Wagyus aus Bolligen

Ursula und Thomas Fuchs sind Quereinsteiger und haben in Bolligen einen Bauernhof übernommen. Nun züchten sie Wagyu-Rinder, was auch regionalen Küchenchefs nicht entgangen ist.

Foto: Claudia Salzmann

Die Züchterin Ursula Fuchs und der Metzger Lorenz Nyffenegger sehen neben dem aufgehängten Wagyu-Rind aus wie Zwerge. Wir befinden uns in der Metzgerei in Zollbrück, wo Fuchs ihre Zuchtrinder schlachten lässt und das Fleisch danach am Knochen abhängt. Daneben hängen weitere Tierhälften, ein Vergleich des Gewebes zeigt: Schon nach wenigen Tagen ist das Fleisch eines normalen Rindes hart, nicht so beim Wagyu. Noch immer lässt sich das Fett eindrücken. Erstaunlich? Nicht für Ursula Fuchs: «Das Fett legt sich nicht punktuell an einer Stelle an, sondern zieht sich durch das ganze Muskelgewebe.» Wagyu gilt deshalb als Delikatesse wie auch das japanische Kobe-Rind, mit dem es verwandt ist.

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Ursula Fuchs betreibt die Zucht mit ihrem Mann Thomas in Bolligen. «Wir wollten etwas machen, das nicht alle tun. Und doch etwas, das stemmbar ist», sagt der 45-jährige Thomas Fuchs. Eigentlich gibt es Wagyus nur in Japan, jedoch wurde zu Forschungszwecken einige Rinder nach Australien exportiert. Von dort haben sie sieben Embryos bestellt. Ein nicht ganz billiges Unterfangen: 1500 Franken kostet es, bis ein Embryo importiert und eingepflanzt ist. «Die Chance, dass es anwächst, liegt bei 50 Prozent», sagt Fuchs.

Nach dem ersten Import war klar: Eine andere Methode musste her. Heute steht eine 20-köpfige Herde im Stall, und Thomas und Ursula Fuchs können so selber Embryonen züchten. Bis zu 15 Embryonen habe es bei einem Mal gegeben. «Wir hatten Glück», sagt Thomas Fuchs. Und es rechnet sich: Mit dieser Methode geben sie nur noch 250 Franken aus, bis der Embryo eingesetzt ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass er anwachse sei höher, da er ohne Einfrierzeit wieder eingesetzt werde.

An Herz gewachsen

Foto: Claudia Salzmann

Das Resultat zeigen die Züchter in ihrem neuen Stall: Dort steht eine reinrassige Muttertierherde. Der Bauernhof in Wysshus liegt am Bolliger Waldrand, mit Sicht auf den Dorfkern und die Alpen. Ursula Fuchs ist hier im Wysshus aufgewachsen. Das Ehepaar hat den Hof 2009 von Ursulas Eltern übernommen, als Quereinsteiger: Ursula ist Bauingenieurin, Thomas war Zimmermann. «Schon mein Vater war ein fortschrittlicher Landwirt, der immer mit der Zeit ging», sagt die Tochter. Als der Milchviehbestand verkauft worden sei, sei das doch ein happiger Schritt gewesen. Doch die fünf Jahre Arbeit haben sich gelohnt. «Auch meine Eltern freuen sich über unseren neuen Betriebszweig», so Ursula Fuchs.

Dreimal so lange wie normale Rinder bleiben die Wagyus auf dem Hof, bis sie in die Metzgerei gehen. Kein Wunder, dass die Rinder der Bauernfamilie in diesen Monaten ans Herz wachsen und sie bei der Schlachtung nicht dabei sein will. Andere Bauern seien interessiert, aber auch skeptisch gewesen. «Das Risiko der Investitionen kann und will nicht jeder tragen», sagt Ursula Fuchs. Zudem muss man die Infrastruktur anpassen, das sei nicht überall möglich.

Futter praktisch alles vom eigenen Hof

Foto: Claudia Salzmann

Bei der Familie Fuchs war es möglich: 2015 hat sie einen Freilaufstall gebaut. Während Thomas Fuchs erzählt, blicken alle Kühe mit grossen Augen in unsere Richtung. Dass nicht nur Wagyus im Stall stehen, sieht selbst ein Laie. 20 Rinder sind reinrassige Wagyus, doch die Bauernfamilie wagt auch Experimente: «Beispielsweise haben wir Wagyu mit Hinterwälder gekreuzt», sagt Fuchs. Zuvorderst im Stall stehen Hans, Naruto und Masato. Die drei kräftigen Stiere bekommen nur das allerbeste Futter. Bald ist das Leben vorbei. «Was sie nicht fressen mögen, gebe ich den Gusti weiter», sagt Fuchs. Die stehen im nächsten Abteil, abgetrennt von den Mutterkühen und den schlachtreifen Tieren. Nicht nur zur Futterzeit: «Wenn ich frischen Stroh reingebe, hüpfen die Kälber wild durchs Gehege», sagt Thomas Fuchs und lacht. Zuhinterst im Stall stehen die Mutterkühe, am Ende der Reihe die allererste Wagyu-Kuh Lilli. Hinter ihr ist eine Bürste befestigt, welche die Rinder rege gebrauchen und damit ihren ganzen Körper bürsten.

Foto: Claudia Salzmann

Die 10-jährige Tochter Joelle spielt im Heu, ihr Bruder ist noch in der Schule. Sie wedelt ab und zu mit etwas Futter vor den Mäulern der Kühe. Zu fressen gibt es nebst Heu und Emd auch Getreidemischung. Einzig diese stammt nicht vom eigenen Betrieb, wie der Bauer stolz erzählt. Die Einrichtung und die kurzen Wege erlauben auch, dass seine Frau Ursula alles übernehmen kann, wenn er nicht da ist. «Klar, wir haben nach unseren Bedürfnissen gebaut, das war uns sehr wichtig», sagt er. Zum Fressen werden alle Tiere am Futtertisch mit einem Gitter eingesperrt, damit sie in Ruhe ihre Ration fressen können. Ranghöhere Tiere würden sonst auch die Rationen der rangtieferen fressen. «Das gibt Unruhe in den Stall, und wir haben die Fütterung nicht im Griff», weiss Ursula Fuchs.

Dass einige Züchter ihre Rinder mit Bier oder Sake einreiben, ist für Ursula und Thomas Fuchs ein Mythos, der selbst für Japan nicht mehr zutrifft. Ausserdem würde das Bier im Sommer Wespen anziehen, im Winter würde man sie bis zur Haut runter nass machen und damit eine Lungenentzündung riskieren. «Die Gesundheit des Rindes steht für uns an erster Stelle. Mit der Massage würde man sowieso nur die äussersten Schichten des riesigen Tieres erreichen», gibt Fuchs zu bedenken. «Wir haben einmal Biertrester gefüttert, aber das Bittere hat ihnen gar nicht geschmeckt», sagt Ursula Fuchs.

Auch auf dem Restaurantmenü

Foto: Claudia Salzmann

Zu ihren Kunden zählen sie primär Privatkunden, «die auch schon zwei- oder dreimal gekauft haben», sagt Züchterin Wyss. Ihnen verkaufen sie Fleich in Mischpaketen à 10 Kilogramm (670 Franken). «Zuerst hatten wir darin auch Suppenfleisch, aber das machen wir nicht mehr. Die normale Hausfrau kann eher Hackfleisch brauchen.» In der Kundschaft sind neuerdings auch Restaurants.

Domingo S. Domingo, der mit 14 «Gault Millau»-Punkten ausgezeichnet ist und im Restaurant Mille Sens in der Schweizerhofpassage beim Berner Bahnhof kocht, hat es seit Ende 2017 auf der Karte. Der australische Koch mit philippinischen Wurzeln ist begeistert: «Das Fleisch ist grossartig.» Domingo kauft nicht Pakete, sondern gleich eine Hälfte des Tieres und serviert das Wagyu-Fleisch im Hauptgang als Dreierlei: ein Edelstück, als Ragout und als Würstchen. Ganz neu serviert auch das Restaurant Schloss Oberhofen das Bolliger Wagyu. Das allererste Tier haben Thomas und Ursula Fuchs im Herbst 2016 geschlachtet. Während heute drei bis fünf Tiere pro Jahr in die Metzgerei gebracht werden, ist das Fernziel eines pro Monat. «Aber das dauert noch fünf bis sechs Jahre. Man muss Geduld haben, das haben wir gelernt», so Thomas Fuchs.

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