Herumstehen und Zeit sparen
Was dachten Sie, als Sie am Montag die Gratiszeitung «Berner Bär» durchblätterten und die vielen Gesichter sahen? Sie tun das nie? Das sagen alle. Doch wer drin ist, wird von allen angesprochen auf das, was niemand gesehen hat. Beim Anblick der Gesichter denkt man zwei Dinge: «Die müssen viel Zeit haben, um an solche Veranstaltungen zu gehen.» Und: «Es sind immer die Gleichen.» Diesbezüglich gebe ich Ihnen recht: Bern ist nicht so gross. Darum erstaunt es kaum, dass sich an den Events die immer gleichen Personen treffen.
Zum ersten Argument muss ich entgegnen, dass die Promis ihren Tag keineswegs verplempern. Sie sparen sogar viel Zeit. Nehmen wir den Zibelemärit. Da strömt tout Berne frühmorgens ins Hotel Schweizerhof, um bei einem Frühstück den Bäredräck-Preisträger zu beklatschen, diesmal Jakob Messerli, Direktor des Historischen Museums. Das nimmt einige Minuten in Anspruch, dann ist wieder Networking angesagt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: In der kurzen Zeit habe ich sehr viel erledigt, weil alle da waren, die ich brauchte.
Anderen geht es gleich. Da werden zwischen Ankezüpfe und Zibelechueche, Kaffee und Cüpli Probleme aus der Welt geschafft, ohne dass man im Vorzimmer des anderen einen Termin verlangen muss. So erfährt der eine vom anderen, dass sich das erwartete Gutachten in der Endredaktion befinde, sodass ein Nachstossen nicht nötig sei. Jemand, der sich für den Flugverkehr in Bern engagieren will, findet die Person, die das einfädelt. Oder zwei, die sich kürzlich öffentlich an den Karren gefahren sind, gestehen sich ein, dass es so bitterernst auch wieder nicht gemeint war.
Nicht wenige verlassen den Schweizerhof, um zu den Stadtschützen zu wechseln, die im Kursaal den Oberzibelegring küren. Man wagt sich nicht zu sehr auf die Äste hinaus, wenn man behauptet, dass hier eher das bürgerlich-konservative Element versammelt ist. Falls Regula Rytz einmal dort gesichtet würde, sei es als Alt-Ständeratskandidatin oder als Bundesrätin, wäre dies eine Notiz wert, und bekäme sie den Titel Oberzibelegring, wäre das fast schon «Bund»-Frontstoff. Wobei anzumerken ist, dass der Klimaforscher Thomas Stocker 2018 diesen Titel erhielt, was zeigt, dass es bei den Stadtschützen keiner Greta bedurfte, um in die Thematik des Klimawandels einzudringen. Diesmal hiess der Preisträger übrigens WKS-Direktor Christian Vifian.
Gegen Mittag folgt die schwierigste Entscheidung des Tages. Weil viele bei Bäredräck, Stadtschützen und Mobiliar-Apéro eingeladen sind, müssen sie dann einen Anlass sausen lassen. Man kann sich nicht anmelden und heimlich nicht kommen, denn No-Show wird bei der Mobiliar dank einem unbestechlichen Scanner am Bellevue-Eingang erkannt.
Für den Normal-Promi ist das Problem lösbar. Er oder sie geht das eine Mal zu den Stadtschützen und meldet sich korrekt bei der Mobiliar ab. Oder umgekehrt. Ist man aber Gastgeber der Mobi-Sause im Bellevue, aber gleichzeitig Oberzibelegring-Preisträger, ist guter Rat teuer. Mobi-Verwaltungsratspräsident Urs Berger, dem dies 2012 widerfuhr, eilte vom Bellevue ins nahe Casino hinüber, um sich kurz bei den Stadtschützen beklatschen zu lassen, um sich dann wieder um seine Gäste im Bellevue zu kümmern. Auch das ist ganz im Sinne der Effizienz.
Markus Dütschler
Der «Bund»-Redaktor praktizierte eine weitere Variante: Er besuchte zwei Anlässe und schob danach Spätdienst in der Redaktion.
Ein Kommentar zu «Herumstehen und Zeit sparen»
The smaller the pond, the bigger the fish (die Bernische Kantonalhymne).