Negativzinsen: Was von der Nationalbank zu erwarten ist

Schweizer Noten im Euromeer: Leichte Aufwertung des Frankens möglich. Foto: Keystone
Nachdem die Nationalbank 2015 den Euromindestkurs aufgegeben hat, traue ich ihr nicht mehr. Wird sie demnächst den Franken ganz freigeben? O.F.
Nein. Ich erwarte zwar, dass die Schweizerische Nationalbank eine leichte Aufwertung des Frankens zum Euro zulassen wird. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie den Franken ganz freigibt. Kurse von 1.05 Franken zum Euro halte ich für möglich, darunter dürfte die SNB den Euro wohl kaum sinken lassen.
Wie stark die Nationalbank tatsächlich interveniert, hängt von den geopolitischen Ereignissen in den nächsten Monaten ab. Sollte es im Nahen Osten rund um die Konfliktherde Syrien und Türkei sowie Nordkorea oder im Zuge eines unerwarteten Ausganges nach dem zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl in Frankreich zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen, würde die SNB gezwungen, erneut zugunsten des Euros und einer Abschwächung des Frankens einzugreifen. Krisen führen in der Regel zu einer vermehrten Flucht in den sicheren Hafen Schweizer Franken.
Sollten solche unerwarteten Ereignisse ausbleiben, dürfte die SNB in den nächsten Monaten an ihrem eingeschlagenen Kurs festhalten. Dies bedeutet, dass sie an den Negativzinsen mit einem Einlagesatz von minus 0,75 Prozent nichts verändert und auch das Zielband für den Dreimonats-Libor bei minus 0,25 Prozent bis minus 1,25 Prozent verharrt. Die Negativzinsen wird sie nur bei einer erneuten starken Flucht in den Franken ausweiten. Ohne Not wird sie diese Möglichkeit kaum nutzen, da die Ausweitung der Negativzinsen etwa auf minus 1 Prozent unerwünschte Nebenwirkungen zeigen könnte, indem noch mehr Bargeld gehortet würde, weil Banken die Negativzinsen vermehrt an einen Teil ihrer Kunden weitergeben würden.
Eher realistisch stufe ich ein, dass die SNB auch in den kommenden Monaten regelmässig am Devisenmarkt interveniert, um den Franken zu schwächen. Angesichts der bereits deutlich angestiegenen Fremdwährungspositionen sind die Möglichkeiten der Nationalbank aber beschränkt. Bei ihren Entscheiden über weitere Deviseninterventionen fokussiert die Notenbank allerdings nicht nur auf den Euro. Solange sich der Dollar robust um rund einen Franken bewegt, hat sie etwas weniger Druck. Sollte sich aber der Franken sowohl zum Euro als auch zum Dollar erneut aufwerten, geriete die SNB stärker unter Zugzwang.
Vorderhand erwarte ich von der SNB keine unangenehmen Überraschungen. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass sie die Märkte daran zu gewöhnen versucht, dass sich der Euro zum Franken in einer Bandbreite zwischen 1.05 und 1.07 bewegt. Dies als eine völlige Freigabe des Kurses zu deuten, erachte ich als falsch. Viele Pfeile hat die SNB nicht mehr im Köcher: Die wenigen hält sie zurück, um sie erst dann einzusetzen, wenn es aufgrund einer erneuten starken Frankenaufwertung grobe Signale braucht.
5 Kommentare zu «Negativzinsen: Was von der Nationalbank zu erwarten ist»
Wie häufig erhalten Sie eigentlich solche Zuschriften:
Nachdem die Nationalbank 2015 den Euromindestkurs aufgegeben hat, traue ich ihr nicht mehr. Wird sie demnächst den Franken ganz freigeben? O.F.
Ist das eine vereinzelte Meinung oder erreicht den Tagi so etwas oft? Wenn diese Ansicht verbreitet sein sollte, wäre das nicht wirklich gut für die SNB.
Wir erhalten in der Tat immer wieder mal kritische Leseranfragen zur Geldpolitik der Nationalbank. Kritikpunkte sind neben der damaligen Euro-Mindestkursaufhebung auch die momentanen Negativzinsen.
Da die Frankenaufertung überwiegend durch die Leistungsbilanzüberschüsse der schweizerischen Volkswirtschaft getrieben ist, wird sich die Aufwertung in etwa linear fortsetzten, wie in den letzten 9 Jahren. Kurse um die 1.07 werden schon bald der Vergangenheit angehören und wir nähern uns zunehmend der Parität zum Euro
Nein. Das stimmt nicht. Die Frankenstärke ist wesentlich durch die Flucht ausländischer Anleger in den CHF getrieben. Der Leistungsbilanzüberschuss hilft nicht, ist aber nur ein kleiner Teil des Problems.
Hasler: Meine Worte! Ich habe Herrn Stadelmann via der Kapitalbilanz und den Veränderungen innerhalb der NIIP (aber in der Bruttobetrachtung z.B. auf Währungsebene) schon auf x verschiedene Betrachtungsweisen versucht aufzuzeigen, dass einerseits ein grosser Teil der CH Leistungsüberschüsse wieder im Ausland reinvestiert werden und dass die nur CHFFX NIIP seit Ende 2007 bis Ende 2016 von -966 Mrd auf -1858 Mrd als um -892 Mrd verschlechtert hat – davon waren 605 Mrd SNB.
Nur muss man zur Differenz von 287 Mrd noch die Abflüsse via Schweizer Firmen und Private dazurechnen, dann kommt man auf ausländische Investitionen und Fluchtgelder mit einem Ueberschuss vs . der Leistungsbilanz von um die 300 bis 360 Mrd – es dürften also brutto um 900 Mrd zugeflossen sein seit 2007