Bitte bemühen Sie die Post nicht unnötig wegen mir!

«Poller»-Kolumnist Markus Dütschler sah sich mit einer Eigernordwand aus Paketen konfrontiert. Dies setzt bei ihm einen Gedankenfluss zum Postwesen frei.


Diese Woche traf ich in Bern zufällig einen Paketpöstler hoch auf dem gelben Wagen. Er stieg aus, riss die Schiebetür des Wagens auf und stand vor einer Eigernordwand aus Paketen. Es war schon dunkel, nicht frühmorgens, sondern frühabends. Ich blickte ihm über die Schulter und «spienzelte» auf den Scanner. 423 Pakete hatte er auf dem «Schlitten». Sein Kollege habe über 500 gehabt, sagte der Pösteler. Er habe schon zehn Stunden gemacht und hänge noch eine elfte dran. Eventuell sagte er auch: elf Stunden und jetzt noch eine zwölfte. Weniger werde es nicht, sagte der Mann, das gehe so weiter. Dann verschwand er mit dem einachsigen voll beladenen Wägeli im nächsten Hauseingang.

Er ist ein gutmütiger Pösteler, denn nicht jeder mag es, wenn einer «spienzlet». Diesbezüglich waren sie früher bei der «Post Telefgraf Telefon PTT» streng. Das merkte ich, als ich als Lehrling in der Dorfpost das Fächlein der Firma leeren musste. Bei der Gelegenheit ging ich am Schalter vorbei und löste für mich einen Postcheck ein. Das ging noch ohne Computer, weshalb die Posthaltersgattin den Telefonhörer in die Hand nahm und im Postcheckamt anrief, um abzuklären, ob genug Geld auf dem Konto sei. Das für mich zuständige Amt befand sich in der nächsten Stadt und noch nicht in einem zentralisierten IT-Wasserkopf. Vor dem Telefonat behändigte die Posthalterin ein Blatt, auf dem sich Telefonnummern befanden, die jeweils einer Endziffer der Postcheckkonti zugeordnet waren. So erreichte sie zielgenau das «Frollein», das für mein Konto zuständig war.

Ich dachte, diese Nummer zu wissen, wäre praktisch, falls ich selber einmal dort anriefe, um den Saldo zu erfragen. (Für die Jüngeren: Es gab keine Apps und dergleichen.) Als sie merkte, dass ich auf das Blatt «spienzelte», nahm sie es brüsk an sich und rief mit gellender Stimme: «Da goot dy gar nüt aa.» Ich dachte: «Blöde Frau K.!», denn ich war natürlich mit ihr nicht Duzis. (Für die Jüngeren: Solche asymmetrischen Verhältnisse gabs wirklich.)

Ehrlich gesagt gehen mich auch die heutigen Päcklifluten der Post nichts an. Ich bestelle nichts, brauche nichts und habe alles. Das dispensiert mich davon, am 27. Dezember auf der Post Schlange stehen zu müssen, um alles an Alibazalamazon zurückschicken zu müssen. Vielleicht hat der Pösteler im Januar wieder mehr Zeit, sodass ich ihn auf einen Kaffee einladen kann. Ich schaue dann ganz genau, dass er sich für die Pause auf seinem Scanner korrekt
abmeldet.

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