Leben und leben lassen
Ohne mein Zutun entwickelten sich die Reben bombastisch. Das Bild links habe ich heute aufgenommen, das rechte im Mai 2015. Bei den Reben steht also ein Schnitt an.
Zehn Minuten, aber jeden Tag
Anfang August war mein Schwiegervater zu Besuch, ein grundgütiger, mittlerweile furchiger Mann, der sich schon lange mit Erde und Pflanzen herumtreibt. Es war sehr angetan von unserem Garten und fragte, wie ich das so hinkriege. Okay, es war August, da herrscht schnell mal Fülle und Farbenpracht, aber das war natürlich ein schönes Kompliment. Erstaunlich schnell hatte ich eine Antwort: „Einmal im Tag zehn Minuten ums Haus, und dabei immer nur ein Ding machen.“
- gestern da gejätet
- heute Tomaten gebunden
- morgen Gurken binden
- übermorgen dort jäten
Bei einem kleinen Garten wie dem meinen reicht das. Wichtig ist die Konstanz. Die erfahrenen Füchse unter euch Lesern werden nun raunen: Klar, das weiss man doch. Schön! Für mich ist es dennoch die Lehre dieses Sommers: Leben und leben lassen. Die Pflanzen sagen dir immer, was sie heute brauchen.
Die Klassiker des Seinlassens sind ja Lauch und Fenchel. Wer die Ernte verpasst, wird mit hübschen Blumen belohnt.
Die Philosophie des Lebenlassens
Hinter dem Leben und leben lassen steckt übrigens eine ausgewachsene Gartenphilosophie. Googeln Sie mal „Lazy Gardener“ („Fauler Gärtner“), da kommt sehr viel zusammen. Und wir kennen ja alle das Bild, dass Pflanzen nicht schneller wachsen, wenn man an ihnen zieht. Es gibt übers faule Gärtnern sogar ein Schweizer Buch, geschrieben von Garten-Philosoph Thomas Vetter aus Teufen AR. Er sagt, dass er mit 15 Minuten pro Tag einen 1000-Quadratmeter-Garten betreuen kann, und ich will ihm dies glauben. Seine Haltung ist in diesem Video schön zusammengefasst:
Was Vetter beschreibt, funktioniert auch im Kleinsten: Konstant dran bleiben, kleine Interventionen und leben lassen – es funktioniert gar in einem einzigen kleinen Blumentopf.

Schlecht war diese Rose im Sommer stets gegossen. Aber kaum hats geregnet, will sie es nochmals wissen.
Viel Mühe umsonst
Es ist Herbst, nicht alles hat funktioniert. Es gibt Dinge, die ich nächstes Jahr nicht mehr machen würde, die Honigmelone zum Beispiel. Ihr gab ich fast ein ganzes meiner fünf Beete. Und nur eine einzige Frucht war am Ende geniessbar, der Rest blieb Ausschuss. Schade um das schöne Beet. Klar, der Sommer war jetzt nicht der Wärmste. Aber ich weiss jetzt auch, warum mich die Gärtnerin im Frühling so misstrauisch anschaute, als ich sie nach Melonen-Setzlingen fragte. So freundlich wie möglich sagte sie: „Das haben wir nicht, das wird auch nie was.“ Gelernt: Wir leben hier nicht im Melonenland.
Vernachlässigt habe ich auch den Abrikosenbaum, den ich am Spalier an der Westwand ziehe. Er ist weit übers Ziel geschossen, braucht dringend einen Rückschnitt. Ich weiss nicht, wo ich den Haupttrieb kappen werde. Haben Sie Tipps?
2 Kommentare zu «Leben und leben lassen»
Aprikosen (Steinfrüchte im Allgemeinen) sollte man im frühen Frühling (März, Formschnitte) und im Sommer (Juli/August nach der Ernte) schneiden nicht im Herbst/Winter weil sonst ein hohes Risiko für Pilzkrankheiten entsteht (zB Silberblattkrankheit). Wo Sie den Leittrieb kürzen hängt davon ab wie hoch das Spalier werden soll. Eigentlich hats 2 Leittriebe. Beide gleich lang einkürzen (zB links vor Verzweigung, rechts gleiche Höhe), je auf 45° festbinden und die dann entstehenden Seitentriebe fächerförmig fixieren. Löst auch das Problem mit dem Loch links.
Danke Herr Müller! Das scheint mir eine sehr überzeugende Lösung zu sein.