Tiefer Ölpreis: Ein Segen für Konsumenten, ein Fluch für die Konjunktur
Willkommen auf unserem neuen Geldblog. Jeweils am Dienstag und Donnerstag beantwortet der Geldberater Martin Spieler Ihre Fragen. Jeweils am Sonntag wird die Börsenkolumne von Armando Guglielmetti aufgeschaltet.

Ölüberangebot führt zu grossem Konkurrenzkampf und niedrigen Preisen. Foto: Getty
Als Grund für den Abwärtsgang der Börsen wird momentan meist auch der tiefe Ölpreis genannt. Das verstehe ich nicht. Eigentlich ist es für Firmen und Konsumenten doch positiv, wenn das Öl weniger kostet. Warum reagiert die Börse dennoch negativ? T. H.
Sie haben recht. Dank dem tiefen Ölpreis werden einige Produkte günstiger: der Benzinpreis, die Heizkosten für viele Hausbesitzer und Mieter, aber auch Produkte, die auf Basis von Öl hergestellt werden. Beim Benzinpreis merkt man es direkt. Wenn man weniger an der Zapfsäule bezahlt, bleibt einem mehr im Portemonnaie für anderweitigen Konsum.
Das ist positiv für den Detailhandel, sofern die Konsumenten das Geld dann wirklich ausgeben. Auch Firmen werden entlastet. Offensichtlich ist dies bei den Airlines, die deutlich weniger fürs Kerosin hinblättern müssen. Da sie den Preisnachlass nicht voll an die Kunden weitergeben, können sie ihre Marge – wie übrigens auch die Ölhändler – etwas ausweiten. Günstiger fahren auch die Produktionsfirmen etwa im Chemiesektor, die Öl für die Herstellung vielfältiger Produkte verwenden. Dies alles ist positiv und müsste unsere Konjunktur eigentlich stimulieren.
Das Problem ist aber, dass die Konsumenten das eingesparte Geld bis jetzt nicht ausgeben und es auch auf Unternehmensseite viele Verlierer des günstigen Ölpreises gibt. Insbesondere Unternehmen sind dies, die als Zulieferer für die Ölindustrie tätig sind. Typisches Beispiel ist die ABB. Weil der Ölpreis so tief ist, erneuern die internationalen Öl- und Gasförderunternehmen ihre Anlagen nicht oder weniger, womit Aufträge auch bei Schweizer Zulieferern ausbleiben. Wenn schliesslich Arbeitsplätze abgebaut werden, nützen auch die tieferen Preise für die Konsumenten wenig. Generell nimmt die Investitionstätigkeit der Ölländer ab, da deren Einnahmen aus dem Ölgeschäft weniger sprudeln. Sichtbar ist dies bei Saudiarabien, das erstmals ein grosses Sparprogramm lanciert hat, aber auch bei Russland und den Golfstaaten. Verstärkt wird die Investitionszurückhaltung durch die Krise in vielen Schwellenländern.
Der Konkurrenzkampf unter den Ölförderländern und -firmen und das Überangebot dürften dazu führen, dass es für einige Unternehmen immer weniger rentabel ist, überhaupt Öl zu fördern. Kritisch wird es vor allem für viele US-Firmen. Konkurse dürften kaum abzuwenden sein, Kredite werden zum Teil nicht mehr zurückbezahlt, was auch Banken in Mitleidenschaft zieht. Auch sonst leiden zahlreiche Ölfirmen in den USA besonders unter der Ölpreisbaisse, was den Handel an der Wallstreet stark belastet. Die negativen Vorgaben der Wallstreet wiederum lassen zusammen mit der starken Verunsicherung wegen der Abschwächung in China auch bei uns die Aktienkurse sinken.
Obwohl der tiefe Ölpreis für den Konsum bei uns eigentlich ein Segen wäre, ist er ein deutliches Signal für die Abschwächung der Weltkonjunktur. Dies wiederum lässt geringere Aufträge für die Exportwirtschaft befürchten. Trotz des positiven Effektes auf das Portemonnaie der Konsumenten führen die tiefen Ölnotierungen zusammen mit der Abkühlung der Weltwirtschaft zu einer stärkeren Verunsicherung an der Börse. Ebenso wie der tiefe Ölpreis dürfte diese meines Erachtens noch einige Zeit andauern.
Arbeitgeber informieren
Ich wurde betrieben und kann nicht zahlen. Was passiert bei einer Pfändung? Ich habe Angst, deswegen meinen Job zu verlieren. V. L.
Falls Sie gegen die Betreibung nicht Rechtsvorschlag erhoben haben oder diese durch einen gerichtlichen Beschluss eingestellt wurde, kann der Gläubiger frühestens nach 20 Tagen nach der Zustellung des Zahlungsbefehls ein sogenanntes Fortsetzungsbegehren stellen. Dies bedeutet, dass das Betreibungsamt prüft, ob ein Konkurs- oder Pfändungsverfahren eingeleitet wird.
Da Sie, wie Sie mir schreiben, regelmässige Lohneinkünfte und offenbar nicht noch andere offene Schulden haben, gehe ich davon aus, dass in Ihrem Fall ein Pfändungsverfahren zur Anwendung kommt. Damit muss das Betreibungsamt Ihnen die Pfändung ankündigen und einleiten. Sofern Sie keine verwertbaren Vermögens- und Sachwerte besitzen, dürfte es zu einer Einkommenspfändung kommen.
Allerdings kann nur ein Teil des Lohnes gepfändet werden. Das Existenzminimum für Lebensmittel, Körper- und Gesundheitspflege, Kleider, Schuhe usw. muss Ihnen gelassen werden. Wie hoch dieses in Ihrem Fall ausfällt, hängt von Ihrer Familiensituation ab und wird anhand der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums festgelegt, wobei Wohnungsmiete und Krankenkassenprämien mitberücksichtigt werden, nicht aber die Steuern. Die Höhe der Miete und Krankenkassenprämie müssen Sie schriftlich belegen können.
Wenn es tatsächlich zu einer Einkommenspfändung kommt, würde ich vorgängig mit Ihrem Arbeitgeber das Gespräch suchen und Ihren Vorgesetzten oder der Personalabteilung die Situation erklären. Zu Lohnpfändungen kommt es häufiger, als man denkt, nicht zuletzt im Zuge von Scheidungen. Ihre Angst, den Job zu verlieren, halte ich für nicht begründet. Wenn Sie Ihrem Arbeitgeber die Hintergründe der Pfändung darlegen können, sehe ich keinen Anlass für eine mögliche Kündigung. Selbstverständlich ist der Arbeitgeber zur Vertraulichkeit verpflichtet.
Private Vorsorge durch den Einzelnen wird wichtiger
Ich habe gelesen, dass meine Pensionskasse die Mindestverzinsung senkt. Was bedeutet dies für mich? A. F.
Das bedeutet, dass Sie auf Ihrem Pensionskassengeld ab diesem Jahr eine geringere Rendite erwirtschaften. Konkret haben die Pensionskassen per Jahresanfang den Mindestzins von bisher 1,75 Prozent auf nur noch 1,25 Prozent gesenkt. Das ist zwar noch immer deutlich mehr, als Sie auf Ihrem Sparkonto erhalten. Dennoch macht ein halbes Prozent Zins auf hohen Beträgen, wie sie in der Pensionskasse parkiert sind, einiges aus – vor allem über mehrere Jahre hinweg.
Auch Pensionskassen haben Mühe, mit sicheren Anlagen noch eine anständige Rendite zu erreichen. Auf den sehr sicheren Bundesobligationen der Eidgenossenschaft, die viele PK in ihren Depots haben, verliert man angesichts der Negativzinsen sogar Geld. Auch Unternehmensanleihen mit Toprating werfen kaum mehr etwas ab. Wesentlich höhere Renditen versprechen zwar andere Anlageklassen – insbesondere Aktien. Pensionskassen können aber nur einen Teil des Geldes in besser rentierende, dafür stärker schwankungsanfällige Anlageklassen investieren. Zwar ist es durchaus möglich, dass Ihre Pensionskasse Ihr PK-Kapital höher verzinst, sofern sie selbst eine höhere Rendite auf den Anlagen erreicht. Garantiert ist dies aber nicht. Sicher ist nur der Mindestzins.
Für Sie heisst die geringere Rendite, dass ein wichtiger Beitragszahler fehlt: Denn neben Ihren Beiträgen und denjenigen Ihres Arbeitgebers ist die von der PK an den Finanzmärkten auf dem Kapital erwirtschaftete Rendite faktisch der dritte Beitragszahler. Doch wegen der tiefen Zinsen trägt dieser immer weniger zu Ihrer Altersvorsorge bei. Zusätzlich senken die Pensionskassen ihre Umwandlungssätze. Dies führt zusammen mit der geringeren Mindestverzinsung dazu, dass Sie später weniger Altersgeld zur Verfügung haben.
Wenn die Zinsen noch lange tief bleiben, wovon ich ausgehe, müssen Sie sich darauf einstellen, dass Sie in der PK deutlich weniger Alterskapital auf der hohen Kante haben werden, als Sie früher vielleicht angenommen hatten. Für Versicherte wie Sie bedeutet dies, dass die freiwillige private Vorsorge künftig noch viel wichtiger wird. Ich empfehle Ihnen, zusätzlich zur ersten Säule, der AHV und der zweiten Säule unbedingt regelmässig eine dritte Säule zu äufnen und jährlich möglichst den bei den Steuern abzugsfähigen Maximalbetrag in Ihre dritte Säule einzuzahlen. So sind Sie in der Lage, wenigstens einen Teil Ihrer wegen der tiefen Zinsen entstehenden beträchtlichen Vorsorgelücke zu kompensieren.
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