Riskante Werkzeuge für Spekulanten

Leerverkäufe: Grösste Vorsicht geboten. Foto: Getty

Bei Leerverkäufen ist grösste Vorsicht geboten. Foto: Getty

Gibt es eigentlich keine Aktienleerverkäufe mehr? T.S.

Es gibt sie durchaus. Bei einem Leerverkauf stösst man Wertpapiere ab, die noch gar nicht im Besitz des Verkäufers sind, mit dem Ziel, diese dann später zu attraktiveren Konditionen kaufen zu können. Dadurch entsteht eine Short-Position. Der Unterschied zwischen dem Preis für den Verkauf und den späteren günstigeren Kauf macht den Gewinn des Leerverkäufers aus. Möglich sind Leerverkäufe, indem man sich Aktien leiht.

In der breiten Öffentlichkeit haben Leerverkäufe einen schlechten Ruf. Nicht nur weil oft behauptet wurde, dass diese die Finanzkrise im Jahr 2008 noch verschärft hätten, was in einigen Fällen durchaus möglich war. Mit Leerverkäufen kann man den Aktienkurs stark unter Druck bringen. Dies bekommen immer wieder einzelne Börsenfirmen brutal zu spüren.

Problematisch ist dies aus meiner Sicht insbesondere, wenn man nicht weiss, aus welcher Ecke die Leerverkäufe kommen. Damit der Aktienmarkt reibungslos funktioniert, braucht es Transparenz. Man muss wissen, welche Investoren beträchtliche Positionen an einem Unternehmen halten und kann aufgrund dieser Kenntnis einen Aktienkauf eher abschätzen. Regulatorisch ist dies mit den Offenlegungspflichten für grosse Aktienpositionen gegeben. Bei der Börsenbetreiberin Six Group lautet die entsprechende Regel: «Erreicht, über- oder unterschreitet eine meldepflichtige Person oder Gruppe Grenzwerte an Stimmrechten, hat diese innert vier Börsentagen eine Offenlegungsmeldung an die Gesellschaft und die Offenlegungsstelle abzusetzen.» Sobald ein Investor also bestimmte Marken über- oder unterschritten hat, muss er seine Position offenlegen.

Bei den Leerverkäufen indes ist die Transparenz mangelhaft. Man weiss offiziell nicht, wer aus welchen Gründen eine Aktie verkauft, und muss sich auf Marktgerüchte verlassen. Oft stehen hinter Leerverkäufen nur Spekulanten, die nicht zwingend strategische Interessen bei einer Börsenfirma haben, sondern lediglich Profitopportunitäten für sich nutzen. In solchen Fällen hat man den Eindruck, dass die Leerverkäufer Kurse für ihre Spekulationsinteressen zu manipulieren versuchen.

Beliebt sind Strategien mit Leerverkäufen bei vielen Hedgefonds, die auf tiefere Aktienkurse spekulieren. Einfach angreifbar sind Firmen, deren Kurse entweder massiv überbewertet sind oder aber aufgrund operativer Gründe sich bereits in einem Negativtrend befinden, der durch Leerverkäufe deutlich verstärkt werden kann.

Auch wenn man durchaus argumentieren kann, dass Leerverkäufe einen Kapitalmarkt effizient machen, rate ich bei solchen Geschäften zu Vorsicht. Die Leihe von Wertschriften zum Zweck eines Leerverkaufes beinhaltet hohe Risiken und kann für den Investor massive Verluste zur Folge haben, wenn sich der Kurs entgegen der Erwartung entwickelt. Auch strukturierte Produkte, die an Leerverkaufsstrategien gekoppelt sind, bergen überdurchschnittliche Risiken und sind für Privatanleger aus meiner Sicht nicht empfehlenswert.

5 Kommentare zu «Riskante Werkzeuge für Spekulanten»

  • Marcel Zufferey sagt:

    Welche Möglichkeiten bieten sich einem Privatanleger denn, short zu gehen? Ausser der Investition in einen Hedgefunds eigentlich nur noch eines in einen Short-ETF oder in eine liquide Put-Option. Letztere bietet einem die grösste Transparenz, aber auch da muss man ganz genau wissen, was man tut. Auf versch. Handelsplattformen kann man via CFD’s ebenfalls auf sinkende Kurse setzen. Ist aber ebenfalls sehr riskant. Fazit: Auf sinkende Kurse zu setzen können eigentlich nur institutionelle- und Grossanleger. Kleine Fische sollten tunlichst die Finger davon lassen!

    • Peter Schneider sagt:

      Short ETFs empfinde ich als sehr kurios, weil ein Short-ETF die leerverkauften Positionen zu Börsenschluss wieder schliesst. Das heisst, man partizipiert an Geschehnissen über Nacht überhaupt nicht.
      Für eigene Leerverkäufe geht man übrigens am besten zu einem US-Handelshaus wie „Interactive Brokers“ und kann dort ziemlich alle Aktien leerverkaufen, solange eben genügend Aktien + Puffer bei Anlegern des Brokers vorhanden sind.
      Was aber bei den Ausführungen von Herrn Spieler nicht betont wird: Bei Aktienkäufen hat man ein Verlustrisiko von 100%. Bei Leerverkäufen hat man ein mehrfaches Verlustrisiko, weil Aktien ja beliebig steigen können. Im Prinzip kann das sogar zu einer Nachschusspflicht führen.
      Ich würde persönlich eher Put-Optionen kaufen.

  • Jean Gilette sagt:

    Sehe ich anders! Börsenkurse steigen und FALLEN. Dies sind natürliche Abläufe in einem Preis, egal ob es sich um Rohstoffe oder Aktien handelt. 98% der Schweizer Marktteilnehmer (besonders die Privaten) sind sogenannte LONG-Denker bzw. 98% der Finanzprodukte in der Schweiz, welche durch herkömmliche Banken kreiert werden, sind reine LONG-Produkte. Der Preis muss immer steigen – so lernte man es an der Uni oder HSG. In angelsächsisch geprägten Ländern ist der SHORT-Gedanke viel weiter ausgeprägt. Man hat gelernt, dass die Börsen zwei Gesichter haben. Es kommt also nicht darauf an wie HOCH eine Aktie steigt, sondern wie clever nutze ich die diversen Schwankungen innerhalb eines Zeitraums, um Rendite zu erzielen.

    • Peter Schneider sagt:

      Gibt genügend Put-Optionen auf SMI und Einzelaktien. Als so drastisch wie Sie empfinde ich das nicht. Mit Put-Optionen ist das Verlust-Risiko bei 100% (Totalverlust) beschränkt.

  • Binswanger Roberto sagt:

    Man kann zu allen gängigen Aktien Faktor-Produkte kaufen und sowohl auf fallende wie auch auf steigende Kurse setzen. Die Zertifikate haben kein Verfalldatum. Man kann z.B. mit Fr. 4000.- Einsatz einen Betrag von 40’000 bewegen (10 mal gehebelt) . Das Verlustrisiko ist 4000 Franken beschränkt. Gerade bei sehr hohen Kursen, die ein grosses Rückschlagspotential haben, können sich solche Zertifikate durchaus als geeignetes Investment erweisen.

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