Best of: Hypothek vor der Pensionierung abzahlen?

Hypotheken: Kürzere Fristen für die Amortisation. Foto: Bruno Schlatter
Ich bin 67 und habe seit Jahren eine Hypothek von 300’000 Franken. Bei der Gebäudeversicherung ist die Liegenschaft für 800’000 Franken versichert. Doch jetzt hat mir die Bank die Hypothek gekündigt. Was soll ich tun? L.S.
Mit Ihrem Problem sind Sie nicht alleine: Viele Banken haben die Hypothekenverträge mit Rentnerinnen und Rentnern überprüft und verfolgen eine im Vergleich zu früher weit restriktivere Praxis, wenn es darum geht, eine bestehende Finanzierung zu erneuern. Nicht selten verlangen die Institute von den Pensionierten eine Teilamortisation des Kredites. In einigen Fällen, wie bei Ihnen, kommt es gar zur Kündigung.
Hintergrund der strengeren Vergabepraxis für Hypotheken an ältere Menschen sind die verschärften Tragbarkeitsregeln. Die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) genehmigten Regeln der Schweizerischen Bankiervereinigung beinhalten kürzere Fristen für die Amortisation, ein Niederstwertprinzip, bei dem der tiefere Wert von Marktwert und Kaufpreis entscheidend ist, und strengere Standards bei der Einkommensanrechnung.
Problem bei der Einkommensrechnung
Gemäss den von Banken angewandten Regeln ist eine Hypothek tragbar, sofern die gesamten Kosten für das Haus und Wohnen nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen. Ausserdem muss man wenigstens ein Fünftel Eigenkapital in die Hypothek einbringen. Letzteres ist bei Ihnen gegeben.
Ein Problem dürfte aber die Einkommensanrechnung beinhalten. Sie schreiben mir, dass Sie den aktuellen Hypozins problemlos zahlen können. Bei der Berechnung der Tragbarkeit ziehen die Banken aber nicht die momentan sehr tiefen Hypozinsen bei, sondern setzen weit höhere Sätze ein. Konkret wird in der Regel ein theoretischer Hypozins von fünf Prozent pro Jahr eingesetzt. Dazu kommen ein Prozent für die Nebenkosten und Renovationen sowie die Rückstellung für Amortisationen.
Ihre bestehende Hypothek kostet gemäss dem theoretischen Zins von sechs Prozent somit weit mehr, als Sie bis jetzt tatsächlich zahlen. Falls Sie, wie ich annehmen muss, nur eine geringe Rente haben, dürfte die Bank die Tragbarkeit infrage stellen. Wenn die Bank zum Schluss kommt, dass die Tragbarkeit nicht mehr gegeben ist, darf sie selbst eine erste Hypothek kündigen. Sie muss sich lediglich an die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen halten.
Störende Bankenpraxis
Natürlich rate ich Ihnen, mit Konkurrenzbanken zu sprechen und auszuloten, ob diese die bestehende Hypothek erneuern. Offenbar haben Sie dies bereits getan, aber von mehreren Seiten Absagen bekommen. Dies bestärkt mich in der Vermutung, dass Sie die Tragbarkeitsregeln der Bankiervereinigung nicht mehr erfüllen.
Persönlich finde ich es sehr störend, wenn Banken Kunden, von denen sie während Jahren Zinsen einkassierten, die Hypothek künden, sobald diese im Pensionsalter sind. Faktisch heisst dies, dass man langjährige Kunden plötzlich im Regen stehen lässt, obwohl diese die Zinsen immer brav bezahlt hatten. Genau darum rate ich älteren Menschen in Hinblick auf die Pensionierung, ihre Hypotheken möglichst zu amortisieren.
Leider kann ich Ihnen nur empfehlen, mit weiteren Banken und Versicherungen Kontakt aufzunehmen und ein Institut zu suchen, welches vielleicht doch bereit ist, eine Finanzierung zu übernehmen. Da die meisten Banken gemäss den Standards der Bankiervereinigung handeln, bin ich in Ihrem Fall ehrlicherweise eher skeptisch, ob es klappt. Falls Sie die Liegenschaft nicht verkaufen möchten, müssten Sie versuchen, über alternative Wege eine Finanzierung zu suchen – zum Beispiel über einen Kredit aus Ihrem Verwandten- oder Freundeskreis oder über Crowdfunding bzw. Crowdlending. Auch dies ist nicht einfach, aber eine Möglichkeit, um unabhängig von Banken vielleicht doch noch eine Finanzierung zu ermöglichen.
12 Kommentare zu «Best of: Hypothek vor der Pensionierung abzahlen?»
Hatten wir diesen Artikel nicht schon einmal?
Mit Martin Spieler weitgehend einverstanden. Hier aber ein Gedanke zum Verhalten der Banken:
Einmal mehr zeigen sie hier ihre wahre Fratze – am Rande der Kriminalität. Ist das deren gesellschaftlicher Beitrag zur Altersvorsorge und Alterspflege?
Schäbig, schäbig, schäbig!
Leider sind wir für den Zahlungsverkehr auf diese notwendigen Übel angewiesen, ansonsten wollte ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben.
Es sind ja gar nicht die Banken heute, die diese Gesetze schreiben.
Die Banken müssen sich aber nicht unbedingt an die Gesätze halten. Mit einem Hauswert von 800000.- und einer Hypothek von 300000.- ist die Sicherheit doch gewährleistet.
Ja, den Artikel hatten wir schon mal. Für mich gibt es nur einen Grundsatz: zurückzahlen so schnell wie möglich. Auf Schnickschnack, Gadgets und Gimmick
verzichten und die Hypothek tilgen.
warum erwähnen Sie nicht wie Steuerbehörden mit dem zu hohen Mietwert viele Senioren zur Verzweiflung bringen ? Noch kürzlich erfuhr ich von einem Fall, wo eine 78 jährige mit bescheidener Rente und CHF 2500 Mietwert ihr leben ein Alptraum wurde – der Staat (nicht nur BAnken) sollten diesbezüglich Einsichtig und Humanität beweisen, anstatt Senioren am Rande des Suizid bringen ??
Hinter dem Staat steht das Kapital. Und das ist alles andere als human. Siehe z.B. Economiesuisse mit ihrem neoliberalen Denken.
Und warum genau soll hier ein Renter gegenüber einer jungen Familie in gleicher Situation bevorzugt werden?
Eigenmietwert abschaffen.
Fürwahr ein Horrorthema.
Die Erben müssen einspringen, das Haus finanzieren und dem Besitzer ein lebenslanges Wohnrecht geben. Sie erben ja dafür dann das freigewordene Geld. Wenn keine Erben vorhanden sind, gibt es Firmen, welche die Kosten bis zum Tod der Besitzer übernehmen, dann allerdings das Haus bekommen.
Soviel ich weiss bietet der Hauseigentümerverband auch Lösungen an.
Es gibt aber auch die Lösung, das Haus zu verkaufen und mit dem Nettoerlös im Ausland ein gediegenes neues zu erwerben – bar bezahlt. Da sind dann auch die Lebenskosten günstiger.
So vertreiben die Banken unsere bessergestellten Rentner ins Ausland zum Schaden der Volkswirtschaft! Und die Gössi kann dann wieder voller Neid die „AHV-Schmarotzer“ anprangern.
Meines Wissens gelten die Verschärfungen für Hypotheken erst seit Sommer 2014 für Neugeschäfte, also ohne Ablösegeschäfte. Weshalb wird den Rentnern dennoch reihenweise gekündigt wie dies im Blog suggeriert wird? Kann mich diesbezüglich jemand weiterhelfen?
Bei vielen Pensionierten liegt das eigentliche Problem beim sogenannten Loslassen können: Eines seit Jahren selbst bewohntes Wohneigentum aus der Hand zu geben, scheint ihnen unmöglich, weil sie sich einfach nicht vorstellen können, dass ihnen das Eigenheim mit dem Alter langsam aber sicher zur Last fallen wird, welche sie nicht mehr zu bewältigen vermögen. Wem im Alter nicht zu raten ist, ist nicht zu helfen. denn es gibt im dritten Lebensabschnitt herrliche Möglichkeiten der Veränderungen, insbesondere wie im vorliegenden Fall, wenn noch eine halbe Million Franken zur freien Verfügung bereit stehen.