Wann ist eine Aktie teuer?

EMS Chemie: Hohe Gewinnqualität. Foto: Nicola Pitaro

Ems-Chemie: Hohe Gewinnqualität. Foto: Nicola Pitaro

Ich halte Aktien von Ems-Chemie und Lindt & Sprüngli und frage mich, ob aufgrund des hohen Kurs-Gewinn-Verhältnisses eine Gewinnrealisierung angebracht ist. Unter welchem Wert ist eine Aktie günstig bewertet und weist ein grosses Kurspotenzial auf? Und ab welchem Wert ist eine Aktie teuer? A.W.

Das von Ihnen erwähnte Kurs-Gewinn-Verhältnis ist grundsätzlich eine relevante Kennzahl, um zu beurteilen, ob ein Unternehmen an der Börse günstiger oder bereits hoch bewertet ist. Im angelsächsischen Raum wird die Kennzahl auch mit Price-Earning-Ratio umschrieben. Hierzulande wird meist die deutsche Abkürzung KGV verwendet. Sie lässt sich von allen Investoren einfach berechnen, indem man den momentanen Kurs einer Aktie durch den vom Unternehmen ausgewiesenen Gewinn je Aktie oder vom prognostizierten Gewinn je Aktie teilt.

Damit sind Sie bereits mit der ersten Problematik konfrontiert: Nicht alle Analysten schätzen den erwarteten Gewinn einer Börsenfirma gleich ein. In der Praxis bestehen bei den Unternehmen grosse Bandbreiten bei den Gewinnschätzungen der verschiedenen Analyseabteilungen. Wenn Sie das KGV indes mit dem vom Unternehmen ausgewiesenen Gewinn pro Aktie berechnen, beziehen Sie sich auf die Vergangenheit, welche bereits im aktuellen Aktienkurs berücksichtigt ist. Gemäss Daumenregel gilt, dass Aktien mit tiefem KGV billig und jene mit hohem KGV teuer sind. Wichtig ist aber, dass Sie das KGV in Relation zum Markt sowie zu Branchenvertretern anschauen. Es bringt also nichts, wenn Sie allein nur auf die Zahl schauen, sondern Sie müssen das KGV mit jenem von Konkurrenzfirmen in Verbindung bringen. Ansonsten vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.

Auch gilt es zwischen Arten von Unternehmen zu unterscheiden: Ein Börsenschwergewicht wie Nestlé oder Roche wird anders beurteilt als ein Börsenneuling aus dem Technologiesektor, welcher hohe Wachstumsraten aufweist. Solange der Gewinn rasant steigt, kann selbst ein scheinbar höheres KGV einen Aktienkauf rechtfertigen. Das KGV ist somit nicht eine fixe Zahl, sondern meines Erachtens vielmehr ein Indikator unter weiteren und stark interpretationswürdig. Ein tiefes KGV kann etwa auch ein Indikator sein, dass der Markt grosse Zweifel an der Gewinnqualität des Unternehmens hat und das Vertrauen in die Firma verloren hat. In diesem Fall würde man nicht eine günstige – sondern eine hoch riskante Aktie erwerben.

Man sollte sich also nicht allein von dieser Zahl verführen lassen. Für mich ist das KGV eine Möglichkeit, um einen ersten Eindruck von der Bewertung der Börsenfirma zu bekommen. Ob wirklich eine zu tiefe Bewertung und somit ein echtes Kurspotenzial vorliegt, kann allein mit dem KGV nicht ermittelt werden, sondern muss anhand von weiteren Kennzahlen tiefer geprüft werden. Ein hohes KGV auf der anderen Seite kann zwar ein Hinweis sein, dass das Kurswachstum eher begrenzt ist, aber auch zum Ausdruck bringen, dass der Markt von der hohen Gewinnqualität überzeugt ist.

Genau dies ist meines Erachtens bei der Ems-Chemie der Fall: Die Aktie weist ein KGV von über 30 auf, was sie auf den ersten Blick als teuer erscheinen lässt. Doch in der Vergangenheit hat sich Ems-Chemie punkto Gewinnqualität über Jahre hinweg als sehr verlässlich erwiesen, und auch in Zukunft erwarte ich von dem Unternehmen dank den innovativen Produkten ein robustes Gewinnwachstum. Dies ist allerdings zu einem grossen Teil im aktuellen Kurs enthalten, sodass Sie kaum Kurssprünge bei der Aktie erwarten sollten.

Meines Erachtens ist Ems eine solide Langfristanlage, welche sich übrigens auch durch eine ansprechende Dividende von rund 2,5 Prozent auszeichnet. Ähnliches lässt sich aus meiner Sicht zu Lindt & Sprüngli sagen. Klar sind die Titel mit einem KGV von ebenfalls rund 30 hoch bewertet. Als Trader müsste man längst verkaufen. Für einen langfristig orientierten Anleger sind die Titel indes weiter attraktiv.

9 Kommentare zu «Wann ist eine Aktie teuer?»

  • Franz Gödl sagt:

    Es gibt keinen wissenschaftliche Beweis dafür, dass man mit dem P/E-Verhältnis die Kurse von Aktien vorhersagen kann. Von da her gesehen ist das P/E etwas so wichtig für Investitionsentscheide wie das Wetter.

  • Hans- U. Bon sagt:

    Interessant wäre zu wissen, wie war die Firma Ems Chemie auf der Basis des sogenannten KGV in den letzten 20 Jahren bewertet? Lustig zu lesen, aber wie immer gibt der Schreiber keine Antwort sondern schreibt irgendwas zum Thema daher. Die Titel sind anscheinend teuer, aber man soll sie trotzdem nicht verkaufen. Da Frau Martullo Blocher einen gigantischen Kredit zum Kauf der Aktien brauchte, ist es auch wichtig, dass die Aktie so hoch wie möglich bewertet ist. Der Vater schaut dazu….
    Für mich ist die Aktie ein klarer Verkauf.

  • Christoph Bögli sagt:

    Beim Thema Kursgewinne realisieren stellt sich zusätzlich auch immer die Frage, was man denn mit dem frei gewordenen Kapital anstellt und somit was die Opportunitätskosten der jeweiligen Entscheidung sind. In einem generell recht hoch bewerteten Markt ist es jedenfalls schwierig, eine andere Aktie zu finden, die sich als lukrativer erweisen könnte. Und mit Cash darauf zu warten, dass die Kurse wieder „günstig“ werden, dürfte auch keine sehr sinnvolle Strategie sein, dann lieber die Aktien behalten und eine schöne regelmässige Dividende mitnehmen.

  • Josef Marti sagt:

    Das KGV und die EK Rendite wird von Firmen durch fremdfinanzierte Aktienrückkäufe künstlich nach oben manipuliert.

    • Karl von Bruck sagt:

      Wie sagte doch schon der olle Superbaenkster Joe: „Mindestens 25% EK-Rendite! Und wenn sich die Zahlen nicht aendern, aendern sich die Gesichter!“. Und das geht nur mit massiver Fremdfinanzierung. Mit all ihren Risiken und Nebenwirkungen. Bis hin zu mit Gudwilfantasien gepolsterten statt dem Konkursrichter abgegebenen Bilanzen, wenn in Nochrechtsstaaten wegen gestandener Bandenkriminalitaet Bussen und Schadenersatz an betrogene Konsumenten in Zigmilliardenhoehe ausgeworfen werden muessen. Die gierigen Obermaenaetscher und Aktionaere werden mit zig Volksmilliarden freigekauft, derweil die Schalterfrontheloten im Ausland dort im Zuchthaus ihren der Befehlskette geleisteten Kadavergehorsam bitter buessen muessen….

    • Josef Marti sagt:

      Konzerne mit hohem Eigenfinanzierungsgrad erreichen dasselbe Ziel mit vermehrten fremdfinanzierten Ausschüttungen von Substanzdividenden.

      • Karl von Bruck sagt:

        Die Konzernbilanzen sind ein hochkrimineller – in Nochrechtsstaaten im Gefaengns fuer die Bastler endender – Hochseilakt. Seit das Bundesgericht die Bilanzfriseure von der Urkundenfaelschung beguenstigt, bleibt kaum ein Trick unversucht und unverfolgt, die Gewinne an die Aktionaere und Maenaetscher umzuleiten, die Substanz zu filettieren, und die Beteiligung der anderen Staikholder (Arbeiter, Staat, Konsumenten usw. pp) zu minimieren, ihnen aber mit ueblicher Weigerung der ueberfetteten Aktionaere nachzuschiessen, die Verluste aufzupuckeln, wenn das viel zu kleine Eigenkapital wegen Unfaellen oder Verbrechen verschuett geht….

        Uebrigens, SRF hat im gestrigen 10 vor 10 ausnahmsweise angeprangert, dass die Oberbaenkster ungeschoren davonkommen, derweil deren Befehlsnotstaender veru

  • Hans- U. Bon sagt:

    Falsch. Durch die Reduktion der Anzahl ausstehender Aktien wir das KGV gedrückt, da der Gewinn pro Aktie steigt.

  • Hugo Tobler sagt:

    Da sich der Aktienkurs aus der Summe aller zukuenftigen Gewinne berechnet (in der Theorie zumindest) sind bei niedrigen Zinsen die P/E logischweise hoeher als in Zeiten hoher Zinsen, da die zukuenftigen Gewinne viel weniger abdiskontiert werden.

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