Was nun, Mario Draghi?
Willkommen auf unserem Geldblog. Jeweils am Dienstag und Donnerstag beantwortet der Geldberater Martin Spieler Ihre Fragen. Jeweils am Sonntag wird die Börsenkolumne von Armando Guglielmetti aufgeschaltet.

Zentralbank-Chef Mario Draghi: Mit seinem Latein am Ende? Foto: Reuters
In der Schweiz haben wir Negativzinsen. Auch in Europa. Wegen der Probleme in China pumpt die Notenbank Europas noch mehr Milliarden in die Finanzmärkte. Bringt das überhaupt etwas? F.H.
Die Europäer kopieren mit zeitlicher Verzögerung die Geldpolitik der Amerikaner. Im Zuge der Finanzkrise haben die Notenbanken der USA und Europas zuerst die Zinsen auf Rekordtiefs gesenkt und dann die Märkte mit Milliarden von spotbilligem Geld geflutet. Weil die Zinsen schon auf null waren, wurden schliesslich im grossen Stil Anleihen aufgekauft.
In Amerika scheint die Rechnung aufzugehen: Die Wirtschaft hat wieder Tritt gefasst und der Arbeitsmarkt hat sich deutlich erholt. Nach wie vor zu tief ist aber die Teuerung. Viel zu tief ist die Inflation ebenfalls in Europa. Hier tut sich die Wirtschaft aber weit schwerer mit der Erholung. Die Abschwächung in China, die fehlenden Investitionen im Zuge des tiefen Ölpreises und die steigenden Staatsausgaben wegen des Flüchtlingsansturms und der Griechenlandkrise hemmen das Wachstum.
Immer wieder weckt der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, Hoffnungen bei den Anlegern, indem er weitere Massnahmen zur Anfeuerung der Wirtschaft andeutet. Bis jetzt greifen die quantitativen Lockerungsmassnahmen in Europa aber nicht oder zu wenig. Das Geld kommt zu einem grossen Teil weder bei den Unternehmen noch bei den Konsumenten an und kurbelt nicht wie gewünscht die Kredite und die Konjunktur an. Das ist ein gefährliches Signal. Immer mehr Investoren fragen: Was nun, Mario Draghi?
Schon im März könnte Draghi die Zinsen erneut senken. Doch als Anleger würde ich nicht mehr auf eine starke Wirkung solcher geldpolitischen Impulse der Notenbanken hoffen. In den USA ist die Zinswende bereits erfolgt, und in Europa zeigt die Strategie der EZB trotz der Unsummen an billigem Geld zu wenig Wirkung. Sie kann noch länger und noch mehr Anleihen aufkaufen. Doch der Funken springt nicht auf die Realwirtschaft.
Langsam aber sicher hat die EZB ihr Pulver verschossen, ohne dass die Inflation im gewünschten Ausmass ansteigt. Gleichzeitig hat sich aber eine geldpolitische Luftblase gebildet. Falls diese platzt, werden wir an den Finanzmärkten noch ganz andere Turbulenzen sehen als jene im Januar. Ich frage mich, mit welchen Massnahmen die EZB die Märkte dann besänftigen will.
Apple ist zu teuer
Schon seit längerem überlege ich mir, Aktien von Apple zu kaufen. Lohnt es sich da einzusteigen, um etwas Geld zu verdienen? J.S.
Obwohl die Aktien von Apple in letzter Zeit ebenfalls korrigiert hatten, stufe ich sie derzeit als zu teuer ein. Ich zweifle daran, dass für Sie die Rechnung aufgeht, wenn sie die Titel nur kurz halten möchten, um wie Sie es ausdrücken, etwas Geld zu verdienen. Die neusten Zahlen zeigen, dass auch für den US-Techriesen die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Vorsichtig machen würden mich vor allem die iPhone-Verkäufe. Diese sind das wichtigste Umsatzstandbein. Doch ausgerechnet hier zeichnet sich der erste Rückgang seit der spektakulären Markteinführung im Jahr 2007 ab. Konzernchef Tim Cook räumte selbst ein, dass der Umsatz im laufenden Quartal abnehmen wird. Neu soll dieser nur noch zwischen 50 und 53 Milliarden Dollar nach 58 Milliarden Dollar im gleichen Vorjahresquartal liegen. Bereits im letzten Quartal 2015 stagnierten die iPhone-Verkäufe praktisch.
Der starke Dollar und die zögerlichen Konsumenten machen es auch für Apple schwierig, an die frühere Rekordserie anzuknüpfen. Die Wachstumsabschwächung in China könnte Apple künftig zusätzlich bremsen. Immerhin setzt der US-Konzern rund ein Viertel im Reich der Mitte um. Von dem eben erst ausgewiesenen Rekordgewinn von 18,4 Milliarden Dollar würde ich mich nicht blenden lassen. Denn für den künftigen Aktienkurs sind nicht die Resultate der Vergangenheit, sondern die Aussichten und Leistungen in der Zukunft entscheidend. Und diese Perspektiven haben sich eindeutig eingetrübt.
Neues Kurspotenzial sehe ich nach dem beeindruckenden Anstieg der Aktie der letzten Jahre erst wieder, wenn Apple eine Produkteneuheit ankündigt oder mit der reichlich gefüllten Kriegskasse von über 200 Milliarden Dollar einen spektakulären Kauf tätigt, welcher für den Techkonzern einen neuen Gewinnschub ermöglicht. In der Zwischenzeit hält sich das Kurspotenzial von Apple meines Erachtens in Grenzen.
Bei der Wohnbaugenossenschaft Geld parkieren
Gerne würde ich Geld bei der ABL Depositenkasse Luzern anlegen. Sie bietet für langjährige Anlagen auf acht Jahre 1,5 Prozent Zins. Ich nehme mal an, dass es noch eine Weile dauert, bis die Zinsen steigen. Wie sicher sind Gelder bei Wohnbaugenossenschaften? J.M.
Wenn Sie Geld bei einer Depositenkasse einer Wohnbaugenossenschaft deponieren, ist dieses genau so sicher wie die Genossenschaft selbst. Denn in der Regel haftet die Genossenschaft für das Kapital. Im Fall der Allgemeinen Baugenosseschaft Luzern (ABL) steht diese mit ihrem vollen Vermögen für die Einlagen bei ihrer Depositenkasse gerade.
Bevor man in eine Genossenschaft oder deren Depositenkasse investiert, sollte man daher prüfen, wie robust diese finanziell aufgestellt ist. Konkret: Wie viel Eigenkapital besitzt sie, wie hoch ist der Fremdkapitalanteil, welcher in der Regel aus Hypotheken auf den Wohnliegenschaften besteht. Im konkreten Fall der ABL erachte ich die Risiken als überschaubar, denn die Genossenschaft weist ein beträchtliches Eigenkapital von rund 130 Millionen Franken aus und hat ihre Liegenschaften gemäss eigenen Angaben mit weniger als einem Drittel des ohnehin schon etwas tieferen Gebäudeversicherungswertes mit Hypotheken belastet. Selbst ein Immobiliencrash wäre für die Genossenschaft kaum ein Problem, da sie die Liegenschaften ja nicht verkauft, sondern langfristig vermietet.
Problematisch wäre lediglich, wenn in der Geschäftsführung gravierende Fehler gemacht würden oder wenn sehr viele Wohnungen nicht vermietet werden könnten, was angesichts der Wohnungssituation in Luzern derzeit kein echtes Risiko darstellt. Vor diesem Hintergrund stufe ich eine Einlage bei der ABL zwar nicht als vollkommen risikolos, aber im Vergleich zu anderen Investments als eine Anlage mit einem sehr geringen Risiko ein.
8 Kommentare zu «Was nun, Mario Draghi?»
Sehr geehrter Herr Spieler
was meinen Sie genau mit der „geldpolitischen Luftblase“?
Vielen Dank.
Danke für die Analyse, wir kennen die Situation, wie wäre es mit einem konstruktiven Vorschlag ? Ich hätte einen: Zinsen auf Vermögen ganz abschaffen, denn Geld hat keinen Selbstzweck und Vermögen ab 1 Mio. mit 10% besteuern, das tut niemandem weg und bringt viel Geld für die Investition in Infrastruktur, Bildung und erneuerbare Energien.
es wäre schon ein Riesenfortschritt, wenn weltweit eine einheitliche Kapitalgewinnsteuer von z.B.
1 Promille eingeführt werden könnte.
Wenn der Wille zu echten Reformen fehlt und die Etatisten weiterhin das Sagen haben wird die ganze Geldflut wenn überhaupt, dann nur eine oberflächliche Wirkung haben. Da sich die Berufspolitiker ihre Wahl mit nicht finanzierbaren staatlichen Leistungen erkaufen und sie ihre attraktiven Jobs behalten wollen ist eine Änderung kaum zu erwarten. Bleibt zu hoffen, dass es nicht wieder eine Situation braucht wie wir sie vor 70 Jahren hatten…
Es zeigt sich von Tag zu Tag ,dass die EU dem Ende entgegen geht.Draghi,Schulz und Junker verbreiten die grössten Märchen.Hr.Berlusconi hatte vor 3 Jahren recht ,als er M. Schulz in die richtige Ecke gestellt hatte.
Danke Herr Wiedmer, ich stimme Ihnen vollkommen zu. Die einzige Möglichkeit sich in einer Demokratie zu wehren, ist die Wahl von Parteien, welche das Establishment von Grund auf erschüttern und wieder Idealisten hervorbringen, die sich gegen dieses schlecht gewordene auflehnen. Ein offensichtlich unvermeidbarer Zyklus. Die Quintessenz: Europa verlassen bevor es wieder kracht. Was ich mich wirklich frage ist, weshalb es keine Partei gibt, die diese Unabhängigkeit hat, denn eigentlich gibt es genug Menschen, die es ernst meinen und nicht von Gier und Besitzstandswahrung getrieben sind – oder etwa nicht ?
Draghi hätte schon lange aufhören sollen mit diesen quantitativen Lockerungsmassnahmen. Die Zentralbank kauft Anleihen ihrer Mitgliedstaaten, das ist eine Katze, die sich in den Schwanz beisst. Mit diesen Massnahmen werden die ökonomischen Anreize für Reformen in den Mitgliedstaaten künstlich entfernt. Dabei liegt doch genau hier das Problem: Ineffiziente, intransparente Verwaltungen und Justiz in den südlichen Mitgliedstaaten, ein schwaches Bildungswesen, mangelnde Sprachkenntnisse, sanierungsbedürftige Sozialwerke, systematische Steuerhinterziehung, zu hohe Steuern, Korruption, Rechtsunsicherheit, wenig wirtschafts- und bürgerfreundliche Behörden, zu rigides Arbeitsrecht, zu wenig Forschung, Entwicklung und Innovation. Diese Probleme kann Draghi nicht lösen, das ist Sache der Regierungen
Eine Geldflutung der Märkte ist im heutigen wirtschaftlichen Umfeld
die eher bessere Variante. Lieber eine Rezession mit anschliessender
Deflation verhindern, als wie in den 30er Jahren eine Weltwirtschaftskrise auslösen. Damals fand keine Geldflutung statt. Inflationsbefürchtungen sind im Moment nicht begründet,trotz langandauernder Warnungen auch von kompetenten Stellen.