Die flüssige Diva

Ich sitze mit meinem Whiskyfreund M. auf dem Balkon, und wir sind beide hin und weg. Die perfekte Abendbegleitung liegt vor uns im Glas, und zu milder Abendsonne schnuppern unsere Nasen nach Holz-, Tabak- und Grasnoten. Das Leben ist schön. Einige Wochen später: Ich sitze mit M. am selben Ort, es regnet, wir trinken denselben Single Malt – und verdutzt schauen wir uns an: Was, bitte, soll an diesem Durchschnittsgesöff gut sein?

Nun, was M. und mir widerfuhr, ist vermutlich vielen schon passiert, denn Single Malts sind äusserst launische Gewässer – mal unwiderstehlich, mal (fast) unausstehlich. Eine Diva im Glas. Warum das so ist? Keine Ahnung. Wie mir zu Ohren kam, soll der Zustand, den man dem Whisky zuschreibt, oft in einem selbst liegen und somit das spiegeln, wofür man gerade empfänglich ist. Anders gesagt: Die Tageslaune sei matchentscheidend beim Nippen – mal hat der Chef genervt, mal hat Federer gewonnen, mal war das Essen zu scharf, mal hat der Hund gebollen.

 

Whisky für treue Seelen: Der 12-jährige Balvenie Double Wood

Whisky – ein Gleichnis allen Seins? Ich würde das unterschreiben, schliesslich stammt der Name vom gälischen „uisge beatha“, was so viel wie Wasser des Lebens bedeutet. Aber M. und ich haben auch eine andere Erfahrung gemacht: Bei einer Destillerieführung in Schottland trafen wir einen sympathischen Kanadier, der auf 12-jährigen Balvenie Double Wood schwor. Ausschliesslich. Alles andere war für ihn zweitklassig. Nun, nichts gegen Balvenie (es ist eine meiner Lieblingsdestillerien), aber wir waren beide erstaunt, wie überzeugt man bezüglich einer einzigen Abfüllung sein kann. Dann wurde uns klar: Es mag Diven im Glas geben, aber es gibt auch Connaisseurs, denen das schlicht schnuppe ist. Irgendwie tröstlich, das.

Ein Kommentar zu «Die flüssige Diva»

  • Rainer sagt:

    Gut so, wer die überteuerten und üppigen Maltwhiskys liebt. Mir behagen grundsätzlich alle ´Scotch´nicht, da mein Magen ihr Raucharoma (vom Torffeuer her) nicht erträgt. Jungen Menschen wird meist ein Scotch serviert. Die anderen kennen sie maum. Als ehemaliger Fachlehrer an einer Hotelfachschule gab ich den Studis die Möglichkeit, alle Arten zu degustieren. Und siehe da. Waren es zu Beginn recht viele die Whisky eigentlich nicht mochten, waren es danach nur noch wenige. Als Canadian Whisky Liebhaber werde ich oft belächelt. Was soll das? Ein Balkendiagramm zeigt im Vergleich zu anderen Whiskys auf, dass seine sehr sorgfältig ausgeführte Destillation zu einem anderen, recht feinen Resultat führt. Erlaubt ist doch, was gefällt.
    Ausspielungen und Entwürdigungen sind da Fehl am Platz.

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