Droht ein Immobilien-Crash?

Bürohäuser, Ladenflächen, Ferienhäuser oder Wohnliegenschaften: Wo aktuell das grösste Risiko am Immobilienmarkt liegt.

Könnten bald wieder gesucht sein: Ferienhäuser in der Schweiz. Foto: Keystone

Kürzlich haben Sie geschrieben, dass die Preise von Häusern gestützt bleiben, solange die Zinsen tief sind. Die Corona-Krise hat aber vieles verändert. Sind wir nicht in einer ähnlichen Phase wie Anfang der 90er-Jahre, wo dann die Hauspreise plötzlich eingebrochen waren? K.E.

Um den Vergleich zwischen der Situation in den 1990er-Jahren mit jener von heute zu erläutern, müssen wir zuerst einen Blick zurück in die 1980er-Jahre werfen. Damals verfolgte die Schweizerische Nationalbank nach dem Ende der Rezession Anfang der 80er-Jahre ebenfalls eine lockere Geldpolitik. Die Zinsen waren tief, allerdings nicht so tief wie heute.

Dennoch verhalfen diese den Immobilienpreisen hierzulande zu einem steilen Preisanstieg, der durch den Aktien-Crash von 1987 noch begünstigt wurde, weil viele gegenüber Aktien vorsichtiger wurden und stattdessen ihr Heil in den Liegenschaften suchten. Die Banken waren mit der Vergabe von Hypotheken locker, und die Bauwirtschaft profitierte von Impulsprogrammen.

Als die Inflation anzog und die Nationalbank die Zinsen 1989 stark anhob, dauerte die Immobilienhausse nicht mehr lange. 1991 folgten der Immobilien-Crash und eine Rezession. In den Folgejahren mussten Banken und Baufirmen viel Geld abschreiben, etliche Unternehmen gingen in Konkurs. Die Schweizer Banken verbuchten hohe Abschreiber von 40 Milliarden Franken. Einige Banken gingen zugrunde. Der Zusammenbruch der damaligen Spar- und Leihkasse Thun ist Älteren noch in unguter Erinnerung.

Direkt vergleichen können Sie die damalige Situation mit der heutigen Situation meines Erachtens nicht, obschon es durchaus ein paar interessante Parallelen gibt. Auch heute sahen wir bis vor kurzem – zumindest in einigen Regionen der Schweiz und in einzelnen Marktsegmenten – eine Preisblase bei Immobilien.

Viele Inlandbanken sitzen auf immensen Hypothekenportfolios, was sie im Fall eines Crashs verletzlich macht.

Offensichtlich ist das bei Renditeliegenschaften, die in den letzten Jahren vom Anlagenotstand bei vielen institutionellen Investoren und vermögenden Privatanlegern profitierten. Längst sind die Renditen bei vielen Objekten dahingeschmolzen, und doch wurden noch hohe Preise bezahlt.

Eine weitere Parallele sind die tiefen Zinsen. Dieser Effekt ist heute noch stärker, da das Zinsniveau mit den Negativzinsen noch tiefer ist als in den 80er-Jahren. Die Immobilienfinanzierung ist spottbillig, was die Liegenschaftenmärkte stützt.

Allerdings hat sich die Vergabepraxis der Banken deutlich verschärft. Unter dem Druck der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank sind die hiesigen Institute bei der Vergabe von Hypotheken zurückhaltender. Dennoch sitzen viele Inlandbanken auf immensen Hypothekenportfolios, was sie im Fall eines Immo-Crashs verletzlich macht.

Die Corona-Krise hat in der Tat vieles verändert. Das grösste Risiko am Immobilienmarkt sehe ich derzeit bei Geschäftsliegenschaften, und zwar sowohl bei Büro- und Gewerbehäusern als auch bei Ladenflächen. Einerseits wird der Bedarf an Büro- und Ladenflächen zurückgehen, da die Corona-Krise den Trend zu Homeoffice und E-Shopping stark verstärkt hat. Anderseits sorgen vermehrte Konkurse dafür, dass Gewerbeliegenschaften auf den Markt kommen. Die Preise werden im Bereich der Geschäftsliegenschaften deutlich zurückgehen.

Komplexer sind die Corona-Folgen bei den Wohnliegenschaften. Zwar haben die steigende Arbeitslosenzahl und die Rezession zur Konsequenz, dass auch Wohnimmobilien vermehrt auf den Markt kommen, weil ihre Besitzer die Zinsen nicht mehr zahlen können. In einer späteren Phase könnte der hiesige Immobilienmarkt aber davon profitieren, dass Leute vermehrt im Inland bleiben und sichere Standorte suchen.

Nach einer kurzfristigen Schwächephase könnten etwa Ferienhäuser in der Schweiz wieder gesucht sein, weil man nach den Erfahrungen der Corona-Krise eher wieder in der Schweiz Ferien machen will.

Anders als Ende der 80er-Jahre präsentieren sich auch die Inflationsperspektiven. Die Teuerung ist weiter sehr tief, und es gibt keine Anzeichen, dass die Inflation vorderhand stark und schnell anzieht. Angesichts der tiefen Inflation und der wegen der Corona-Rezession noch lange lockeren Geldpolitik in Europa und den USA ist vorderhand nicht zu erwarten, dass die Schweizerische Nationalbank die Zinsen in absehbarer Zeit erhöht. Ansonsten wäre ihr Kampf gegen den starken Franken zwecklos.

Im Gegensatz zu 1990 ist heute kein Zinsanstieg absehbar, dafür aber gleiten wir in eine Rezession, die den Immobilienmarkt zweifellos belasten wird. Im Segment der Geschäftsliegenschaften rechne ich mit einem Crash.

Ob und wie stark die Preise dagegen bei den Wohnliegenschaften unter Druck kommen, hängt davon ab, ob nach dem Wirtschaftseinbruch in diesem Jahr im kommenden Jahr, wie von vielen Ökonomen erwartet, tatsächlich eine starke Erholung kommt. Falls diese ausbleibt, würde wohl auch das Segment der Wohnimmobilien stärker unter Druck kommen.

5 Kommentare zu «Droht ein Immobilien-Crash?»

  • Anh Toàn sagt:

    „Längst sind die Renditen bei vielen Objekten dahingeschmolzen, und doch wurden noch hohe Preise bezahlt.“

    Ähm, würden nicht so hohe Preise bezahlt, wären die Renditen höher.

    „Im Gegensatz zu 1990 ist heute kein Zinsanstieg absehbar,…“

    und darum werden auch die Renditen auf Immobilien nicht steigen: Solange die Erträge gleich bleiben, bleibt der Verkehrswert gleich.

    Ein Preisrückgang bei Immobilien kann im Kern zwei Gründe haben: Höhere Zinsen, das Kapital will mehr (nominale) Rendite oder weniger Miet-, bzw. Pachterträge: Bei Geschäftsliegenschaften (insbesondere Einkaufszentren! aber auch „High Street“ und Büro) wird Corona, die Transformation zu Online Einkauf und Arbeit beschleunigen.

    • Anh Toàn sagt:

      Ich sehe einen grossen Unterschied in der Bewertung von Wohnliegenschaften zu Ende der 80er: damals waren die Renditen negativ, die Mieteinnahmen deckten die Zins- und Unterhaltskosten nicht, es wurde mit einer erwarteten Wertsteigerung argumentiert, um die bezahlten Preise zu rechtfertigen: Die Mieteinnahmen steigen inflationsbedingt, die Schulden werden von der Inflation weggefressen…

      Heute übersteigen die Mieteinnahmen die Kosten für den Unterhalt und Hypotheken, die Preise müssten sinken, jährlich um 1-2% (Bruttorendite 3-4% ./. 1% Unterhalt und 1% Zinskosten), um diese Rendite zu vernichten.

      Hohe Zinsen sind nicht das Risiko, Hohe Zinsen sind Folgen von Inflation und die ist der Freund der Sachwertbesitzer, vor allem derer, mit Schulden.

      • M. Vetterli sagt:

        Hr. Anh Toan:
        Das Risiko bei den Renditeliegenschaften liegt in den nun wohl stark ansteigenden Leerständen. Die Mieterträge gesamthaft werden in den nächsten Monaten abnehmen. Dies wird den Wert der MFH kleiner machen. Darauf werden die Banken reagieren. Ev. werden Hypotheken gekürzt (Einschiessen von zusätzlichem EK) und/oder die Kosten werden angehoben.

        In den Immobilienpreisen ist (noch) keine scharfe Rezession eingepreist. Der Markt wird nun mit Sicherheit reagieren. Die Immob.-Welt der Schweiz hat sich geändert.
        Auch wenn die Zinsen tief bleiben, wird auf der Einnahmenseite ein Rückgang zu verzeichnen sein.

        Die Preise der Mietwohnungen sind wohl schon heute unter Druck. Die Mieter befinden sich nun im Vorteil. Vor allem bei eher unglücklichen Lagen der Liegenschaften.

      • Anh Toàn sagt:

        Das Risiko liegt in den Leerständen und die sind „vor allem bei eher unglücklichen Lagen“. Ich würde sagen, die sind nur bei sehr unglücklichen Lagen, dort dafür aber umso mehr.

  • Tobias Suter sagt:

    Der Preis einer Immobilie muss auch verhandelt werden. Verhandeln ist immer möglich. Man muss den lokalen Immobilienmarkt genau kennen. Wenn Sie die Immobilie von einem unabhängigen Experten prüfen lassen, wissen sie auch mehr. Hilfreich ist auch eine professionelle Schätzung des Immobilienwerts. Untenstehende Verbände beraten und unterstützen ihre Mitglieder im Bereich von Immobilien und Eigentum. Sie verfügen über qualifiziertes Personal und grosses Fachw
    Nützliche Links rund ums Thema Immobilien und Eigentum::
    Schweizerischer Verband der Immobilienwirtschaft SVIT
    ( SVIT verfügt auch über eine Schätzungsexpertenkammer (SEK)):
    https://www.svit.ch/de
    https://www.wittiblaw.ch
    Hausverein Schweiz: https://casafair.ch
    Schweizerischer Hauseigentümerverband:
    https://www.hev-schweiz.ch

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