Best of: Der Staat motiviert zum Schuldenmachen
Unsere Bloggerinnen und Blogger geniessen derzeit die Feiertage. Wir publizieren deshalb heute diesen Beitrag vom 15. September 2016, der besonders viel zu reden gab.

Eigenmietwert: Hausbesitzer werden dazu verleitet, hohe Hyposchulden zu machen. Foto: Key
In der Politik wird immer wieder über die Vor- und Nachteile des Eigenmietwertes gestritten. Eigentlich ist diese Besteuerung doch fair, da ich als Mieterin meine Wohnungskosten auch nicht bei den Steuern abziehen kann. Wie sehen Sie das? R.F.
Ich kann Ihre Überlegung gut nachvollziehen. Als Mieterin können Sie gar nichts abziehen, während Hausbesitzer sowohl Hypozinsen als auch Unterhaltsarbeiten für den Werterhalt der Liegenschaft in der Steuererklärung geltend machen dürfen. Dafür wird diesen aber ein mehr oder weniger hoher Eigenmietwert aufs Einkommen geschlagen. Wegen der Steuerprogression kann dieser Effekt zu beträchtlichen Steuermehrkosten führen – trotz der Abzüge. Gemäss Gesetz braucht es eine Gleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger bei den Steuern.
Trotzdem bin ich persönlich für eine Abschaffung des Eigenmietwertes. Indem man gleichzeitig den Schuldzinsabzug begrenzt oder streicht und die abzugsfähigen Unterhaltsarbeiten eingrenzt, könnte man die Rechtsgleichheit von Mietern und Hausbesitzern durchaus herstellen. Eine sinnvolle und faire Lösung zu finden, ist Sache der Politik. Ich selbst bin weniger aus politischen Gründen, sondern vielmehr aus grundsätzlichen Überlegungen für eine Abschaffung des Eigenmietwertes. Ich halte ihn volkswirtschaftlich sogar für schädlich und gefährlich. Und zwar darum, weil der Eigenmietwert die Hausbesitzerinnen und -besitzer dazu verleitet, hohe Hypothekarschulden zu machen oder zumindest diese nicht oder nur teilweise abzubauen. Persönlich vertrete ich die Auffassung: Wenn man Schulden macht, sollte man diese so rasch wie möglich wieder tilgen.
Bei den Hypotheken läuft der Mechanismus aber anders. Hier schleppen die meisten Leute riesige Kredite praktisch ein Leben lang mit sich und bezahlen über all die Jahre immense Summen an Zinsen. Dass dies so ist, hat nicht nur damit zu tun, dass bei uns die Immobilien- bzw. Bodenpreise sehr hoch sind und die meisten Leute ohne hohe Hypotheken gar nie Liegenschaften erwerben könnten. Dass die Hypotheken oft nicht oder nur teilweise abgebaut werden, ist auch auf den Eigenmietwert zurückzuführen. Die Möglichkeit, die Schuldzinsen abziehen zu dürfen, animiert Liegenschaftenbesitzer, die Kredite hoch zu behalten. So können sie mittels Schuldzinsabzug den Progressionseffekt, welcher durch den Eigenmietwert verstärkt wird, etwas abfedern. Immerhin wird zum Teil indirekt via 3. Säule amortisiert. Würde man den Eigenmietwert abschaffen, wären wesentlich mehr Leute motiviert, ihre Hypothekarkredite schneller zu amortisieren. Wer dies jetzt tut, wird durch höhere Steuern sogar noch bestraft. Der Eigenmietwert setzt seitens des Staates völlig falsche Anreize.
Im Sinne einer gesunden Volkswirtschaft müsste der Staat seine Bürgerinnen und Bürger dazu bringen, möglichst wenig Schulden zu machen und diese schnell zurückzuzahlen. Mit dem Eigenmietwert lädt der gleiche Staat, der via Nationalbank immer wieder vor dem Risiko einer Immobilienblase in der Schweiz warnt, die Bürger dazu ein, möglichst hohe Hypothekarschulden zu machen und diese möglichst nicht zu amortisieren – weil sie die Zinsen eben von den Steuern abziehen können.
Interessant bei solchen Debatten ist es oft auch, einen Blick über die Landesgrenzen hinaus zu wagen und zu prüfen, wie es denn andere Länder mit dem Eigenmietwert halten. Dies hat interessanterweise die Eidgenössische Steuerverwaltung getan. Deren Aufstellung zeigt, dass in Europa die wenigsten Länder einen Eigenmietwert kennen: Dänemark nur noch in Ausnahmefällen, Luxemburg in ganz geringem Umfang sowie die Niederlande und Spanien. Natürlich hinken solche Vergleiche sachlich immer, da auch andere Steuern mitberücksichtigt werden sollten. Bezogen auf die Schweiz, bin ich der Auffassung, dass der Eigenmietwert mehr schadet als nützt. Ein Verzicht würde die Immobilienbesitzer zum Schuldenabbau motivieren und damit unsere Wirtschaft sicherer machen.
Käme es später einmal zu einem starken Zinsanstieg in der Schweiz, wären längst nicht alle, welche sich derzeit zu rekordtiefen Zinsen mit hohen Hypotheken verschulden, in der Lage, die dann deutlich höheren Zinskosten zu bezahlen, was nicht nur für diese Haushalte, sondern auch für die Banken ein beträchtliches Risiko beinhaltet. Mit der Abschaffung des Eigenmietwertes könnte auch diese Gefahr abgefedert werden.
Beachtliche Zinsunterschiede
Ich habe mein Pensionskassenkapital auf dem Freizügigkeitskonto. Jetzt habe ich gesehen, dass meine Bank, die BEKB, viel weniger Zins zahlt als andere. Darf ich wechseln? J.F.
Ja. Das ist möglich. Damit Sie aber wechseln können, müssen Sie die Wechselbedingungen Ihrer Freizügigkeitseinrichtung erfüllen. In der Regel gibt es nämlich Kündigungsfristen, die Sie einhalten müssen. Zum Teil werden auch Gebühren verrechnet. Ich empfehle Ihnen, sich vor einem Wechsel über die genauen Konditionen zu informieren. Oft lohnt sich aber ein Wechsel durchaus. Wenn Sie nämlich die Konditionen der verschiedenen Schweizer Banken etwas genauer vergleichen, stellen Sie fest, dass es tatsächlich erhebliche Zinsunterschiede bei der Verzinsung des Freizügigkeitsgeldes gibt.
Während die Berner Kantonalbank auf dem Freizügigkeitskonto nur noch 0,1 Prozent Zins zahlt, bietet beispielsweise Raiffeisen auf dem Freizügigkeitsgeld einen Zins von immerhin noch 0,25 Prozent. Auf hohe Summen macht dies einiges aus. Bei einem Freizügigkeitskapital von 500’000 Franken bekommen Sie bei den Bernern pro Jahr nur 500 Franken Zins. Bei Raiffeisen indes fast das Dreifache, nämlich 1250 Franken. Idealerweise sollte man schon vor der Auszahlung der Freizügigkeitsleistung durch die Pensionskasse abklären, welche Bank attraktivere Konditionen bei ihrer Freizügigkeitseinrichtung bietet.
Neben dem Zins sollten Sie aber auch auf die Sicherheit achten: Denn Freizügigkeitsgelder sind nur bedingt geschützt. Nur maximal 100’000 Franken fallen unter das Konkursprivileg. Auch wenn die Chance, dass eine Freizügigkeitseinrichtung in Konkurs geht, gering ist, würde ich den Sicherheitsaspekt nicht ausklammern.
Wer AHV-Lücken zu spät bemerkt, kann nicht mehr nachzahlen
Ich habe lange studiert und bin erst spät in die Arbeitswelt eingestiegen. Jetzt befürchte ich viele Jahre später, dass ich bei der AHV Lücken habe. Wie kann ich das herausfinden? Kann ich dies kompensieren, da ich jetzt viel verdiene? C.W.
Wahrscheinlich hatten Sie, wie die meisten Berufstätigen, mehrere Arbeitgeber. Damit hatten Sie wahrscheinlich auch mehrere Kassen, über die Ihre Beiträge und diejenigen Ihrer Arbeitgeber abgerechnet wurden. Jede einzelne Kasse, mit der Sie abgerechnet hatten, führt für Sie ein individuelles Konto. Hier ist festgehalten, wie lange Sie Beiträge bezahlt haben und wie hoch diese waren. Um zu erfahren, ob Sie Lücken hatten, können Sie bei der Kasse, bei der Sie heute Ihre AHV einzahlen, einen sogenannten Zusammenzug all Ihrer individuellen Konten einfordern. Dafür müssen Sie selbst einen schriftlichen Antrag stellen. Entsprechende Formulare dazu finden Sie auf der Website Ihrer AHV-Kasse.
Falls Sie feststellen, dass Sie tatsächlich Lücken bei der AHV haben, können Sie diese kaum mehr kompensieren. Denn Versicherte können gemäss den Bestimmungen der AHV nur «innerhalb von fünf Jahren seit Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, Beiträge nachbezahlen», wie das Bundesamt für Sozialversicherungen vorschreibt. Immerhin sagt das BSV: «Wenn die AHV bei der Rentenberechnung feststellt, dass Beitragsjahre fehlen, bezieht sie zunächst die sogenannten Jugendjahre mit ein. Das sind allfällige vor dem 20. Altersjahr einbezahlte Beiträge.»
Letzteres dürfte bei Ihnen kaum zutreffen. Ich rate Ihnen, einerseits bei Ihrer Kasse einen Antrag für einen Zusammenzug Ihrer individuellen Konten zu stellen, damit Sie eine Übersicht erhalten. Und andererseits die Konsequenzen Ihrer allfälligen Beitragslücken von Ihrer Kasse berechnen zu lassen. So haben Sie Klarheit und können allenfalls über die freiwillige Vorsorge – etwa die steuerbegünstigte 3. Säule – das fehlende Altersgeld aus der AHV zumindest teilweise auf freiwilliger Basis kompensieren.
12 Kommentare zu «Best of: Der Staat motiviert zum Schuldenmachen»
Eigenmietwert
Ich bin grundsätzlich mit dem Autor einverstanden. Der entscheidende Aspekt fehlt aber im Beitrag. Wenn sie die Schulden aus besagten Gründen nicht amortisieren, haben sie das Geld ja irgendwo sonst, sei es auf dem Bankkonto oder in anderen Anlagen. Ich denke nicht, dass der Autor meint, die Alternative wäre das Geld bei nicht Amortisation zu verbrauchen. Die entscheidende Frage ist also, kann ich dass Geld zu einem höheren Zins (nach Steuern) anlegen, als ich der Bank Zinsen (%) zahle. Die allermeisten Leute sind keine Finanzexperten. Daher gibt es nur eine Lösung, sprich zwei Lösungen. a) Hypothek amortisieren b) Einzahlung in Pensionskasse, wobei noch zwei, drei Nebenaspekte, auf welche ich nicht eingehen kann, zu berücksichtigen sind. Ich mache seit Jahren a) + b) :):):
sehr interessanter beitrag. danke dafür. vor allem bei uns in der ostschweiz arbeiten viele ch-bürger ab einem bestimmten alter auch im ausland, bzw. vor allem im liechtenstein. liechtenstein führt eine eigene ahv-kasse für die grenzgänger. interessant wäre zu wissen, wie dies dann bei der pensionierung abläuft. gibt es eine koordination der beiden kassen oder werden 2 separate renten ausbezahlt? kann ich freiwillig in der ch einzahlen, obowohl ich auch im fl als arbeitnehmer einzahle? danke für ihre hilfe.
Apropro mietzinsabzug , im kanton Zug kann der mietzins vom steuerbaren einkommen abgezogen werden !
Mit dem Kapitel „Eigenmietwert“ überhaupt nicht einverstanden! Dass man die Hypozinsen vom steuerbaren Einkommen abziehen kann, entspricht nur einem ganz fundamentalen Prinzip: Es soll nur das Nettoeinkommen besteuert werden. Abschaffung des Eigenmietwertes und gleichzeitig des Zinsabzugs verletzte fundamentales Steuerrecht.
Nein, es ist nicht der Eigenmietwert, der zum Schuldenmachen anreizt, es ist die drohende Inflation. Wir alle sind zwangsweise enorme Sparer in der 2.Säule und werden da von der Inflation geschröpft. Mit Schulden können wir das einigermassen kompensieren, denn diese verlieren in gleichem Masse an Wert. Enorme Zinszahlungen? Man rechne mal die Summe aller Mietzinsen über die Lebensjahre zusammen – man könnte locker eine Villa bar bezahlen.
Eine merkwürdige Auffassung Herr Müller.
Die Entscheidung Geld zu sparen und eine Hypothek aufzunehmen, obliegt jedem selber. Es ist unverständlich, weshalb der Schuldzins vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden soll/darf, um dann wieder ein fiktives Einkommen zu addieren.
Ihrer Logik zufolge kann ich mir auch einen Konsumkredit für 1 Mio. holen und jährlich einen Abzug von 100k geltend machen, damit mein Netto Einkommen auf 0 ist?
Im Übrigen sind die Zinsen garantiert nicht tief, weil alle ihr Geld in die 2./3. Säule stecken. Die Ursache ist viel mehr in der Geldschwemme Politik der Leitbanken zu suchen.
“ Ich halte ihn (den Eigenmietwert) volkswirtschaftlich sogar für schädlich und gefährlich.“ Ich halte diese Aussage für gefährlich.
1. Die Miethäuser sind und bleiben ja auch mit Hypotheken verschuldet. Als Mieter zahlt man also indirekt auch Hypozinsen. Das Risiko ist da auch vorhanden.
2. In der 2.Säule werden jährlich riesige Summen gespart, Kapital, das niemand will und niemand braucht (Werner Vontobel). Deshalb sind die Zinsen so tief. Dank dem Hypomarkt findet wenigstens ein Teil davon eine Investition. Es ist also sinnvoll, dass wir indirekt unser Alterskapital in unsere eigenen 4 Wände investieren.
3. Das Risiko, bei Zinserhöhung überlastet zu sein: Dank dem Steuerabzug spart man ça 1/3 der Zinskosten bei den Steuern, der Zinsanstieg ist somit abgefedert.
4. Ich würde gar behaupten, die Abschaffung des Eigenmietwertes und gleichzeitig des Steuerabzugs ist potentiell gefährlich. Wenn dann mal eine massive Zinserhöhung eintritt, kann die zusätzliche Belastung des Haushaltbudget nicht mehr mit entsprechend höherer Steuereinsparung abgefedert werden. Ich habe Hypozinsen bis zu 7% erlebt, und überlebt dank der Steuereinsparung.
Die Abschaffung des Eigenmietwertes erhöht also das Risiko, dass Wohneigentümer bei Zinsanstieg dem Schuldendienst nicht mehr nachkommen können.
Auf der anderen Seite bin ich für die Abschaffung des Rechtes auf ortsübliche Mieten den damit wird eh nur Faulheit und Nichtstun der Immobesitzer gefördert.
So oder so, warum keine Kostenmiete auf längst abgeschriebene oder gar vererbte Immobilien, die somit konsequent in die Kategorie leistungsbefreiter Einkommen gehört und am Ende nur den Besitz aber nicht Arbeit belohnt.
Ausserdem stellt sich die Frage warum Mieter dauernd gezwungen werden die Schulden der Immoeigentümer abzuzahlen und danach nicht mal ein Recht auf reine Kostenmiete unter Ausschluss von Märkten und deren finstere Preisfindung haben?
Warum haben Erben die Möglichkeit auf quasi Gratiskredite um Mehrfamilienhäuser zu bauen, diese zu Marktmieten zu vermieten und die Arbeit anderer auszunutzen.
Der einsame Schweizerische Eigenmietwert in ganz Europa
Der Eigenmietwert bewirkt seit mehreren Generationen. dass wir in der Schweiz 70 Prozent Mieter haben. Diese werden auch in Zukunft verhindern, dass der Eigenmietwert abgeschafft werden kann, weil mit dem Eigenmietwert die Wohneigentümer einen erheblichen Anteil an Steuern bezahlen und damit die Mieter entlasten. Notabene haben Mieter politisch die Mehrheit, sind vorzüglich organisiert und haben kein Interesse, solche Unterhalts-und Betriebskosten, wie sie Eigentümer haben, zu übernehmen, weil sie mit den Nebenkosten bereits genug bezahlen und damit jährlich administrative Kontrollen übernehmen. Der Eigenmietwert begünstigt auch indirekt die Mobilität, welche bei wechselnden Arbeitsplätzen sehr aktuell sein können.
Das groesste Problem ist vor allem, dass
der groesste Teil der Hypothekarkredite durch ungedeckte Kredite des Bankenkartells entsteht. Bald sind es CHF 1’000’000.- MILLIARDEN!! Der Grossteil ist
entstanden durch ungedeckte Kredite, sowie chronischen Bankbilanzverlaengerungen! Das bedeutet
somit auch, dass die Banken Zinsen und Zinseszinsen abkassieren, fuer ungedeckte
Kredite. Sie kassieren Zins fuer Kredit-Gelder ueber die sie in Wirklichkeit gar nicht verfuegen, bezw. die sie nie wirklich durch Leistung verdient haben!!
Ein sehr verwerfliches System der Taeuschung. Diese Banken sollen dann auch noch durch die steuerzahlende
Bevoelkerung gerettet werden.
Schlaeft die Politik im Bundeshaus?
Ich sehe es so: Kein Eigenmietwert dafür keine Abzüge mehr. Abzüge nur wenn man vermietet und somit ein steuerbares Einkommen erzielt. Um die immer höheren Immobilienpreise und damit die Verschuldung zu bremsen, sollten Hypotheken in 20 Jahren amortisiert werden. Das hätte zur Folge, dass die Hausbesitzer im Pensionsalter schuldenfrei wären
Der Vergleich MIeter/Eigenheimbesitzer wird oft nicht vollständig geführt. Leider auch vom Hausbesitzerverband. Der Eigenheimbesitzer ist ja quasi Vermieter und Mieter in einer Person. Der Vermieter amortisiert, verwaltet und trägt die Risiken der Investition. Der Mieter kauft diese Leistung. Das ist wie ein Versicherungsmodell. Bei einer anderen Versicherung käme der Versicherte auch nicht auf die Idee benachteiligt zu sein gegenüber dem Nichtversicherten.
Der Hausbesitzer sollte für seine Risiken einen angemessenen Vorteil haben. Gleichstellung mit dem Mieter ist letztlich eine Benachteiligung des Hausbesitzers. Risiko- und Leistungbereitschaft sind staatstragend, das verstehen manche Leute nicht.