Gefährliches Spiel mit billigem Geld

Italien sitzt auf einer Staatsverschuldung von 2,3 Billionen Euro: Pleitebank Monte dei Paschi di Siena. Foto: Keystone

Italien sitzt auf einer Staatsverschuldung von 2,3 Billionen Euro: Pleitebank Monte dei Paschi di Siena. Foto: Keystone

Italien sei das neue Griechenland, hört man immer wieder. Und wenn Italien wanke, drohten die nächste Finanzkrise und ein Erdbeben an den Börsen. Wie sehen Sie das? M. I.

Wenn aktuell noch immer Tausende von Schweizerinnen und Schweizern an den italienischen Stränden das Dolce-farniente und in Mengen Espresso, Pizza und Gelato geniessen, dürften sich die wenigsten bewusst sein, wie miserabel es ihrem Ferienland eigentlich geht. Die Arbeitslosenquote in Italien liegt bei hohen 12 Prozent, wobei die Jugendarbeitslosigkeit noch weit höher ist. Während die Eurozone als Ganzes in diesem Jahr um die 2 Prozent wachsen wird, bringen es die Italiener voraussichtlich nur gerade auf die Hälfte.

Punkto Wirtschaftswachstum steht Italien innerhalb der Eurozone am schlechtesten da. Sogar Griechenland wächst mehr. An der Spitze steht Bella Italia indes bei einer Zahl, welche den Investoren die Ferienstimmung vermiesen müsste: bei den Staatsschulden. Fast 40’000 Franken Schulden pro Kopf hat der Staat Italien angehäuft. In absoluten Zahlen: 2,3 Billionen Euro beträgt die Staatsverschuldung von Italien. Immerhin stehen die Italiener bei der Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandprodukt mit 133 Prozent noch deutlich besser da als die Griechen.

Ebenso wie in Griechenland ist aber auch der italienische Finanzsektor marode. Auch die italienischen Banken sitzen auf Milliardenschulden, die nur teilweise gedeckt sein dürften. Symbolhaft wirkt die staatliche Rettung der einst renommierten Bank Monte dei Paschi di Siena: Hätte der italienische Staat mit Billigung der EU nicht stützend eingegriffen, wäre die älteste Bank der Welt von der Bildfläche verschwunden.

Dass es den Anlegern angesichts der hohen Staatsschulden Italiens nicht mehr ganz wohl ist, zeigen die beträchtlichen Risikoaufschläge der italienischen Staatsanleihen. Die Anleger stufen die Kredite Italiens weit schlechter ein als jene der meisten anderen EU-Länder. Heikel werden könnte es für Italien, wenn die Europäische Zentralbank irgendwann das Gleiche macht, was kürzlich die US-Notenbank angekündigt hat: Dass sie ihr milliardenschweres Wertpapieraufkaufprogramm schrittweise zu einem Ende bringt. Indem die Europäische Zentralbank mit ihren Milliarden Staatsanleihen aufkauft, bekommt auch Italien haufenweise billiges Geld. Wenn diese Finanzierungsquelle versiegt, wird es für Italien schwieriger und vor allem teurer, die Schulden zu finanzieren.

Sollte Italien in Schräglage geraten, wäre das weit schlimmer als der Fast-Kollaps von Griechenland, denn Italien ist nach Deutschland und Frankreich die drittgrösste Volkswirtschaft der Eurozone. Bereits im Herbst dürfte es in Italien zu Neuwahlen kommen. Sollten dann die EU- und Euro-kritischen Kräfte stärkeren Aufwind erhalten, wäre die italienische Wirtschaft mit einem zusätzlichen Unsicherheitsfaktor konfrontiert.

Führt man sich das alles vor Augen, kommt man rasch zum Schluss, dass es sich die EU gar nicht leisten kann, dass Italien trotz riesiger Schuldenberge pleitegeht. Ebenso wie im Falle Griechenlands wird die EU Italien selbst im Krisenfall mit dem Geld der Deutschen auffangen und mittels Milliarden-Finanzspritzen stützen. Das spricht mit dafür, dass die Europäische Zentralbank wohl noch einige Zeit an den rekordtiefen Zinsen in der Eurozone festhalten wird.

12 Kommentare zu «Gefährliches Spiel mit billigem Geld»

  • Franz Gödl sagt:

    Der Inhalt der ersten Stunde im ersten Jahr Volkswirtschaftslehre beinhaltet bereits die Erkenntnis, dass Marktmanipulation erstens nicht das erhoffte Resultat bringt und zweitens zu Markt-Verzerrungen führt, die wiederum zu einer Verschleppung des Problems auf andere Ebene ausufern. „Mindestpreis“ und „Mengensteuerung“ sind bei weit weniger komplexen Themen wie dem Milchmarkt oder der „Mindestlohn“ in der Arbeitswelt bekannt und auch dessen Fehlwirkung. Es ist doch völlig klar, dass mit der masslosen Zinsmanipulation der Notenbanken unglaubliche Ungleichgewichte geschaffen werden, die sich entweder in einem Kollaps des Finanzsystems und/oder extrem zunehmenden sozialen Spannungen entladen werden.

  • Margot sagt:

    „…. mit dem Geld der Deutschen auffangen.“ Ja, ja. Frankreich will auch eine Schuldenunion, d.h. nichts anderes als das auch da Deutschalnd bezahlen soll.

  • Josef Marti sagt:

    Italien braucht sicher keine Finanzspritzen, egal wie hoch die BIP Staatsschuldenquote ist. Seit 2012 ist die LB deutlich ins Positive gerutscht, die Staatsschulden schulden sich die Italiener mehrheitlich selbst, es gibt nämlich keine nennenswerten Aussenschulden. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu GR und anderen handelsdefizitären Kandidaten wie zB. GB. Sollten die Bankenpleiten wieder mal aufs Konto Staatsschulden umgebucht werden ist das auch egal, siehe Irland, dort hat diese Umbuchung 2010 die BIP Staatsschuldenquote auf einen Schlag von 30% auf 90% katapultiert. Richtig ist, dass die EZB dafür sorgt dass der Schuldendienst nach wie vor zum Billigtarif garantiert ist. Das kann man ewig so betreiben, siehe Japan.

    • M. Vetterli sagt:

      “Das kann man ewig so betreiben….”
      Nein… in einer heterogenen Währungsunion ist dies nicht möglich. Irgendwann muss die EZB auf den Norden Rücksicht nehmen. Die Inflation will zwar wirklich nicht ansteigen. Aber mögliche Blasenbildungen in den Vermögenswerten müssen zur Kenntnis genommen werden. Gelegentlich muss sich die EZB den Starken auf Kosten der Schwachen anpassen und die Geldpolitik straffen.
      Wenn die Halter von Staatspapieren sich auch künftig weiterhin grossmehrheitlich im Inland befinden ist eine Anhebung der Finanzierungskosten auch nicht sonderlich schlimm. Bleibt ja dann in der Familie. Ein Schuldenschnitt auf den Staatsanleihen wäre schlicht eine Verrechnung von Staatsschulden mit Vermögen der Bürger.

      Für die Privatwirtschaft würde dies allerdings anders aussehen.

    • Josef Marti sagt:

      Das hängt alles davon ab ob Italien in der Lage ist künftig die LB positiv zu halten und dadurch seine Target2 Schulden langfristig abzubauen (gilt genau gleich auch für E) spiegelbildlich zu den so sich abbauenden Guthaben von D/NL/Lux/Fin. Und zwar solange Draghi gegenüber den Privatgläubigern seit 2012 immer noch an seiner berühmten Garantie festhält, weil andernfalls Kapitalflucht resp. Rückzug der nördlichen Privatgläubiger aus der südlichen Privatwirtschaft die Targetschulden wieder anschwellen lässt. Damit das alles funktioniert muss D seine Überschüsse weiterhin vermehrt ausserhalb der Eurozone fahren.
      Wie vor diesem Hintergrund eine Zinserhöhung möglich sein soll, insbesondere am langen Ende, ist mir schleierhaft.

      • M. Vetterli sagt:

        @Josef Marti
        EWU ist ein heterogenes Gebilde. Vergleich mit Japan ist nicht passend. Die Ungleichgewichte sind gegenwärtig im Euroland zu gross.
        Eine einheitliche Geldpolitik natürlich schwierig zu definieren. Mögliche Blasenbildungen in den Vermögenswerten im Norden bei weiterhin lockerer Geldpolitik ist nicht klein. Eine Problematik, welche wir im Süden nicht antreffen. Japan hatte/hat solche Ungleichgewichte kaum aufzuweisen.

        Die EZB muss die Risiken abwägen. Der Süden muss stabilisiert werden, dem Norden darf die Stabilität nicht genommen werden.
        Die hervorragende Konjunkturlage verlangt allerdings gelegentlich eine Zinsanhebung.

        Wir werden sehen… ein Bundesstaat mit Transferleistungen wird es wohl richten müssen….

      • Josef Marti sagt:

        @Vetterli: Die Geldpolitik ist zwingend satzungsgemäss vereinheitlicht vorgeschrieben, Eurobeitritt heisst dass man seine Geldpolitik an Herr Draghi abgibt, es gibt nur einen Leitzins für alle. Vergessen Sie nicht dass Vermögenspreisblasen sich nicht im Norden sondern im Süden und IRL bildeten. D und A haben weltweit die vergleichsweise (in entwickelten Ländern) niedrigsten Immopreise und tiefe Privatverschuldung.

      • M. Vetterli sagt:

        Jaja… Einheitswährung…. mit zum Teil ungleichen Mitgliedern…
        Diese einheitliche Geldpolitik hat in der Vergangenheit zu den von Ihnen erwähnten Blasen im Immobilienbereich Spaniens und Irlands geführt. Hätte von diesen Staaten mittels makroprudenziellen Massnahmen verhindert werden können.

        Bezüglich Privatverschuldung der Nordländer haben Sie wohl recht. Zum Immobilienbereich des Nordens müsste ich googeln. 10 Jahre Tief/Niedrigstzinsen ergeben häufig Blasen. Wenn die EZB dem Vorsichtsprinzip horchend die Geldpolitik für den Norden definieren könnte, würde Sie die Zinsen wohl anheben.

        Zurück zum Artikel bezüglich Nichtanhebung der Zinsen: Wenn die Stabilität des Nordens nicht gefährdet wird, werden die Zinsen tief bleiben. Vielleicht sollte nun der Norden makroprud.Mittel ergr.

  • Robert F. Reichmuth sagt:

    Forza Italia! Prego Italia! Aiuto Italia! Aiuto, prego, Santo Papa Franzesco
    nella Vaticano!
    .
    Liebe Italienerinnen und Italiener in der CH – lasst Euch von der guten alten
    CH direktdemokratisch raten:
    .
    „Lieber ein ENDE mit Schrecken – als ein Schrecken ohne ENDE“

    • Josef Marti sagt:

      Nichts gegen den Vatikan. Der Vatikanstaat ist nicht zuletzt wegen unserer Schweizergardisten aus dem Wallis eine äusserst erfolgreiche Volkswirtschaft dank seiner Mieteinnahmen, dem eigenen Supermarkt und der Vatikantankstelle; der Papst erhält kein Gehalt sondern arbeitet für Gotteslohn, für alle anderen Angestellten gilt die 36 Stunden Woche und die Vatikangehälter sind steuerfrei. Die Müllabfuhr wird von der Stadt Rom besorgt.

  • Urs Hochstrasser sagt:

    Solange wie in Deutschland die Lohnstückkosten viel zu niedrig in Relation zum Inflationsziel sind, werden sich die anderen Volkswirtschaften nicht erholen können. Kann man alles bei Heiner Flassbeck nachlesen

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