Tiefer Pfund-Kurs: zuwarten oder kaufen?

Getrennte Wege: Gegenüber dem Euro ist das Pfund unter Druck geraten. Foto: Keystone

Getrennte Wege: Gegenüber dem Euro ist das Pfund unter Druck geraten. Foto: Keystone

Ich plane im Herbst einen England-Aufenthalt und benötige eine grössere Summe in Pfund. Der Kurs des Pfundes ist wieder gesunken. Soll ich jetzt rasch kaufen, oder sinkt er noch mehr? L. T.

Ich kann Ihnen keine seriöse Prognose für den Pfund-Kurs machen, aber ich kann Ihnen Faktoren aufzeigen, welche das Pfund in nächster Zeit beeinflussen werden.

Wichtiger als das Währungspaar Franken-Pfund sind die Währungsrelationen Euro/Pfund und Dollar/Pfund. Vor allem zum Euro ist das Pfund mächtig unter Druck geraten. Phasenweise kostete der Euro 0,9177 Pfund und kletterte damit auf den höchsten Stand seit 2009. Im Oktober 2016 war das Pfund im Zuge des damaligen Flash-Crash zwar noch tiefer gefallen, doch hatte dies nicht fundamentale Gründe und war nur von sehr kurzer Dauer; es ist daher in der Betrachtung vernachlässigbar.

Auswirkungen des Brexit sind überschaubar

Bestimmt wird die Pfund-Entwicklung momentan stark von den Verhandlungen über den Austritt Grossbritanniens aus der EU. Diese gestalten sich schwierig. Ein Positionspapier des britischen Brexit-Ministeriums über den Handel mit der EU nach einem EU-Austritt der Briten wurde in Brüssel verhalten aufgenommen.

Ein für beide Seiten gangbarer Kompromiss ist noch in weiterer Ferne. Dies dürfte dafür sorgen, dass das Pfund weiter unter Druck bleibt – ebenso die Tatsache, dass die Wirtschaft in der Eurozone gut in Fahrt ist, was den Euro gegenüber allen wichtigen Währungen stärkt wie auch beim Euro-Franken-Paar sichtbar ist.

Eine noch deutlich tiefere Bewertung des Pfundes würde mich indes überraschen. Denn bis jetzt zeigt der Brexit entgegen aller Prognosen der Schwarzmaler kaum grosse negative Auswirkungen. Die britische Wirtschaft ist zwar in den beiden ersten Quartalen 2017 mit 0,2 und 0,3 Prozent weniger gewachsen als noch vor der Brexit-Abstimmung.

Von günstigen Kursen profitieren

Von einer Rezession, wie von manchen Leuten prognostiziert, kann indes keine Rede sein. Der Arbeitsmarkt in Grossbritannien erweist sich im Gegenteil robust. Die Arbeitslosenquote notiert mit 4,5 Prozent auf dem tiefsten Stand seit Jahrzehnten. Probleme macht den Briten allerdings die Teuerung, welche mit 3,6 Prozent weit höher ist als im übrigen Europa und eine Folge der Pfundabwertung ist.

Ich bin für die britische Wirtschaft trotz Brexit nach wie vor weniger pessimistisch als viele andere Beobachter. Weiter nachgeben würde das Pfund zum Euro, falls in den Brexit-Verhandlungen für Grossbritannien nachteilige Lösungen resultieren, was ich allerdings nicht glaube, da auch die EU auf einen reibungslosen Handel mit den Briten angewiesen ist.

Auf dem aktuell tiefen Pfund-Niveau würde ich wohl einen guten Teil der Summe bereits einmal wechseln und mir die günstigen Kurse sichern. Den Rest würde ich in mehreren Tranchen zu verschiedenen Zeiten kaufen. Dann erreichen Sie einen Mittelwert und gehen nicht das Risiko ein, alles Geld zum schlechtestmöglichen Kurs erworben zu haben.

7 Kommentare zu «Tiefer Pfund-Kurs: zuwarten oder kaufen?»

  • Ingo Nimbus sagt:

    Der Brexit kann keine Auswirkungen auf die UK Ökonomie haben weil er schlicht real noch nicht stattgefunden hat sondern lediglich beschlossen wurde und seine Modalitäten aktuell zäh verhandelt werden. Die aktuellen Auswirkungen beziehen sich lediglich darauf. Die ökonomischen Auswirkungen hängen schlicht vom Ausgang der Verhandlungen ab und werden danach sichtbar.

    • Monique Schweizer sagt:

      Auch wenn die Beschäftigungsquote die höchste seit 1971 ist, hat der Brexit sehr wohl schon Auswirkungen, vor allem für die Tiefstlohnempfänger, die sehr oft für den Brexit waren. Die Lohnerhöhungen erreichen gemäss der Bank of England längst nicht die Inflationsrate und darum haben viele Arbeitnehmer darum real weniger in der Lohntüte.

  • Schnurrenberger Willy sagt:

    Ich denke das englische Pfund wird wieder steigen sobald die negativen Spekulationen seitens EU deren Wirkung und in der Realität verliert. Was die negativen Spekulationen der Grossbanken dabei bewirken, ja, das steht in den Sternen geschrieben.

  • tigercat sagt:

    Lieber Herr Martin Spieler – Logisch, dass die britische Wirtschaft nicht schwächelt: Noch ist das UK ja EU Mitglied. Wie die Situation nach dem vollzogenen Brexit sein wird, wird sich dann weisen. Ich für meinen Teil bin immer skeptischer, ob die britische Regierung in der Lage sein wird, eine weiche Landung hinzukriegen. So wie es aussieht, hat noch nicht viel Realitätssinn in die Verhandlungen Einzug gehalten, wishful thinking dominiert und eigentlich weiss man immer noch nicht genau, was wie angestrebt werden soll.

  • Matthias Vogelsanger sagt:

    „Für Grossbritannien nachteilige Lösungen“ in den Verhandlungen mit der EU sind unvermeidbar. Die EU hat kein Interesse, den Briten den Austritt zu versüssen. Wirtschaftliche Interessen werden sich hier den politischen Überlegungen unterordnen müssen – wie auf der Insel auch. Das chronische Leistungsbilanzdefizit der britischen Wirtschaft übt einen unwiderstehlichen Druck auf das Pfund aus. Ein konstanter Sinkflug ist dabei ein „best case“ Szenario. Verblendete konservative Politiker – Boris, I’m looking at you – können jederzeit einen Absturz herbei führen. Mein Rat, Pfund nur kaufen, wenn man sie unmittelbar braucht.

  • reto von kalbermatten sagt:

    der pfund kann nur noch fallen! der brexit ist eine katastrophe für gb und der eu.
    vorallem aber für gb und die iren.
    rechtsunsicherheit ist tötlich. kein investor wird je wieder in gb investieren wollen und auch irlands zeit wird so beendet.
    geschweigen von dem drohenden zusammenbruch von gb.
    wieder einmal ein musterbeispiel, wenn nationalkonservative mit falschen zahlen und emotionen spielen, bis das spiel ausser kontrolle geräht.
    konkurrenz muss man aushalten oder man hat verloren. ganz einfach.
    gilt übrigens auch für die schweiz. die kommt danach dran. schade.

    • R. Wenger sagt:

      Der Brexit ist vor allem eine Katastrophe für die EU. Sie verliert eine ihrer grössten Volkswirtschaften und einen der grössten Nettozahler. Ein schwächeres Pfund hilft auch der britischen Exportindustrie.

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