Oh O Bolles

Die Klientel des Restaurants O Bolles am Berner Bollwerk ist primär durstig oder hat schon gegessen, als die Besseresser zum Abendessen eintrudeln. Der Laden brummt selbst mittwochs, jeder Stuhl ist besetzt, und das hippe Publikum ist in Diskutierlaune. Den Service bestreiten dennoch gerade mal zwei Angestellte, die sofort die Getränkekarte bringen, blitzschnell drei Apéros vorschlagen und rassig servieren: einen Hugo und ein Glas Prosecco, der mit sechs Franken wohl der günstigste der Stadt ist, mutmasst die Besseresserin.

Die Karte ist in schnörkeliger Schrift verfasst, was dem Besseresser Leseschwierigkeiten beschert. Als Snäckis werden die Gerichte in der Karte umschrieben, das reicht von Salat, Oliven, Antipasti-Tellern (ab 10 Fr.) bis hin zu Knoblibrot und halb getrockneten Tomaten (11 Fr.) und dem Chäle-Rugeli (13 Fr.), das sich als Geissenfrischkäse aus der Innerschweiz entpuppt. Er wird mit Balsamico-Feigen serviert. Beim Knoblibrot hätte der Besseresser sich weniger Brot und mehr Tomaten gewünscht. Dafür ist das Rugeli der Besseresserin nicht nur kunstvoll angerichtet, sondern schmeckt auch hervorragend. Danach räumt der Kellner den ganzen Tisch ab, was bei uns Stirnrunzeln auslöst. Alsbald kehrt er zurück und meint, dass wir ja noch Hauptgänge hätten, und tischt wieder auf. Zwei Gänge bestellen wohl nur wenige Gäste.

Die Hauptgänge stehen nicht auf der Karte, sondern auf einem grossen Spiegel, der über dem Stammtisch hängt. Es gibt Boll und Werk. Boll ist ein Vegimenü mit Lauch-Räuchertofu-Roulade auf süsssaurem Kürbis an einer Pilzrahmsauce (24 Fr., oben im Bild), unter Werk werden drei Fleischgerichte gelistet. Davon ist das gebratene Poulet bereits ausgegessen. In der Sparte «Aktuell» wird der Besseresser fündig und schnappt sich die letzten Reistaler, Reispäckli mit Sellerieschnitzel, Wirz-Oliven-Gemüse und Randen mit Kokoscreme (24 Fr.). Dazu bestellen wir ein Glas Vale de Pauchs Tinto aus Portugal, der grosszügig eingeschenkt wird und erst noch einen netten Preis hat (5.60 Fr.).

Ungefragt werden zwei grosse Gläser mit Hahnenwasser mitgeliefert. Allgemein muss man sagen, die Getränke sind preisgünstig. Das wäre vielleicht auch eine Erklärung, weshalb hier blutjunge Gäste einkehren. Beide Teller putzen wir leer, unsere Bäuche sind rund und wir voll des Lobes. Einzig beim «Aktuell»-Menü hätte man das Gemüse besser timen und abschmecken können. Das geht auch ohne Geschmacksverstärker, welchen die O-Bolles-Köche sowieso nicht verwenden. Am Werk-Menü gibt es gar nichts zu meckern: Die Roulade ist schön klein, das Gemüse bissfest, die süsssauren Kürbiswürfelchen eine willkommene Abwechslung, und unter Pilzen versteht die O-Bolles-Küche nicht nur Champignons. Bio, frisch, hausgemacht, regional, saisonal, artgerecht – Attribute, die wir Besseresser oft um die Ohren gehauen bekommen. Auch das Restaurant O Bolles beschreibt so seine Philosophie und wird ihr gerecht.
Restaurant O Bolles, Bollwerk 35, 3011 Bern. Tel. 031 318 35 45. Mo-Mi 8.30 bis 23.30, Do/Fr 8.30 bis 00.30, Sa 9.30 bis 00.30 Uhr.
Die Quittung:
Auf dem Tisch: Bioküche mit viel Abwechslung und feinen Saucen.
Abgerechnet: Moderate Preise, vor allem auch bei den Getränken.
Aufgefallen: Seit Jahren ein kulinarisches Bollwerk am Bollwerk.
Abgefallen: Nur Barzahlung, weshalb ein kurzer Verdauungsspaziergang zum Bancomaten nötig war.
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