Thun liegt am Mittelmeer

Hummus mit einem Hauch geröstetem Paprika. Konfierte Cherrytomaten in allen Farben, dazu Labaneh (abgehangener Joghurt) mit Zatar aus wildem Thymian und Sesam. Geröstete Aubergine mit Tahina – so sind die kulinarischen Erinnerungen, die Reisende aus Israel oder dem Libanon nach Hause bringen. Manchmal erinnern diese Speisen aber auch an Thun: Am Sonntag wurden sie im Restaurant Spedition aufgetischt, wo die Leserschaft im Rahmen der Eventreihe «Genusskultour» sich auf Entdeckungsreise begab. Während der Gastgeber Adrian Tschanz an normalen Wochenenden seine 70 Sitzplätze doppelt besetzen kann, war das Lokal an den zwei Sonntagen ungefähr halbvoll.

Als Mittelmeerreise beschrieb Tschanz das Motto des Abends, und weiter ging es mit Lamm-Kibeh, das sich als weicher entpuppte als es aussah. Dazu wurde eine gebackene Süsskartoffel gereicht, auf einem zusammengeknüllten Zeitungspapier in Szene gesetzt. Überhaupt sind hier Ästheten am Werk: Auf einem Holzbrett stahlen sich Shawarma (libanesisches Kebab) im Pitabrot und ein Chips mit Fischcarpaccio mit Hibiskustupfern und Himbeeren gegenseitig die Schau. Aber nicht nur fürs Auge, sondern auch für den Gaumen waren die Happen ein wahres Vergnügen. Den ersten Hafen steuerten wir mit Linsen und Cevapcici an, herrlich pfefferscharf und mit dem nötigen Fettgehalt.
Eigentlich könnte hier der Text schon aufhören, denn wir waren bereits satt. Kapitän Tschanz meinte bloss, dass seine Teller von Thunern meist leer gegesssen würden. Wir liessen uns also nicht unterkriegen und bestellten ein Glas Vermentino von Papeo aus dem Bolgheri, der uns zum gebratenen Wolfsbarsch empfohlen wurde. Mit dem Fischgericht steuerten wir in Richtung Frankreich. Bereits die leeren Teller waren Kunstwerke, aber noch besser sahen die vollen aus: Unter dem Loup de mer war eine Artischockencreme angerichtet und darauf ein Ratatouille in eine runde Form gedrückt und die Safran-Curry-Rouille war grosse Klasse.

Weiter reisten wir auf die ligurischen Inseln. «Seid ihr schon seekrank?», witzelte Tschanz im Vorbeigehen. Nein, sicher nicht, behaupteten wir und freuten uns über das Lamm mit Honigfeigen und einer Hollandaise mit zarter Lavendelnote, die wir hochloben möchten.

Bei der Hauptspeise ging es nach Spanien: Ein Schweinsfilet im Chorizomantel mit Sabrasadosauce und Paella. Letztere schmeckte etwas pampig, dafür war sie flambiert und mit einer Riesencrevette und Balsamicoperlen garniert. Passend dazu tranken wir einen Wein aus dem Priorat: Negre de Negres von Clos de Portal, eine Assemblage von Carinena, Syrah und Garnacha.

Das Dessert war der Zitrone und damit Italien gewidmet: Filetierte Zitrone, dazu Tapioka-Kügelchen, ein Amalfi-Zitronenparfait auf geschmolzener Schokolade mit Tiramisù-Creme. Wir sind definitiv in Italien angekommen, fühlen uns auch als hätte uns die Grossmutter zum Abendessen eingeladen. Wir schliessen den Abend mit einem Espresso und erinnern uns künftig tatsächlich bei mediterranen Gerichten auch an Thun.

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