Ein Wartsaal an der Aare

Das Restaurant Campagna in Belp ist ein Selbstläufer. Zur grossen Terrasse direktan der Aare gehört ein bestens erschlossener Parkplatz, und auch Spazier- und Velowege führen nahe daran vorbei. Keine Frage: An einem Prachtfreitag im Sommer ist die Terrasse am Mittag voll.

Weil dies so wenig überraschend war, wunderten wir uns umso mehr über den langsamen Service, der unseren Besuch prägte. Obwohl wir uns den letzten freien Tisch offiziell zuweisen liessen, hatten wir nach zehn Minuten noch keine Karte auf dem Tisch, geschweige denn eine Getränkebestellung aufgegeben. Unseren Tischnachbarn, die uns Hunger und Durst ansahen, musste es ähnlich ergangen sein. «Das ist heute hier ein Wartsaal», raunten sie uns bald einmal zu.

Nicht, dass der Service emsig herumgeschwirrt und einfach nicht nachgekommen wäre – viel eher schien es uns, als würde sowohl in der Küche als auch am Buffet und auf der Terrasse eine schläfrige Stimmung herrschen. Mit Blick auf die Gastroentwicklungen in den fünfzig Jahren, in denen die gleiche Familie im Campa­gna wirtet, schienen uns auch die beiden Menüs, die wir bestellten, etwas verschlafen.

Das Roastbeef (32 Fr.) war zwar solide, die verschiedenen Salate dazu aber alle mit der gleichen Sauce angerührt und die Tatarsauce zu knausrig. Angesichts der vielen einheimischen Früchte, die derzeit Saison haben, staunten wir beim Chicken-Salad (26.50 Fr.), dass dieser mit einer Scheibe Büchsenananas dekoriert war (wenn auch im Loch noch eine frische Kirsche steckte). Die Sauce an den Pouletstücken schmeckte nicht mehr ganz frisch und industriell – das könnte man besser machen.

Zum Dessert bestellten wir einen Eiskaffee und eine Coupe Saison (je 11.50 Fr.), wobei Letztere gemäss Karte aus Vanilleglace und saisonalen Früchten bestehen sollte. Bald brachte eine neue Kellnerin die beiden Becher: «Zweimal Coupe Romanoff.» Nach un­serer Korrektur erkannte sie, dass beim Eiskaffee eine halbe Erdbeere im Rahm steckte, die andere Coupe bezeichnete sie weiterhin als Romanoff und liess sie stehen.

Tatsächlich waren Erdbeeren, deren beste Zeit – im Unterschied etwa zu Aprikosen, Pfirsichen und zahlreichen Beeren – bereits vorbei ist, die einzigen Früchte darin. Ob es deshalb eine Coupe Romanoff war oder doch eine etwas originelle Coupe Saison – wir wissen es nicht.

Einmal noch kommen wir wieder – aber nur, weil wir nicht glauben, dass ein Besuch im Campagna immer so un­befriedigend ist wie dieses Mal.

 

Die Quittung

Auf dem Tisch Ausflüglerkarte: für alle Bedürfnisse und Tageszeiten etwas, trotzdem übersichtlich.

Abgerechnet Nicht ganz günstig, insbesondere angesichts der Qualität bei unserem Besuch.

Aufgefallen Die Lage ist schon spektakulär.

Abgefallen «Möglichst frisch und saisonal abgestimmt», heisst es auf der Website – uns schien es im Nachhinein wie ein Hohn.

4 Kommentare zu «Ein Wartsaal an der Aare»

  • Sascha Kohler sagt:

    Doch, es ist leider immer so unbefriedigend. Ist halt eine Folge des bereits erwähnten Selbstläufers: man muss sich keine Mühe geben – im Sommer ist die Terrasse eh immer voll.

  • Adrian Lüdi sagt:

    Wir haben dem Campagna vor 2 Jahren eine zweite Chance gegeben, leider haben sie diese nicht genützt. Ist also bis heute unverändert.

  • Meyer C. sagt:

    Liebe BZ-Gastrokritikerin
    Das finde ich gut: Dass Sie trotz eines offensichtlich verunglückten Mittagessens mit mehreren Beanstandungen noch ein zweites Mal hingehen. Aber besser wäre: Zuerst nochmals hingehen, anschliessend schreiben. So handhaben es die Profis, etwa die Michelin-Tester.

  • Urs Berger sagt:

    Ich hatte das Vergnügen, dort bei einem Hochzeits Apero anwesend zu sein. Katastrophe! Das Personal war total überfordert. Ich schämte mich dafür.

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