Liebe Pulmex

«Poller»-Kolumnistin Gisela Feuz hatte Fieber. Nach einem Fernseh-Marathon weiss sie nun, dass Schnecken beim Sex zuzuschauen bewusstseinserweiternd und verwirrend ist.

Du warst stets ein sicherer Wert in meinem Leben. Eine Institution, der Fels in der Brandung, ein Leuchtturm in dunklen Zeiten. Denn seit jeher signalisieren dein gelbes Aluminium-Kleid und dein Kampfer-Rosmarin-Geruch, dass nun alles gut wird. Du bist reiner Trost aus der Tube. Heisst natürlich auch, dass du überhaupt erst ins Spiel kommst, wenn einiges nicht mehr gut ist. So wie kürzlich, als Frau Feuz krank darniederlag. Natürlich googelte ich die Symptome des Coronavirus. Und zur Sicherheit auch noch gleich Sars, Ebola und die Maul- und Klauenseuche. Die Internetrecherche ergab: Ich hatte alles davon.

Krank sein ist das Hinterletzte, bringt aber trotzdem auch gewisse Vorteile mit sich. So darf man zum Beispiel für einmal hemmungslos und endlos in die Glotze starren. Also Ihren TV-Apparat brauchen Sie derzeit nicht einzuschalten, werte Leserschaft, da kommt nichts mehr. Ich hab alles leer geschaut. Zumindest die 350 verfügbaren Tier-Dokumentationen.

Ich weiss jetzt: Giraffen haben so lange Zungen, dass sie damit ihre eigenen Ohren lecken können. Männliche Seepferdchen sind fürs Kindergebären zuständig, notorische Fremdgänger und teilzeitschwul. Tintenfische könne zwar blitzschnell die Farbe wechseln, sind selber aber farbenblind. Stechmücken können sich merken, wer nach ihnen schlägt. Männliche Paradiesvögel sind die John Travoltas des Tierreichs. Und: Wenn sich Weinbergschnecken begatten, kann das bis zu 20 Stunden dauern.

Wenn eine Schnecke für ein Schäferstünden zu haben ist, signalisiert sie dies mit einer Beule (Beule, hihi, Tschuldigung, Pubertärhumorschub) am Kopf. Sobald sich zwei Begattungswillige gefunden haben, richten sie sich aneinander auf, befummeln sich mit ihren Fühlern und piksen sich mit sogenannten Liebespfeilen in die Unterseiten.

Ich sag Ihnen, werte Leserschaft, mit Fieber Schnecken beim Sex zuzuschauen, ist wie ein LSD-Trip: Bewusstseinserweiternd, aber auch sehr verwirrend. Weinbergschnecken sind Zwitter, das heisst, jedes Tier produziert männliche und weibliche Keimzellen. Das habe den grossen Vorteil, dass grundsätzlich jede andere Schnecke als Partner*in in Betracht gezogen werden könne, erklärte die tiefe Männerstimme aus dem Off. «Wie praktisch», dachte ich, geriet dann allerdings ins Sinnieren. Sorgt so eine Zweiteilung nicht auch für innere Konflikte? Was, wenn zum Beispiel der Bubenteil von Schnecke A ganz fest den Mädchenteil von Schnecke B piksen möchte, selber aber lieber nicht vom Bubenteil von Schnecke B befummelt werden will, was aber wiederum der Mädchenteil von Schnecke A unbedingt will? Und was, wenn der Bubenteil von Schnecke B schwul ist, sich der Bubenteil von Schnecke A aber als Frau fühlt, die auf Frauen steht, während der andere Teil asexuell ist? Und was, wenn…

Was sagst du, liebe Pulmex? Was das Ganze mit dir zu tun habe? Nichts. Eben nichts, das ist ja genau das Problem. Zum ersten Mal in meinen Leben liessest du mich nämlich im Stich. Weil: Du warst abgelaufen. Und zwar so was von. Konkret im August 2011. Was da aus deiner gelben Tube rauskam, war nicht Trost, sondern in Konsistenz und Farbe einer Weinbergschnecke nicht unähnlich. Einfach das Häuschen fehlte. Und riechen tat es nach einer Mischung aus vergorenem Eierlikör und dem Zeugs, das man unter den Zehennägeln hervorpuhlen kann.

Somit konnte ich mich nicht deiner Kampfer-Rosmarin-Schwaden behelfen, die das fiebervernebelte Hirn durchlüftet und wieder Ordnung und Logik installiert hätten. Stattdessen geriet meine Denkmaschine ob dem ganzen Schnecken-Sex-Puff dermassen ins Rotieren, dass sie überhitzte und die Feuz aus den Ohren zu rauchen begann. Ich überlegte kurz, ob allenfalls das Ablecken besagter Ohren Linderung verschaffen könnte, verwarf den Gedanken aber aus Mangel an einer Giraffe im Haushalt. Stattdessen legte ich mich ins Bett und starb. Nein, nicht am Coronavirus. Auch nicht an Sars, Ebola oder der Maul- und Klauenseuche. Ich starb an Erschütterung, liebe Pulmex, weil so etwas wie du ein Ablaufdatum haben kann.

Vom Himmel hoch,

Deine Frau Feuz

Gisela Feuz ist freie Kulturjournalistin, mit dem Chef höchstens artverwandt und wieder quietschfidel.

4 Kommentare zu «Liebe Pulmex»

  • Daniel Aeberhardt sagt:

    Bitte hören Sie auf mit diesen sinnfreien Kommentaren. Es interessiert niemanden und lustig ist es auch nicht.

  • dänu rohrbach sagt:

    hach, frau feuz, wie ich ihnen nachfühlen kann. und zwar sowohl betreffs die geborgenheit wie auch wegen dem ablauf-schock; ist mir auch schon passiert (WAS?? vita merfen kann ablaufen?? und dann beim einkaufen: WAAASS?? vita-merfen gibt’s nicht mehr… noch schlimmer).
    vielen dank für den lacherstart in den tag. gäbe es sie nicht, man müsste sie glatt erfinden :-))

  • Regula sagt:

    Liebe Frau Feuz
    Ich liege selber grad seit ein par Tagen mit der Grippe darnieder und habe herzlich über ihre Kolumne gelacht. ( jaaaa logo schaut man auf dem Netz nach: meine Variante war Corona mit Typhus ?)
    Vielen Herzlichen Dank für den Aufsteller! Leider habe ich keinen Fernseher, aber ev kann ich etwas über Schnecken auf youtube auftreiben.?

    Weiterhin gute Gesundheit!
    Mit besten Grüssen Regula

  • Nicole sagt:

    Grossartig, Danke 🙂

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