Die Börse entwickelt sich nicht immer rational

Lindt & Sprüngli: Aktien nicht günstig und mit Halbjahreszahlen enttäuscht. Foto: Key
Ich stelle fest, dass sich Aktienkurse selbst bei guten Geschäftsabschlüssen negativ entwickeln. Beispiele waren Lindt & Sprüngli und Logitech. Logitech präsentierte einen verbesserten Umsatz und Reingewinn. Dennoch schloss der Kurs im Minus. Früher galt: Gute Geschäftsabschlüsse bringen höhere Aktienkurse und schlechte tiefere. Gibt es für die neue Entwicklung eine Erklärung? A.E.
Ich verstehe Ihre Irritation. Aber die Börse entwickelt sich längst nicht immer rational. Denn es sind die Menschen – die Anlegerinnen und Anleger –, welche hinter den Anlageentscheiden stehen und oft irrational handeln. Für Ihre erwähnten Beispiele Logitech und Lindt & Sprüngli gibt es allerdings durchaus Erklärungen, die nachvollziehbar sind.
Bei Logitech waren die Zahlen in der Tat gut, was eigentlich für höhere Kurse sprechen würde. Bei Logitech waren aber auch die Erwartungen im Vorfeld der Zahlen bereits sehr hoch. Die Aktien sind zudem längst nicht mehr günstig. Entsprechend sind die Erwartungen zum Teil übertrieben hoch, sodass eine Firma diese selbst dann nicht mehr toppen kann, wenn sie sehr gut ist.
Oft kommt es zudem selbst bei guten Zahlen zu Gewinnmitnahmen. Denn es gibt ein Börsensprichwort, das sagt: «Sell on good news – buy on bad news». Genau dies ist bei Logitech passiert. Ich würde mich allerdings nicht immer an das erwähnte Börsensprichwort halten. Manchmal bleiben die Kurse nach «bad news» während sehr langer Zeit tief.
Bei Lindt & Sprüngli war die Börsenreaktion einfacher nachvollziehbar: Der Schokoladenproduzent hat mit seinen Halbjahreszahlen enttäuscht. Da auch diese Aktien nicht mehr günstig sind, kam es zu Abgaben. Weil die Aktien nicht billig sind, blieben Anschlusskäufe aus. Wahrscheinlich bleibt Lindt & Sprüngli noch etwas unter Druck.
Auf lange Sicht gehe ich davon aus, dass Lindt & Sprüngli auch künftig eine interessante Aktie bleibt – ebenso wie Logitech. Eine Garantie für anhaltendes Kurswachstum haben Sie allerdings trotz der starken operativen Leistung beider Unternehmen indes nicht.
14 Kommentare zu «Die Börse entwickelt sich nicht immer rational»
Die Börse verhält sich ja eigentlich fast nie rational. Die Kursentwicklung folgt nur dann halbwegs nachvollziehbar der Wirtschaftsentwicklung (oder -erwartung), wenn man nicht Einzelpapiere, sondern Indices betrachtet. Aber auch dann reagieren „die Märkte“ oft unfassbar hysterisch auf irgendwelche mehr oder weniger banale Nachrichten. Das Problem liegt wohl in der zu leichten und zu billigen Handelbarkeit der Aktien. Dadurch sind Aktien für viele Aktionäre keine Beteiligungen mehr, sondern Glücksspiel-Lose.
Müsste man eine Transaktionssteuer, gestaffelt nach Haltedauer, zahlen, würden Aktionäre wohl wieder mehr auf Unternehmensdaten als auf Kursfantasien setzen und die Börse würde stabiler.
Es ist effektiv ein Problem, dass ein substantieller Anteil der Aktienhändler und -besitzer bloss involviert sind, um Profite mit kurzfristigen Trades zu machen, also am Unternehmen selbst gar nicht interessiert sind. Was selbst kleine Schwankungen verstärkt und die Kurse in kaum nachvollziehbare Richtungen treibt. Dem sollte man schon lange Einhalt gebieten. Besteuerung anhand der Haltedauer würde ich auch als beste Lösung betrachten. Aber leider scheint ja bereits eine neutrale Transaktionssteuer politisch unmöglich, wieso kann man sich wohl denken..
Sehr richtig! Der Börse sollte man schon lange enge Leitplanken anlegen.
Die „neutrale Transaktionssteuer“ existiert in Form von Stempelsteuern in der Schweiz bereits.
Die Höhe der Abgabe beträgt 1,5‰ bei inländischen und 3,0‰ des Kaufpreises bei ausländischen Wertschriften.
Zudem: es obliegt den kantonalen Steuerämtern, Personen, die Aktien unter 6 Mt lang halten, zu „Tradern“ zu deklarieren und die Kursgewinne zu versteuern. Hier gibt es noch ein paar weitere Punkte, die erfüllt sein müssen.
Aber Ihre Kritik ist so nicht gerechtfertigt.
Der Ultra-Hochfrequenzhandel (HFT), bei dem Aktien manchmal nur Sekunden bis Minuten gehalten werden, soll bereits über zwei Drittel des gesamten Börsenhandels ausmachen. Ein derartiges Casino gehorcht nur noch Raubtierkapitalismus-Regeln. Es ist ein Glücksspiel, bei dem normale Anleger meistens verlieren.
Um zu einem normalen Börsenhandel zurück zu finden, braucht es eine Transaktions-Steuer auf HFT.
Aber auch sonst ist der Einfluss der Zentralbanken auf die internationalen Börsen aktuell viel zu hoch und Manipulationen sind an der Tagesordnung.
Meine Empfehlung: Finger weg und Investitionen in reale Werte.
Der „normale Anleger“, der Aktien über 10 Jahre lang hält, wird doch wegen der paar Ausschläge intraday oder sogar auf Wochenfrist nichts verlieren. Erst wenn der „normale Anleger“ denkt, er würde im Daytrading oder im Bereich von 2 Minuten mehr verdienen, stimmt die Rechnung nicht mehr, weil er dann lediglich der Courtagen-Zahlesel ist der Banken ist.
@P. Schneider: Der Punkt ist ein Anderer: Firmen werden von irrationalen Ausschlägen getrieben. Die Qualität des CEO wird am Kurs gemessen. Ein Kurssturz kann eine an sich kerngesunde Firma zum Übernahmekandidaten machen. Es kann sich für eine Grossfirma lohnen, auf kritische Termine hin Massenentlassungen zu machen, weil das den Kurs meist ansteigen lässt. Auch ständige, sachlich schlecht begründete und letztlich langfristig schädliche Umstrukturierungen dienen vor allem dem kurzfristigen Aktienkurs. Die Umstrukturierung muss nicht gut sein, sie muss nur gut aussehen.
Auf diese Weise ist Wirtschaft irrational geworden.
Die Frage ist, wer zu hohe Erwartungen hat? Meine Frage ist, auf welchen Zahlen oder Schätzungen die Erkenntnisse der Analysten basieren? Da ist doch eine gehörige Portion Glaskugel mit dabei, sonst wären ja alle Analysten einer Meinung!
Da es jeweils um Erwartungen für die Zukunft geht, ist immer Unsicherheit mit dabei. Das gilt aber auch für jeden Investitionsentscheid in der Realwirtschaft. Die Datengrundlagen sind dabei so mannigfaltig wie die möglichen Schlussfolgerungen daraus.
Börse und Rationalität schliesst einander aus.
ich würde sagen, „die börse entwickelt sich meist irrational.“ weil sie produktivität und wertschöpfung höchst selten in betracht zieht. die börse ist kein spiegel der volkswirtschaft. sie wird von leuten beeinflusst, welche subjektive kriterien und erwartungshaltungen mehr gewichten, als das überhaupt vorhersehbar wäre. das sind sog. stake-holder. das grosse „on-line-casino“ im globalen las vegas ist rein manipulativ. und wenn alle mitspielen, funktioniert das auch. der „grosse bluff“ ist von der anzahl mitspieler und von deren einsatz geprägt. (siehe u.a. entwicklung libor-satz). objektiv gesehen, gehört die börsenspekulation abgeschafft.
Der Kommentar von Hr. Spieler zeigt, dass Börsenfachleute für alles und jedes eine Erklärung haben, wenn es geschehen ist. Und so schliesst auch der Text mit „Eine Garantie für anhaltendes Kurswachstum haben Sie allerdings … indes nicht.“ Dass die Anlagespezialisten, nur sehr beschränkte Augurenfähigkeiten haben, zeigt die Tatsache, dass die Fonds, welche sie erfolgreich zu managen vorgeben, die Benchmarks auf die sie sich beziehen, nicht systematisch schlagen können.
Die Börse entwickelt sich NIE rational oder wenn, dann höchstens 10%.
Seit wann ist die Börse rational und gerecht? Diese ist ein Spielfeld von Zockern und Gamblern, so wie man sie im Kasino antrifft. Zudem haben längst nicht alle dieselben „Spielbedingungen“. Man denke dabei nur „Leerverkäufe“, an die Hochfrequenzhändler oder daran, dass die Profi Zocker von den Banken i. d. R. keine Courtagen bezahlen müssen. So würde ich auch gerne als „Daytrader“ Geschäfte bzw. beim Wetten mitmachen und Reibach einstecken . . .