch dann noch garantiert werden?

Ich habe selbst keine Antwort auf die Fragen, zumal wir für überzeugende Antworten noch über zu wenig Erfahrungswerte verfügen. Meines Erachtens braucht es über diese Fragestellungen eine breitere Debatte im Finanzsektor.

Jedenfalls sollten Anleger, die wie Sie einen Grossteil ihres Vermögens in ETFs halten, die möglichen Gefahren, welche der Erfolg dieser Instrumente wahrscheinlich beinhaltet, im Hinterkopf behalten und bei Ihren Risikoabwägungen mitberücksichtigen.

9 Kommentare zu «Werden ETFs zum Bumerang?»

  • Karl Knapp sagt:

    Machern wir es uns doch einfach: wenn Warren Buffet die Wahl hätte, „Sondervermögen“, ETF mit „physischer Replikation“ oder Vollgeld in seinem Keller zu bunkern, was würde er wohl tun ? Habe schon fertig.

  • Marc Holdener sagt:

    Danke Hr. Spieler, ineressiert mich auch. Evtl. müsste man die Verhältnisse Marktkapitalisierung / ETF Volumen in allen Varianten analysieren. Weiter: Rechtliche Risiken, Gerichtsstand, Art der Liquidation, Sorgfaltspflicht bei Securities Lending, versteckte Kosten, unbekannte Marktmanipulationen wegen horrenden Volumen bei Rebalancing, Transparenz allgemein. Die Vorteile der ETF sind gut dokumentiert, doch sagt mir mein Instinkt, dass die nächste Krise von den ETF beschleunigt wird.

  • Andreas Ochsenbein sagt:

    Die im Blog genannten Bedenken sind richtig und sehr zurückhaltend formuliert. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), den der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, leitet, hat Vorschläge unterbreitet, mit denen systemische Risiken der Fondsbranche angegangen werden sollen. Die Fondsgesellschaften und deren Aufsicht wollen es den Anlegern in Krisenzeiten verbieten, ihre ETF verkaufen. Toll, ausgerechnet dann, wenn die Kurse abstürzen, dürfen die Anleger nicht mehr verkaufen. Und hier das Sahnehäubchen: die so geschützten ETF-Gesellschaften mit physischer Replikation verleihen ihre Aktien an Short Sellers, welche die Kurse drücken und bei Kursstürzen das grosse Geschäft machen. Und in der Schweiz sind Leerverkäufe praktisch geheim.

    • Christoph Bögli sagt:

      Das panische Verkaufen bei sinkenden Kursen ist aber ja gerade das, was den Absturz antreibt. Das gilt für Algorithmen wie manuelle Kleinanleger gleichermassen. Mechanismen, die solche Herdeneffekte verhindern oder verzögern wären darum durchaus begrüssenswert, gerade in heutigen Zeiten wo solches oft Sekundenbruchteilen und damit viel zu schnell geschieht.

  • Kurt Seiler sagt:

    Warum sollte ich ein Produkt einer Bank kaufen das mir irgendetwas verspricht.
    Kurzfristig vielleicht ja noch.
    Aber langfristig hab ich auf so was keine Lust.

  • Monique Schweizer sagt:

    2008 erreichte die wundersame Wertschöpfung mit ETF noch 0.7 Billionen $, 2017 warens schon 4.4 Bio $ und 2020 sollens schon 7.6 Billionen sein!
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    im Bezug z.B. auf die globalen Aktienmarktbewertungen von rund 85 Bio $ oder die Weltgoldbestände von rund 8 Bio $ noch vergleichsweise wenig, aber eben wenn es mal richtig kracht, könnte der ETF Wert auch gegen Null zustreben, dass ist ähnlich wie die Krypto-Mickey-Mouse Vermögen – solange alle dran glauben funktionierts – war doch auch schon bei den CDO, CDS etc. vor 2007 so…
    Vor allem wenn den ETF so ein hohes Volumenwachstum vorausgesagt wird, irgendwann werden auch die sich als toxisch erweisen…und dann will sie keiner mehr… mit etwas Glück landen sie dann in einem Giftschrank einer Zentralbank oder verfallen gleich wertfrei

  • Jean Gilette sagt:

    @Monique Das Klischee von Frauen, welche sich nicht für Finanzen- u. Wertschriften interessieren, risikoavers sind und keine Ahnung von ETFs haben scheint wieder bestätigt zu sein. Schade, denn das ist eine vertane Chance.

    • Monique Schweizer sagt:

      Jean: Vermutlich hätten Sie auch vor ca 12 Jahren schon geschrieben, wer keine dieser Subprimebonds kaufe (oder alternativ noch ein Zinspremium in Island einheimse etc), interessiere sich nicht für Finanzen und Wertschriften, ist risikoavers und habe keine Ahnung – schade um die vertane Chance…
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      Reden wir dann in 10 Jahren nochmals über die ETF’s…
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      PS Ich habe eine paar Jahre lang multiple strukturierte Derivate auseinandergebeinelt und nach dem fair Value Prinzip und Accounting Principles bewertet und mit den grossen Assetblasen der letzten paar Hundert Jahre kenne ich mich auch ganz gut aus, ebenso mit den heutigen globalen Assets aller Art und den Liabilities ebenso aller Akteure.
      Dies einfach noch so nebenbei!

      Verdienen Sie denn Ihre Brötli mit ETF’s Jean Gilette?

  • Jean Gilette sagt:

    @Monique Geschätzte Monique. Das hört sich an wie aus „back to the future“. Warts Du auch schon in Rotterdam, als die Tulpen-Blase platzte? ;)) Gerne können wir uns auf ein Bier treffen – und weiter philosophieren.

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