Hoher Zins bedeutet hohe Absturzgefahr

Gefährlicher Seiltanz: Wer im aktuellen Tiefzinsumfeld hohe Renditen erzielen will, geht in der Regel ein Risiko ein. Foto: Getty Images
Ich bin auf eine interessante festverzinsliche Obligation zu 6,25 Prozent Zins pro Jahr gestossen: Enespa for Renewable Energy. Dies ist eine Firma, die in den Betrieb von Kunststoffrecycling-Anlagen investiert. Ist es ein Risiko, in eine solche Firma zu investieren? H.B.
Die Aktiengesellschaft mit Adresse in Appenzell sucht derzeit via Internet Kapital, um eine Recyclinganlage zu realisieren. Dabei versprechen die Kapitalsucher, dass sie in der Lage sind, Abfallkunststoff «sauber und sinnvoll zu hochwertigem Rohöl» wieder zu verarbeiten. Nachdem eine Pilotanlage erfolgreich gewesen sei, werde nun der Bau einer Anlage mit einer höheren Kapazität geplant. Die Verträge für In-, Output und Standorte seien abgeschlossen. Aus dem Gewinn des ersten Standortes sollen später weitere Anlagen gebaut werden.
Wie realistisch dieses Geschäftsmodell ist und ob die von den Kapitalsuchern als innovative Errungenschaft angepriesene Methode tatsächlich funktioniert, kann ich absolut nicht beurteilen. Ich kann Ihnen aber mit Sicherheit sagen, dass für Sie eine Investition keineswegs risikolos ist. Bei einer Obligation hängt das Risiko in erster Linie von der Bonität und den Sicherheiten ab, welche der Kapitalnehmer bietet.
Im konkreten Fall der von Ihnen erwähnten Firma besteht kein Kreditrating einer Bank oder einer unabhängigen Ratingagentur, auf das Sie sich stützen könnten. Sie müssen sich somit auf die Informationen des Unternehmens verlassen. Bevor ich auch nur einen Franken investieren würde, würde ich genau abklären, welche Sicherheit man mir als Kapitalgeber offeriert.
Sollte das Unternehmen mit seinem Recyclingverfahren keinen Erfolg haben und allenfalls scheitern, wie dies übrigens viele Unternehmen aus allen Branchen jedes Jahr tun, müssten Sie damit rechnen, dass Sie Ihr gesamtes investiertes Kapital verlieren. Sie tragen somit das volle Anlagerisiko.
Dies lässt sich auch aus dem hohen Zins ablesen. Sehr sichere Bundesobligationen der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit zehn Jahren Laufzeit werfen aktuell praktisch eine Nullrendite ab. Auch andere Frankenanleihen von Unternehmen mit einem hohen Kreditrating zahlen momentan oft weniger als ein Prozent Zins. Wenn jemand im aktuellen Tiefzinsumfeld bereit ist, einen sehr hohen Zins zu bezahlen, bedeutet dies in der Regel auch, dass man ein sehr hohes Risiko eingeht.
Mit hohen Sicherheiten bekäme ein Unternehmen auf dem Kapitalmarkt üblicherweise rasch zu einem tieferen Zins Kapital, zumal gerade viele institutionelle Investoren angesichts des Anlagenotstandes wegen der rekordtiefen Zinsen mit viel Aufwand geeignete Anlagemöglichkeiten suchen.
Ich gebe Ihnen recht, dass 6,25 Prozent pro Jahr attraktiv tönt. Nur sollten Sie sich bewusst sein, dass Ihr Kapital während der Laufzeit von fünf Jahren gebunden wäre, da ein Ausstieg kaum einfach möglich wäre. Und vor allem, dass Sie ein hohes Anlagerisiko tragen.
Persönlich würde ich als Privatinvestor nie direkt in ein Unternehmen investieren, da man selbst die effektiven unternehmerischen und finanziellen Risiken kaum genügend beurteilen kann. Aus meiner Sicht ist dies ein Risikoinvestment, welches nur für Leute infrage kommt, die bereit und in der Lage sind, auch alles zu verlieren.
14 Kommentare zu «Hoher Zins bedeutet hohe Absturzgefahr»
„Persönlich würde ich als Privatinvestor nie direkt in ein Unternehmen investieren“.
Dann dürfen Sie konsequenterweise auch keine Aktien halten!
Zumindest als Kleinanleger ist es auch nicht ratsam, über Aktien gezielt in einzelne Unternehmen zu investieren. Deshalb wird ja an der Stelle auch immer wieder auf Fonds als bessere Alternative verwiesen. Wobei man bei Aktien zumindest noch auf Unternehmen fokussieren kann, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls sehr gering ist. Bei Direktinvestitionen in junge, nicht börsennotierte Unternehmen und Start-ups sind die Risiken ungemein höher, alleine weil diese viele essentielle Informationen nicht veröffentlichen müssen.
Eine Unternehmung ohne jedes Rating einer Aktie gegenüber zustellen vergleicht Äpfel mit Birnen.
Finger weg. Kaufen Sie lieber einen sicheren Fond bis 1% dann haben Sie ihr Geld noch sicher.
Rinder-, Fisch- oder doch lieber Wild-Fond?
Aber auch hier ist das Geld nicht sicher angelegt, spätestens wenn der Fond irgendwann nach dem Ablaufdatum nicht mehr geniessbar ist.
Per se eine interessante Sache. Ich komme aus dem Bereich der hydrothermalen Verflüssigung/Pyrolyse und technisch sicher machbar und umsetzbar. Aber ohne die Anlage persönlich in Betrieb zu sehen und die Ergebnisse im Detail zu verifizieren würde ich dort auch nicht investieren. Am Schluss hängts immer an den Kapital und Betriebskosten.
Ganz neu ist die Geschichte/das Verfahren nicht.
Vor ein paar Jahren hat die Firma Risi in Sihlbrugg schon so eine Anlage zur Plastikverwertung betrieben (Plastoil). Wie erfolgreich es war und ob es noch läuft, weiss ich aber nicht.
Wenn schon hohe Verzinsung dann lieber in einen Barriere Reverse Convertible mit tiefer Barriere und grossen, stabilen Firmen investieren. Die Laufzeiten sind nicht all zu lang, die Verzinsung kann schon mal höher als 10% betragen und meist ist der grösste Zinsteil steuerfrei.
Sollte die Barriere verletzt werden gibts zumindest den Zins plus die Aktien der entsprechenden Firma.
Beim Enespa for Renewable Energy dürfte ein totales Verlustrisiko realtive hoch sein. Ähnliche Anleihen gab es auch für Holzplantagen zur Papierproduktion, für Sonnenenergie u.ä.
Der „Zins“ ist auch steuerfrei weil es eine Prämie und kein Zins ist.
Nach der Gier kommt meistens die Armut
Gewisse schaffen es aber dank der Gier auch zu Milliardären!
Man muss vermutlich unterscheiden zwischen blinder Gier und einer strategisch ausgekügelten Gier! Zweitere landen des öfteren mal ganz oben – finanziell zumindest, charakterlich kann es wieder etwas anders aussehen…
Eigentlich noch sympathisch: Für die produktive Anlage, die in Deutschland gebaut wird, werden jetzt insgesamt 2.5 Mio. Franken mittels der Lancierung einer CH Obligationenanleihe gesucht. Abnahmeverträge für Endprodukte, Standortverträge und Lieferverträge für Kunststoffmüll sind unterzeichnet, ebenso der Vertrag mit dem Anlagebauer für das Modul mit zweimal 500 kg/h. (Quelle ee-news)
Eine andere Antwort für den Fragesteller wäre:
1.) Je nach dem wieviel % des Gesamtvermögens das bei Ihnen ausmacht, ja. Bis 5%.
2.) Offenbar will der Eigentümer nicht Aktien (Dividenden) ausgeben, sondern selbst vom zukünftigen Wachstum profitieren. Spricht für sein Geschäftsflair.
3.) Die Zinsen, die er bezahlen muss, für seine Anlage in D, sind hier in der CH nochmals interessanter als in D.
6,25 Prozent Zins in der heutigen Zeit tiefer Zinsen müssen als Lockvogel erkannt werden, welcher alsbald mit dem ganzen Geld wegfliegen kann, notabene auf Nimmerwiedersehen.
Die Sache ist einfach, ohne Risiko wenig Spass und Rendite.