Fleisch am Knochen

besseresser

Eine Woche vor den Wahlen in der Stadt Bern hatten die Besseresser Umfragen und Prognosen satt. Wir wollten endlich Fleisch am Knochen. Im Landgasthof Hirschen in Ortschwaben gebe es solches in hervorragender Qualität, hatten wir gehört. Weil die Bude auch am Sonntagabend voll war, konnten wir nicht in der grosszügigen Gaststube Platz nehmen. Wir wurden in einen Nebenraum geführt, dessen pseudoprovenzalisches Dekor uns leicht irritierte.

Auch fanden wir unseren Zweiertisch etwas arg klein – vor allem angesichts der mächtigen Fleischstücke, die der Chef unseren Nachbarn auf dem Silbertablett präsentierte. Wer sich im Hirschen wohlfühlen will, sollte zumindest ­Flexitarier sein. Zwar werden auch Gerichte ohne Fleisch an­geboten, aber dafür muss man nicht nach Ortschwaben fahren. «Alles andere ist Beilage» – dieser Werbeslogan der Schweizer Fleischbranche passt hier ­perfekt.

unnamed-2Leider wird «alles andere» eher stiefmütterlich behandelt. Der Service war zwar freundlich, wirkte aber den ganzen Abend leicht überfordert. So wurden die Hauptgänge nicht gemeinsam aufgetischt.

Auch die Vorspeisen haben uns nicht überzeugt. Das Lachstatar (18.50 Fr., links im Bild) hatte eine leicht matschige Konsistenz, und die Fischsuppe war eine Enttäuschung. Sie konnte nur dank einer einsam dahinschwimmenden Crevette und einem Stückli Fisch als solche identifiziert werden. Den versprochenen Safran schmeckten wir auch nicht. Auf unsere ehrliche Rückmeldung reagierte der Chef zuerst pikiert, später dankte er aber für das Feedback und räumte einen Fehler ein. Die Suppe wurde auch nicht verrechnet. Das ist professionell.

Profis sind sie im Hirschen auch beim Fleisch. Das Piemonteser Rindsfilet aus dem Emmental (56.50) und das am Knochen gereifte 490-Gramm-T-Bone-Steak aus dem Oberland (78.55) waren perfekt. Das Filet butterzart, das Dry aged Beef mit einem leicht nussigen Geschmack. Beide ganz pur, mit nur Meersalz gewürzt. Die Beilagen – grüne Bohnen und Kartoffeln – waren in Ordnung, wurden aber nicht mit der gleichen Sorgfalt zubereitet wie das Fleisch.
Das slowakische Dessert, ein Mohnstrudel (12.50), war schwierig zu geniessen, weil am Nebentisch mehrere Männer jeweils 400 Gramm Fleisch auf dem heissen Stein brutzelten. Auch wer sich zu den Karnivoren zählt, hat mal genug von fleischlichen Genüssen.

Landgasthof Hirschen, 3042 ­Ortschwaben, Tel. 031 829 01 29 

Die Quittung

Auf dem Tisch: Fleisch in allen Variationen. Bekannt ist der Hirschen für das am Knochen gereifte Dry aged Beef.
Abgerechnet: Teuer. Gewisse Stücke werden nach Gewicht verrechnet, was saftige Überraschungen geben kann. Zum Beispiel 78.55 für ein T-Bone-Steak.
Aufgefallen: Die hausgemachten slowakischen Desserts.
Abgefallen: Das tschechische Bier Staropramen steht auf der Karte, kann aber nicht bestellt werden. Das hätten sie «schon lange» nicht mehr, sagte die Bedienung. Warum dann nicht einfach die Karte aktualisieren?

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