Ennet des Polentagrabens gibts auch Pasta
Unsere Reservation war unnötig, das sehen wir schon beim Eintreten in die neuste Beiz in der Aarbergergasse: Das San Gottardo, welches im ehemaligen Nord-Süd aufgemacht hat, ist praktisch leer. Hinten sitzen vier Männer und essen ihre Pizzas. Vorne ein Paar, das bald zahlt und geht. Wir werden freundlich begrüsst, wie bereits am Telefon, als wir den Tisch noch mal um eine halbe Stunde verschoben haben. Ob wir einen Aperitif möchten, werden wir gefragt. Da wir das schon hinter uns haben, verzichten wir. Die obligate Anschlussfrage für Wasser stellt man uns nicht und händigt die Speisekarte aus.

Wir freuen uns, dass nun auch im Zentrum Tessiner Küche kredenzt wird und wir somit kulinarisch eine Reise ennet den Polentagraben machen können. Doch beim Anblick der Karte dämmert uns, dass wir in einem weiteren italienischen Restaurant gelandet sind, das alle glücklich machen will: Man findet Pizzas in mannigfaltigen Ausführungen, Pasta, Rösti, und für Lokalpatrioten gibt es den Marziliteller. Aber wir werden auch positiv überrascht mit Pizze bianche und einer Focacceria. Aus Letzterer bestellen wir eine mit Rucola, Cherrytomaten, Parmesan und Bresaola (17.50 Fr., oben im Bild). Vielleicht hätten wir bei der klassischen Variante (9.50 Fr.) bleiben sollen. Was aufgetischt wird, ist Pizzateig mit grosszügigem Belag. Die zweite Besseresserin bestellt Bruchetta bella (9.50 Fr., unten im Bild), geröstetes Brot mit Lachs, Mozzarella und deliziösem Parmaschinken belegt. Pfeffer, einige Spritzer Olivenöl und mehr Liebe fürs Detail hätten der Vorspeise gut getan, ist unser Fazit.

Eine Vorwarnung bei der Bestellung wäre angebracht gewesen, da die Portionen gross sind. Nach der Vorspeise hätten wir wieder gehen können. Doch die Hauptgänge waren bestellt. Leider ist der Kellner der Sprache nicht mächtig genug, weder um uns bei den Portionen aufzuklären noch um die Teller abzuräumen. Wir stellen sie zur Seite und widmen uns dem feinen Wein, einem Trancredi von Donnafugata (56 Franken), als wir wieder ob des Übersetzungsfehlers der Röstikarte lachen müssen: Fegato di Vitello wird mit Angus-Rindsfilet-Medaillon übersetzt. Wer des Italienischen mächtig ist, weiss, dass es Leberli sind. Spannend wäre gewesen, welche Sprache denn auf dem Teller Vorrang gehabt hätte.

Die Hauptgänge werden serviert. Beim Ossobuco (29.50 Fr., oben im Bild) merkt man an der Konsistenz, dass das Fleisch wohl aus der Gefriertruhe kommt. Es löst sich nicht leicht vom Knochen, ist aber dennoch gut. Mit mehr Orangen-Rosmarin-Jus hätte man das kaschieren können. Beilagen scheinen nicht die Lieblingsbeschäftigung des Kochs zu sein: Das Gemüse ist versalzen und pampig. Darüber kann auch die Polenta nicht hinwegtrösten, sie ist fade, der Ziegenkäse ist inexistent, und eigentlich mögen wir lieber Bramata, damit wir was zu beissen haben.

Eine Überraschung gibt es dann doch: Die zweite Besseresserin bestellt Cappellaccio caprese (24.50 Fr.), der Wirt serviert persönlich und entschuldigt sich im Voraus, es sehe nach wenig aus, aber sei sehr sättigend, weil sie selber gemacht seien. Nach dem ersten Bissen ist klar, weshalb man ins San Gottardo kommen sollte. Die Besseresserin, deren Pastamaschine sich in den 30 Jahren Gebrauchszeit mehrfach amortisiert hat, ist voll des Lobes für die hier aufgetischten Teigwaren.
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