Ein Hoch auf Kellner Benjamin

Von der Kirchenfeldbrücke betrachtet sieht das Schwellenmätteli aus wie eine Touristenfalle: Das Lokal hat eine bestechende Lage direkt auf der Aare, bei der Schwelle im Mattequartier. Näher am Fluss geht nun wirklich nicht, was sich in der Gastronomie sofort in überhöhten Preisen, unaufmerksamem Service oder hingerotzten Gerichten äussert. Oder in nichts von alledem. Doch der Reihe nach.
Beim Eintreffen im Lokal stehen wir erst etwas ratlos auf der Holzterrasse. Abgeholt werden wir nicht, weshalb wir uns den Tisch selber aussuchen. Unsicher, ob wir uns im Selbstbedienungsbereich befinden, bestellen wir zwei Champagner (14.50 Franken) und einen Hurricane (14 Fr.) an der Bar. Statt Champagner wird uns Prosecco (9 Fr.) vorgeschlagen, was wir ablehnen und dann trotzdem aufgestellt bekommen. Der Kellner klärt uns auf, dass wir eigentlich am Tisch bedient würden, erledigt die Bestellung dann für uns. Das fällt zu unseren Gunsten aus, die Bestellung kommt nämlich doppelt. Der strahlende Kellner, sein Name ist Benjamin, liefert uns die zweite Runde aufs Haus. Grossartiger Start, flüstern wir uns zu.
Die Besseresserin wird heute von zwei Gastronomen begleitet, einem Suppenkasper und einer Sterne-Tellerwäscherin. Sie beurteilen akribisch die Gerichte und fragen Benjamin über seine Arbeit aus. Er arbeitet das zweite Jahr hier undist damit Dienstältester im «Schweller». Zum Lokal gehören auch das daneben liegende Casa, in dem man italienisch speist, und das Eventlokal, das an diesem Abend Salsatänzer annektiert haben.
Die Karte überrascht: Es gibt regionale Spezialitäten, und die Preise sind moderat. Wir bestellen einen Tomaten-Auberginen-Aufstrich (14.50 Fr.), Salat (11.50 Fr.) und ein Vitello forello (19.50 Fr.). Dazu trinken wir einen buttrigen Weissburgunder Wegelin (9.50 Fr. pro Glas). Alles ist lecker, den Kreativpunkt gewinnt das Vitello: nicht wegen der Präsentation, sondern weil die Kombination von Kalbfleisch und Rauchforellencreme gelungen ist. Und natürlich auch wegen des Namens.

Wir testen den Service zusätzlich, indem wir von der Terrasse in den Innenbereich des Lokals wechseln. Drinnen bekommen wir die Hauptgänge geliefert: einen Stumpen (25.50 Fr.), übersetzt Belugalinsen und Seeländer Gemüse im Teig, selbst gemachte Chips und Dörrtomaten-Oliven-Tapenade. Die Linsen sind etwas salzig geraten. Die Begleitung wird für einige Minuten still, dann meint sie: Es sei zwar fein, aber etwas fehle. Eine Käsesauce? Eine Joghurtsauce? Daneben rühmt der Begleiter seinen Jumi-Burger (28.50 Fr.), diesen kennt er als Berner Foodie natürlich. Das Fleisch auf der Brioche ist zartrosa, wie im Menü angepriesen, und die Pommes dazu solid. Bemerkenswert ist das Ketchup, das hausgemacht ist und sich vom Industriestoff deutlich abhebt.
Die Besseresserin hat nicht grossen Hunger respektive nascht von den anderen Tellern und bestellt deshalb ein kleines Rindstatar (19.50 Fr.). Die Portion ist zwar als Vorspeise ausgewiesen, aber selbst dafür fällt sie sehr klein aus. DasBrot trieft leider vor Bratfett. Schlimm ist nichts von alledem, denn wir werden von Benjamin umsorgt. Er schenkt uns zum Essen eine Assemblage aus Tempranillo und Garnacha(9 Fr.) aus. Das Lokal und die Gläser leeren sich schnell. Wir bitten um die Rechnung. Und die fällt gar nicht so schmerzhaft aus wie erwartet, auch wenn sich noch eine Flasche Weisswein vom Nebentisch eingeschlichen hat, die Benjamin sofort entfernt und sich entschuldigt. Als Excuse gibt es Tempranillo und einen Mohrenkopf für die Besseresserin.
Alle Touristenfallen sollten so sein, und alle Berner Beizen sollten mehr Kellner wie Benjamin haben. Nicht weil er eine Gratisrunde ausgeschenkt hat, sondern weil er mehr Berufsstolz hat als manch gelernter Kellner.
Restaurant Schwellenmätteli, Dalmaziquai 11, 3005 Bern. 031 350 50 01.
Die Quittung
Auf dem Tisch: Häppchen, Flammkuchen, Tatars und Klassiker in unterschiedlichen Grössen.
Abgerechnet: Der Gast wird hier weder beim Essen noch beim Trinken abgezockt.
Aufgefallen: Die Berner Riviera wird auch von vielen Einheimischen besucht.
Abgefallen: Der Eingang des Lokals ist mit biederen Buchsbäumen gesäumt, und das Holz der Terrasse könnte einen Abschluss vertragen.
Ein Kommentar zu «Ein Hoch auf Kellner Benjamin»
Genau die gegenteilige Erfahrung habe ich gemacht. Auch ich war mir nicht sicher, ob Selbstbedienung ist. Kürzlich setzte ich mich an einen der vielenTische auf der Terasse, besetzt waren nur deren 3-4. Es war sehr ruhig am frühen Nachmittag. Der Kellner ging wahrend 10 Minuten ein paar Mal bei mir vorbei, ohne mich zu bedienen. Das war mir dann doch zuviel. So verliess ich das Restaurant wieder und kehrte anderswo ein, wo ich beachtet wurde. Schade für die Lokalität.