Die Eisheiligen sind längst gestorben

Der Temperatureinbruch der letzten Wochen hat viele Gärtner kalt erwischt. Dass die kurz zuvor pikierten Tomaten erfroren sind, das Basilikum Frostschäden hat und einige Erdbeeren Blüten lassen mussten, sollte man indes nicht allzu laut kundtun. Ansonsten muss man mit hämischen Kommentaren rechnen. Heikle Pflanzen gehörten so früh im Frühling nicht ins freie Feld, kriegt man zu hören. Und: Ein guter Gärtner warte mit dem Auspflanzen ab, bis die Eisheiligen durchs Land gezogen sind.
Die Saison der Eisheiligen beginnt hierzulande am 12. Mai. Dann ist der Namenstag von Pankratius. Ihm folgen Servatius am 13., Bonifatius am 14. und Sophia am 15. Mai. Wobei: Das Datum der Eisheiligen wurde im Mittelalter festgelegt – bevor Papst Gregor XIII. anno 1582 seinen präziseren Kalender einführte. Berücksichtigt man die Verschiebung, die sich im Laufe der Zeit zwischen dem julianischen und dem gregorianischen Kalender ergeben hat, kommen die Eisheiligen heuer erst zwischen dem 25. und dem 28. Mai vorbei.
Liebe Eisheiligen-Gläubige: Wollen Sie mit dem Auspflanzen wirklich so lange zuwarten – und damit riskieren, dass die Tomaten noch grün sind, wenn bereits der Herbstwind übers Beet fegt, und die Chilis sowieso? Glauben Sie wirklich, dass an der Regel noch etwas dran ist – ein halbes Jahrtausend später, in Zeiten der Klimaerwärmung?
Wie kalt wars wirklich?
Lassen Sie uns das prüfen; beim aktuell wüsten Wetter können wir uns gut ein bisschen am Computer vertörlen, da im Garten nicht viel zu tun ist. Wir besorgen uns die Temperaturdaten für die Tage zwischen dem 12. und dem 15. Mai der letzten 40 Jahre. Mit einem selbst gebastelten Skript lesen wir zuerst die Tiefstwerte aus.
Lediglich an einem einzigen Datum fielen die Lufttemperaturen während der Eisheiligen unter den Gefrierpunkt: 1995 zeigte sich die Sophia mit -1,42 Grad wirklich von ihrer kalten Seite. Das ist aber ein Ausreisser. Im Mittel liegt der Tiefstwert während der Eisheiligen bei 6,5 Grad. Und im Fall der Kalten Sophie? An ihrem Tag ist es in der Regel am kältesten. Im Mittel liegt der Tiefstwert bei knapp 6 Grad.
Solche Temperaturen vertragen die meisten unserer Gartenpflanzen. Entwarnung geben können wir indes noch nicht: Die Meteorologen messen die Lufttemperatur in einer Höhe von 2 Metern. In klaren Nächten kann die Bodentemperatur weitaus tiefer liegen als die Lufttemperatur – insbesondere in Senken, wo sich die Kaltluft sammelt. Da wir über keine Temperaturwerte aus Bodennähe verfügen, behelfen wir uns in unserer handgestricken Datenanalyse mit einem höheren Schwellenwert: Wir schlagen bereits Alarm, wenn die Temperatur unter 4 Grad fällt. Das kam an den Eisheiligen in den letzten 40 Jahren immerhin 35-mal vor, also an 22 Prozent der untersuchten Tage. Zum Vergleich: Über den ganzen Tag gemessen kann man an den Eisheiligen mit einer mittleren Temperatur von 11,6 Grad rechnen. Auch gegen oben gibts Ausreisser: Achtmal verzeichneten die Meterologen einen Sommertag mit Temperaturen von über 25 Grad. Aus den Eisheiligen wurden Schweissheilige. So an Pankratius 2015: Damals war es mit 27,8 Grad ausserordentlich heiss.
Werten wir der Vollständigkeit halber auch noch die Temperaturdaten für die „richtigen“ Eisheiligen aus, also für die Tage zwischen dem 25. und 28. Mai. Dort droht offenbar keine grosse Frostgefahr mehr: In den letzten 40 Jahren wurde kein einziges Mal eine negative Lufttemperatur gemessen. Nur noch an 16 Tagen (10 Prozent) lag die Mindesttemperatur unter 4 Grad. Der mittlere Tiefstwert liegt bei 8,3 Grad. Die mittlere Tagestemperatur betrug 11,6 Grad. Und Sommertage gab es mit 16 doppelt so viele.
Die Eisheiligen gibts gar nicht
So weit unsere kleine Datenanalyse. Meteo Schweiz hat übrigens anhand von Bodentemperaturmessungen in Payerne und einigen kürzeren Messreihen etwas Ähnliches gemacht. Die Meteoprofis konnten dabei keine Häufung von Bodenfrost um die Eisheiligen nachweisen. „Der Witterungsregelfall, der an bestimmten Maitagen auftreten soll, lässt sich mit den Messreihen von Meteo Schweiz nicht bestätigen“, schreiben sie. „Trotzdem sind über den ganzen Mai Frosttage zu beobachten.“ Vom 1. bis zum 25. Mai liege das Frostrisiko allerdings nur noch im Bereich von 10 Prozent.
Die Eisheiligen Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia sind also gestorben. Einzig am 7. Mai verzeichnet Meteo Schweiz eine kleine Häufung von Frosttagen.
Das ist der Namenstag von Gisela.
5 Kommentare zu «Die Eisheiligen sind längst gestorben»
Die Pflanzen, welche Kälte nicht gut vertragen, kommen bei mir nicht vor Mitte Mai ins Feld. Trotzdem hatte ich noch nie Probleme, dass die Früchte, das Gemüse oder Kräuter nicht ausreifen konnten. Bei meinen Nachbarn sehe ich immer wieder, wie sie ein 2. Mal ins Gartencenter fahren, um sich neue Setzlinge zu holen, da die früh gepflanzten eingegangen sind. Und wenn die grosse Kälte mal ausbleibt, dann holen meine Pflanzen die anderen trotzdem fast wieder ein, da sie bessere, sprich wärmere, Startbedingungen haben.
Das sehe ich genauso. Bei Tomaten riskiert man unter garstigen Temperaturbedingungen zusätzlich Wurzelschäden und bei Nässe ideale Startbedingungen für die Tomaten-Krautfäule., falls die Setzlinge nicht unter einem Regendach stehen. Wer schon beobachtet hat, wie wärmeliebende Pflanzen extrem wachsen, sobald die Temperaturen über 20 Grad steigen, hat definitiv keine Eile mehr im zeitigen Frühling.
Es geht doch gar nicht um die Eisheiligen Es geht um eine Gedächnisstütze für Mitte Mai. Es bringt nichts Pflanzen zu früh zu setzen. Klar kann man mit Fliesen und anderen Tricks ein paar Tage heraus holen. Aber welcher Bauer kann schon all seine Kartoffeln im Feld schützen. Und diese paar Tage machen auf die Ernte nichts wesentliches aus. Heutzutage ist man sich einfach nicht mehr gewohnt zu warten. Wenn es im Laden Erdbeeren rund ums Jahr gibt müssen auch die eigenen im Garten schon im Februar Früchte tragen. Und wenns dann Frost gibt fängt das Wehklagen an.
Die gesamt nationalen, pauschalen Meteo-Datengrundlagen können, meiner Meinung nach so, nicht für verlässliche Aussagen rund um die Eisheiligen bemüht werden.
Weil die lokalen Klimaunterschiede gewaltig variieren. In der gleichen Nacht, ist es im Bündnerland -10° und in Basel +4°. In der Region Basel blieb es im Febr. / März in den Nächten kühl, Nachmittags sommerlich, wochenlang kein Tropfen Regen mit trockenen Winden. Gegen Osten aber öfter regnerisch, etc. Ein Kälteeinbruch muss sich allein deswegen ganz anders auf die Vegetation auswirken.
Innerhalb eines einzigen(!) Gartens, erfrieren in der gleichen Frostnacht die Jungtriebe der Hortensien und 3m nebenan überleben sämtl. Setzlinge der Andenbeeren (ohne Flies, etc.) und bleiben vital!! Klima ist vielschichtig, nicht scheinheilig.
Ich habe die Eisheiligen nie so verstanden, dass es dann nochmal zu einem Kälteeinbruch kommt, sondern so, dass bis Mitte Mai es ein höheres Risiko gibt, das es zu Kälteienbrüchen kommen kann und man sich nicht von eventuell warmen Frühlingstemperaturen verführen lassen darf.
Nicht umsonst reagieren einheimische Pflanzen auf Tageslänge und sind von solchen Spätfrösten weniger betroffen, als südliche Pflanzen,die sich von Wärme im Frühjahr verführen lassen.