So kombiniert man orangen Wein

Ich liebe Experimente, und so bestellte ich letztes Jahr in London ein Glas Orange Wine. Das hat auch gar nichts mit der Frucht Orange zu tun, sondern ist eine uralte Herstellungssart, die ursprünglich aus Georgien stammt. Eigentlich ist es ein Weisswein, der wie Rotwein mit den ganzen Beeren eine Maischegärung durchläuft. Die Farbe bekommt der Wein von den in der Schale enthaltenen Farbpigmenten. So viel zum Namen.

Wenn ich und mein Lieblingsmensch zu Hause für Gäste kochen, machen wir immer Foodpairing; der perfekt passende Wein zum Essen. Schon lange wollte ich Orangen Wein in ein Menü integrieren, aber ich wusste nicht wie. So holte ich mir Hilfe: Es gibt ihn auch in Bern, in einem Restaurant, nämlich in der Jack’s Brasserie, die zum Hotel Schweizerhof gehört. Eingeführt wurde er von der Sommelière Daniela Wüthrich, die seit Februar 2015 hier arbeitet. Die 27-Jährige hat exklusiv für den Foodblog ihre orangen Schätze geöffnet:

Klettgau Amphore, aus Neukirch von Markus Ruch, 2014 und 2015, 85 Franken/Flasche

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass es ein Weisswein ist. Doch in der Nase riecht er vegetabil, nach Maggikraut, Petersilie, aber auch würzig nach Bouillon und einen Hauch animalisch. «Diesen Wein serviere ich Kunden, die noch nie Orange Wine hatten», erklärt Wüthrich. Der 2015 sei zugänglicher, da er neben der Würzigkeit auch noch die Frucht behalten hat. Dass der Wein nicht orange ist, liegt an der Traubensorte Müller-Thurgau, einer sehr hellen Traube. Der Winzer Markus Ruch hat den Jahrgang 2014 sechs Monate in der Amphore reifen lassen, den 2015er nur noch drei Monate, weshalb er fruchtiger daherkommt. Foodpairing: Gebratener Fisch und Spargeln. Grillierte Pouletschenkel. Züri-Geschnetzeltes. Aber auch Exotisches wie ein ganz mildes Gemüsecurry.

Un automne à Fully von Oliver Pittet, Wallis, 2013, 90 Franken/Flasche

Dieser Wein wurde für einige Monate in einem Holzfass gelagert und ist Wüthrichs Liebling unter den orangen. Es gibt gerade mal circa 300 Flaschen, weil der Winzer Oliver Pittet nicht jedes Jahr Orange Wine produziert, und der Wein besteht aus den Traubensorten Marsanne und Pinot Gris. «Trinkt man orangen Wein, darf man nicht an Rotwein oder Weisswein denken, es ist einfach etwas anderes», schwärmt Wüthrich, die ihre Sommelière-Ausbildung letzten Frühling und die Hotelfachschule im Dezember abgeschlossen hat. Wir riechen Waldhonig, Nektarinen, Orangenzesten, Aprikosen und Mandeln. Foodpairing: Wiederum ein mildes Curry, gebratene Jakobsmuscheln oder Sushi, Riesencrevetten mit Knoblauch oder ein Saltimbocca mit Kräuterrisotto.

Ageno von La Stoppa, Elena Pantaleoni, Emilia Romagna, Italien, 2009, 75 Franken/Flasche

Der Wein (im rechten Glas) wurde in Amphoren gelagert und besteht aus den Trauben Malvasia, Trebbiano und Ortuga. Er erinnert an Bienenwachs, Kräuter, Lindenblüten und ist schon komplexer als die vorhergehenden. Deshalb empfiehlt Wüthrich: «Unbedingt etwas dazu essen, dann werden die Gerbstoffe etwas weicher.» Foodpairing: Käse- und Fleischplättchen, allgemein gereifter Hartkäse, eine Bolognese. Truthahn gefüllt mit Aprikosen und Orangen. Pilzrisotto mit geschmortem Kürbis und Marroni.

Amphore Blanc, Albert Mathier, Salgesch, 2010, 120 Franken/Flasche

Dieser Wein wird mit den Trauben sieben bis acht Monate in Kvevris (Tongefässe, die in der Erde vergraben werden) gelagert, danach wird der Wein weitere zwei Jahre in den Kvevri gelagert. Wir riechen reife bis überreife Frucht, weisse Blumen, reife Ananas, Quitten und Knollensellerie. Rèze und Ermitage sind die Traubensorten, bekannt für opulente und breite Weine. Foodpairing: eher Filet als geschmorrtes Fleisch. Gebratener Seeteufel mit Thymiankarotten. Entenbrust mit Honig-Balsamico-Jus. Oder einfach zu einem würzigen Käsegang servieren.

Fazit: Applaus für die vierte Weinkategorie

Endlich bin ich vorbereitet, wie ich den Wein Cotar Vitovska aus Slowenien, den ich im Weinkabinett in der Herrengasse gekauft habe, einsetzen kann. Ich versuche einzuschätzen, in welche Kategorie der oben beschriebenen er passen könnte, und pokere ein bisschen, dass die Frucht immer noch präsent ist. Somit gibt es Spargeln (ich weiss, ich weiss, bitte keine Schelte, ist eine Ausnahme) und gebratenen Fisch dazu. Nach dem Einschenken steckt mein Herzallerliebster, der ebenfalls noch nie orangen Wein getrunken hat, die Nase ins Glas und sagt: Der hat Zapfen. Ich muss lachen, weil der Wein in der Nase wirklich sehr ungewohnt daherkommt. Alles, was man bisher aus dem Aromarad aufgezählt hätte, gilt hier nicht. Wir riechen Apfelsaft und Kräuter, aber ich sollte recht behalten, das Fruchtige ist noch immer präsent, weshalb das Essen gut passt. Dass wir es allerdings ins nächste Menü einbauen, ist unwahrscheinlich, denn das Urteil von meinem Freund ist rigoros: Du darfst mein Glas auch noch trinken. Umso besser für mich, denn ich bin begeistert von der vierten Weinkategorie.

 

Ein Kommentar zu «So kombiniert man orangen Wein»

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