«Heimlich trinken wir Walliser Weine»

Bild: Mathias Willi

«Als Teenager habe ich keinen Alkohol getrunken, als Droge war er einfach zu uncool. Wir kifften. Das änderte sich, als ein paar Freunde anfingen, jeweils am Donnerstagabend im Abendverkauf in Bern Bier zu trinken, sie fanden das noch gut. Ich auch. Aber ich wurde dick. Also wandte ich mich an Raphael Urweider, den Lyriker, er war und ist wie ein grosser Bruder für mich. Ich fragte: Hey Raphi, was soll ich tun, ich werde dick wegen all dieses Biers. Er sagte: Sauf Wein! Also stieg ich um. Schnell merkte ich, dass ich Weisswein liebe, dieses Kokain des armen Mannes. Ich entdeckte auch mein Héritage wieder, ganz konkret: Ich fand Zeichnungen, die ich im Kindergarten gemalt hatte, darauf waren meine Eltern zu sehen mit einem Glas Weisswein in der Hand.

Wir sind Waadtländer, und Weisswein zu trinken gehört zu unserer Identität. Auch wenn es ja so ist, dass wir – ich rede jetzt als Vaudois – uns in den letzten 50 Jahren auf unseren Lorbeeren ausgeruht haben und sowohl vom Wallis, vom Tessin, vom Zürcher Oberland als auch von Schaffhausen, Österreich, Kalifornien, Australien und überhaupt vom Rest der Welt überholt worden sind, was die Qualität von Weisswein angeht.

Unser Lavaux mag Unesco-Weltkulturerbe sein, doch viele Rebstöcke werden nicht mehr gepflegt und ihre Trauben nicht mehr geerntet. Und auch wenn wir vordergründig immer noch Chasselas trinken, heimlich konsumieren wir die Walliser, viel Merlot Bianco oder Seeländer Weine. Oder grad etwas aus dem Ausland. Ich am liebsten Basa Verdejo von Telmo Rodriguez. Selten zu Hause, ich trinke diesen spanischen Weissen immer, wenn ich in der Cargobar in Basel bin. Weisswein ist ein Genussmittel, aber auch ein Rauschmittel. Ich liebe seine Wirkung, er putscht mich auf und macht mich euphorisch. Gern trinke ich auch gleich die ganze Flasche. Kopfweh bekomme ich nie – das sind meine Waadtländer Gene. Genauso liebe ich aber auch den Rausch der Nüchternheit, ja, Weisswein und Abstinenz, das sind meine Lieblingsräusche.

Zurzeit toure ich mit Benjamin Noti als Noti Wümié durch die Schweiz. Und weil die Leute an unseren Konzerten in der Regel sitzen, heisst das auch für mich, dass ich es ein wenig ruhiger angehen kann. Deshalb nehmen wir immer Weisswein mit auf die Bühne. Auch wenn das ziemlich heikel ist, weil man ja rülpsen muss. So gut wie die Rocker früher, die Whisky in sich hineingeschüttet haben, bin ich noch nicht. Ich weiss aber, dass ein Schluck Weisswein vor einem Lied bedeutet, dass ich ungefähr in der Mitte der ersten Strophe rülpse. Zwar kann ich das mittlerweile recht gut vertuschen, aber höflich ist es trotzdem nicht.»

In der Rubrik «Mein Wein» verraten prominente Personen ihre Lieblingsweine und andere weinselige Geschichten.

Grégoire Vuilleumier, bekannt als Greis und Teil von Noti Wümié, empfiehlt: Basa Verdejo von Telmo Rodriguez, etwa auf www.kueferweg.ch, 13.50 Franken

(Dieser Text erschien ursprünglich in der «SonntagsZeitung».)

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