Tolle Tortille und schlichte Gedichte

Nach den Ausflügen in Bergrestaurants verkehren die Besseresser wieder in urbaneren Gefilden. Genauer im Restaurant Freibank am Rand des Entwicklungsgebiets Wankdorf-City neben der vielgleisigen Bahnstrecke. Innert eines Jahres wurde das Lokal zur Mittagsbeiz für Ruag-, Post- und SBB-Mitarbeitende und zur Apéroadresse.
Obwohl nach einem Redaktionstag die Liegestühle und die schattige Arkade locken, setzen wir uns an einen Tisch. Mit Schilf, Blumen und Kletterpflanzen in Containerbehältern trifft das Lokal den Puls des mediterranen Sommers. Wir begiessen ihn mit Cava (Fr. 8.50), der spanischen Prosecco-Variante, und einem Junkerbier (Fr. 4.80).
Um 19 Uhr herrscht Aufbruchstimmung, die meisten der Gäste sind fürs Feierabendbier hier und haben den Durst gelöscht. Auffallend sind die tiefe Frauenquote und die vielen Hemdenträger. Während die Zahlungsrunden laufen, blicken wir in die Karte. Ihre Kernkompetenz ist «nose to tail» – von der Nase bis zum Schwanz: Nicht nur Edelstücke, sondern möglichst viel eines geschlachteten Tieres verwerten die Betreiber.
Dafür ist die Freibank im passenden Haus, denn dieses gehörte zum alten Schlachthof: Hier wurden die Tiere gewogen, und hier kauften ärmere Leute ihr Fleisch. Florian Jenzer, den man vom Meridiano, vom Einstein oder von den arnoldschen Pop-ups kennt, ist fürs Kulinarische zuständig. Zwar ist die warme Küche nur mittags offen, doch die Freibank wird so oft abends von Gruppen gebucht, dass Jenzer nicht mehr selber kocht und einen zusätzlichen Koch anstellen musste.

Heute Abend bleibt die Küche kalt, und die Servicecrew bereitet alles selber zu. Die sympathisch kurze Feierabendkarte beinhaltet alles, was man zum Apéro braucht: Trockenfleisch, Currycervelat, Rindsbrühwurst, Tatar. Mit Brotaufstrichen, Käse und gepickeltem Gemüse wird es auch Vegis nicht langweilig. Wir bestellen ein kleines Plättchen (Fr. 18, oben im Bild). Getränkemässig bleibt die Begleitung bei Felsenau-Bier, und die Besseresserin wechselt auf rubinroten Noster Inicial aus dem Priorat (Fr. 7 pro Glas). Garniert ist das Plättchen mit toller Tortilla, feinen Antipasti und hausgemachten Gemüsepickles. Angenehm ist, dass nicht alles erklärt wird und Neugierige auf Nachfrage erfahren, dass das Fleisch von Jumis in Boll und der Käse vom Chäser in Ostermundigen kommen.

Die Hitze wirkt appetithemmend, und so teilen wir uns als Hauptgang ein Tatar vom Rindshuftdeckel (Fr. 22, oben im Bild). Die Schärfe bestimmt man selber, indem man den Bissen tiefer oder weniger tief ins Harissa tunkt. Einziger Wermutstropfen: Die Besseresser mögen lieber Handgeschnittenes als den Fleischwolf. Der aufmerksame Kellner bessert ein vergessenes Bier mit einem Gratisdessert aus: Die Beerencoulis-Schoko-Sünde (unten im Bild) hat er lange vorher aus dem Kühler genommen, damit sie den vollen Geschmack entfalten kann. Schlicht ein Gedicht.

Freibank Speis und Trank, Stauffacherstrasse 82, 3014 Bern. 031 333 14 40.
Die Quittung
Auf dem Tisch: Überraschende Plättchen und Aufstriche, aufwendig zubereitetes Fleisch von nicht alltäglichen Stücken.
Abgerechnet: Mittagsgeschäft, bei dem sie ein Fleisch- und ein Vegimenü servieren (23/19 Franken). Nette Bierpreise.
Aufgefallen: Ansehnliche Auswahl an Sidra, süssem bis trockenem Apfelwein aus Galizien.
Abgefallen: Sobald die frühen Apéröler gehen, ist es etwas gar ruhig. Dafür hat man die volle Aufmerksamkeit der Kellner.
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